imho:..
Sarah, ich war selbst - das behaupte ich einfach mal - mal kurz davor, durchzudrehen. Das war sicherlich auch hormonell bedingt, genauso wie meine Fähigkeit, mit Amokläufern mitzufühlen dadurch möglich(er) ist, dass ich noch nicht komplett "Erwachsen" bin. Aber ich bin seitdem zumindest deutlich erwachsener geworden und dennoch kommt es mir nicht in den Sinn, über meine damaligen Gründe nun hämisch oder liebevoll zu lachen.
Ich glaube das unterscheidet uns. Du scheinst zu glauben, dass es für ein Individuum möglich ist, seine eigenen Gedanken irgendwann später im Leben
besser einzuschätzen, für mich gibt es da nur ein
anders.
Was bringt es, einem Jugendlichen zu erklären dass seine Ansichten hormonell bedingt sind, wenn er dir nach der gleichen Logik erklären kann, dass deine Ansichten alters- bzw.
ältersbedingt sind. Hast
du mehr recht, oder hat
die Ansicht (scheinbar) mehr recht, die sich richtiger anfühlt? Zweiteres für den Jugendlichen.
Ist es hilfreicher, einem potentiellen Amokläufer zu sagen, dass man nur abwarten muss, oder vielleicht eher, dass man gerne nochmal die Kraft hätte, die unzähligen Missstände so emotional Verurteilen zu können, wie er es kann? Und wenn du einsiehst, Sarah, dass auch du dich enorm angepasst hast um besser mit der Welt/Gesellschaft klarzukommen, kannst du dann noch die Gesellschaft in Schutz nehmen und die Schuld auf den Amokläufer abstreifen? Auch das ist wieder eine Anpassung. Natürlich trägt der Amokläufer die Schuld, dass 15 Menschen sterben, aber er trägt nicht die Schuld, dass er zu stark ist um sich anzupassen.
Lykurg: Stimmt. Da habe ich dich falsch verstanden.
Du sagst "erst mehr oder weniger wahllos, dann auf sich selbst". Ich würde es genauso sagen wie du und das Gegenteil damit meinen, glaube ich. Er hat keine Wahl weil es alles Menschen sind, egal ob Anna oder Tom. Das Feindbild ist das Wesen Mensch, daran ist er gescheitert. Er erschießt sich nicht feige, er flieht nicht vor seiner gerechten Strafe, sondern er flieht vor sich selbst, vor seiner Unfähigkeit, etwas Besseres zu sein als seine Opfer. Desweiteren sieht er in dem was er tut keine Straftat, solche Begriffe haben für ihn keine Bedeutung mehr. Er flieht nach vorne weil er an einem Punkt angelangt ist, an dem er für sich entschieden hat, dass er keine Kompromisse eingehen will, keine Trostpflaster. Seine Erwartungen ans Leben sind gerechtfertigt und er ist verzweifelt, weil sie ihm ausgetrieben werden wollen, sowohl von anderen als auch von sich selbst. Dass kann und will er nicht verstehen, darin sieht er den Fehler im Menschen und hasst ihn - gerechtfertigt.
Das klingt sicherlich so, als wolle ich ihn als Märtyrer oder so darstellen. Aber was ich damit nur erklären will ist, dass ihr vll. einfach den Fehler macht, ihn mit menschlichen Maßstäben verstehen zu wollen. Für ihn hat das Wesen Mensch ansich keinen Wert mehr, dadurch ist er kein Wesen mehr, mit dem ihr normalerweise zu tun habt wenn ihr irgendwo mitfühlt.
Deswegen das "imho" am Anfang, weil das sicherlich so klingt als würde ich mir anmaßen, es besser zu wissen als ihr. Ich kenne zumindest das Gefühl von nahezu kompletter Entwertung des Menschen und ihr scheint daran nicht gedacht zu haben, wenn ihr von "miteinander reden, sich zuhören" etc. schreibt.
Da ich gerade minimal angetrunken bin kann es sein, dass ich mich mal wieder unverständlich ausgedrückt habe, aber ich hoffe, es ist ok so

^^