Amoklauf von Winnenden

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Anaeyon
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So 15. Mär 2009, 14:16 - Beitrag #61

Es ging nicht um Mitleid, sondern um Mitgefühl. So habe ich die meisten Posts zumindest verstanden und meine Posts so gemeint. (deinen letzten Absatz habe ich aber auch gelesen, Lani ^^)

Malte279
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So 15. Mär 2009, 16:09 - Beitrag #62

Um noch mal auf einen anderen Aspekt des Themas zurückzukommen, der bisher nur kurz angerissen wurde und der jedes Mal wenn er genannt wird bei vielen wohl sehr genervtes Augenrollen auslöst, die sogenannten "Killerspiele".
In den meisten Diskussionen im Internet wird auf die Nennung des Wortes mit heftigstem wiederwillen reagiert und "Killerspiele" werden als absolut nichts weiter als eine bequeme Ausrede betrachtet um sich um die Lösung eines viel größeren und komplexeren Problemes zu drücken.
janw 13.03.2009, 21:02
In "Hart aber fair" wurde nach dem Vorfall über die Bedeutung von Computerspielen für derartige Handlungen gesprochen, wobei einer der Teilnehmer meinte, vielleicht könnten sie den Tropfen darstellen, der das Fass zum überlaufen bringe. Was in mir die Frage aufkommen ließ, ob es da sinnvoll sei, diesen Tropfen abzustellen - oder ob es nicht viel besser wäre, das Fass zu leeren. Nur, was ist es, womit dieses Fass gefüllt ist, was macht die heutigen Füllungen so anders als die von früher - oder ist dies nur scheinbar so?

Auf die Frage womit das Fass gefüllt ist können viele Antworten gegeben werden. Bei der Frage warum das Fass heutzutage (was Schüler betrift) regelmäßiger überzulaufen scheint als in früheren Zeiten wird es schon etwas schwieriger. Sehr viele der Elemente mit denen das Fass gefüllt ist haben auch schon vor vielen Jahrzehnten existiert und während einige neue Sorgen dazu gekommen sind haben andere dafür auch praktisch aufgehört zu existieren.
Aber bei all den komplexen und Dingen mit denen das Fass gefüllt ist steht auch fest, dass es sehr schwierig bis utopisch ist sie aus dem Fass herauszubekommen. Mobbing beispielsweise ist ein wichtiger Inhalt dieses Fasses, aber um Mobbing weitgehend zu beenden (wenn das überhaupt möglich ist) währen sehr, sehr umfangreiche Veränderungen in der Gesellschaft von Nöten. Das es lange dauern würde steht fest, womit angefangen werden müsste ist unsicher.
Ist aber Mobbing so ein vollkommen neues Phänomen? Und wenn ja, woher kommt es? Ist es nicht zumindest möglich, dass die Medien (ob nun Fernsehen, das Kino, oder Computerspiele) und die dort präsentierten Rollen und Verhaltensweisen einen nicht ganz unerheblichen Beitrag zu unserem Denken und Verhalten haben, und das Mobbing eine mögliche Nebenerscheinung ist?
Was die Gewalt angeht so scheint sie doch zu einem so großen Teil im menschlichen Verhalten verankert zu sein, dass ich keinerlei Chance darauf sehe sie dem Menschen in Absehbarer Zukunft "abzugewöhnen". Das ist absolut nicht die Schuld oder die Folge von Filmen oder brutalen Computerspielen.
Aber ist der Gedanke, dass "Killerspiele" den Funken darstellen können der das Pulverfass zum explodieren bringt (ein Vergleich der dem ergebnissen von Amokläufen vielleicht näher kommt als eine überlaufende Regentonne) wirklich so Abwegig, dass wir mit Recht dazu neigen genervt zu reagieren sobald das Thema (mal wieder) angesprochen wird?
Ich erinnere mich an ein Experiment, das in einem Politikbuch an der Schule beschrieben wurde und das wahrscheinlich vielen hier bekannt ist. Zwei Gruppen von Kindern werden zwei unterschiedliche Filme vorgeführt. Einer der Filme war vollkommen harmlos, in dem anderen wurde ein Man gezeigt, der auf eine Puppe einprügelt. Anschließend wurden die Kinder in einen Raum geführt in dem alle möglichen Spielsachen waren, darunter auch eine solche Puppe wie sie in dem zweiten Film zu sehen war. Während die Kinder die den harmlosen Film gesehen hatten "normal" spielten fingen die anderen ausnahmslos an auf die Puppe einzuprügeln, so wie sie es im Fernsehen gesehen hatten.
Wenn man nun bei "Killerspielen" eine so viel aktivere Rolle übernimmt als beim Fernsehen, ist es dann wahrscheinlich, dass das so ganz folgenlos bleibt? Natürlich machen "Killerspiele" alleine niemanden zum Amokläufer, natürlich würde ein Verbot von "Killerspielen" weder Amokläufe, noch die Verbreitung dieser Spiele auf illegalem Wege komplett verhindern aber lässt sich vollkommen abstreiten, dass diese Art von Spielen das Zünglein an der Waage seien kann? Und wenn dass so ist, ist dann der Schaden größer wenn Millionen von Menschen ihre "Killerspiele" nicht mehr oder nur noch unter Schwierigkeiten bekommen, oder wenn immer mal wieder Gruppen von Leuten ermordet werden weil ein Killerspiel das Fass zur explosion gebracht hat?
Im Gegensatz zu den Maßnahmen die eine komplette strukturelle Veränderung der Gesellschaft erforderten ist ein solches Verbot eine Maßnahme die schnell getroffen (wenn auch niemals durchgehend durchgesetzt) werden kann.
Trotz all dieser Argumente für ein solches Verbot ist das nicht meine persönliche Meinung, sondern es sind lediglich Gedanken die ich mir zu einer Frage gemacht habe, in der ich selber unentschlossen bin.
Aber in einer Hinsicht bin ich mir einigermaßen sicher, nämlich in der, dass die heftigen Proteste gegen ein Verbot von sogenannten "Killerspielen" in erster Linie daher rühren, dass auch die, die große Veränderungen in der Gesellschaft fordern, ungern bereit sind auch nur kleine Veränderungen in Kauf zu nehmen, sobald sie die persönliche Freizeitgestaltung betreffen. Ich bezweifle, dass selbst wenn es einen absoluten Beweis für das durch "Killerspiele" geförderte Gewaltpotential gäbe in Folge dessen eine Mehrheit ein solches Verbot unterstützen würde. Schließlich sind die Amokläufer Grundsätzlich die anderen, die solche Spiele spielen und deshalb gibt es für niemanden einen Grund selbst auf diese Spiele zu verzichten um irgendwann vielleicht mal ein paar Menschenleben zu erhalten wovon man aber niemals erfahren wird.

Anaeyon
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So 15. Mär 2009, 16:16 - Beitrag #63

Etwas zu verbieten weil ein unglaublich winziger Teil der Konsumenten damit nicht umgehen kann, KANN keine Lösung sein.

Lani
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So 15. Mär 2009, 16:51 - Beitrag #64

Also bei Welt der Wunder (? war es glaube ich) haben sie über einen Versuch berichtet, der bewiesen hat, dass psychisch gesunde Leute die Gewalt in Spielen und die reale Gewalt komplett unterscheiden und diese Spiele nur einen positiven Einfluss haben.
Da haben wir das Problem: Psychisch gesund. Man kann -wie Ana sagt- nicht für die Allgemeinheit jetzt einfach diese Spiele verbieten. Es gibt Leute die sind shoppingsüchtig, ja, benutzen vielleicht Gewalt, wenn jemand sie vom Kaufen abhalten will. Deshalb machen wir ja nicht alle Kaufhäuser zu.

Und solange die Leute darüber streiten, "Killerspiele" zu verbieten, aber die Waffenmesse fröhlich für jeden frei zugänglich ist (wobei sich da übrigens in den USA mal ein 8-jähriger aus Versehen bei erschossen hat), finde ich das Ganze sowieso albern. Denn der Täter hat nun wirklich nicht mit scharfkantigen Videospielhüllen um sich geworfen.

Milena
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So 15. Mär 2009, 17:00 - Beitrag #65

....von allem etwas.....dürfte relevant gewesen sein....
bischen killerspiele, bischen nicht ganz gesund in der birne, bischen pistole, die bischen so im schlafzimmer rumliegt und nebenbei noch bischen 200 schuss munition, die auch so bischen unverschlossen rumliegen...
et voila......c´est ca.......

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So 15. Mär 2009, 17:40 - Beitrag #66

Ich dachte auch darüber nach, den Punkt anzuschneiden... Malte279 verwies darauf, daß es sich nur um einen von vielen Aspekten handelt. Niemand hier wird behaupten, daß allein das Spielen solcher Spiele zu solchen Gewalttaten führe. Aber die Tatsache, daß nur ein sehr kleiner Anteil der Konsumenten von "Killerspielen" tatsächlich zum Mörder wird, bedeutet nicht, daß sie nur bei dieser kleinen Gruppe Schaden anrichteten. Gesellschaftliche Verrohung, etwa die Tendenz zur gewaltsamen Konflikteskalation, kann sich ja auch ganz verdeckt und längerfristig verstärken, ohne daß man sie selbst mit den Spielen in Verbindung bringen würde. Die erbitterte Gegenwehr der Spielerszene gegen derartige Überlegungen (inklusive der Tendenz, den Sprecher lächerlich zu machen oder als ahnungslos darzustellen) ist dabei vorprogrammiert. Kaum jemand wird gern zugeben, er sei in seinen Verhaltensweisen in irgendeiner Weise fremdbestimmt - und erst recht nicht, daß das, was für ihn normal ist, bei anderen oder in einer Extremsituation auch ihm selbst eine öffentliche Gefahr darstellen könnte. Aber auch diese automatische Solidarisierung stellt, angenommen daß die "Killerspiele" einen Einfluß darauf haben, so klein er auch sein mag, eine Gefahr dar - und bedeutet letztlich auch eine hohe Verantwortung derjenigen, die sich gegen Verbotsüberlegungen ereifern.

Natürlich, Anaeyon, ist der Anteil derjenigen, die wirklich deswegen durchknallen, gering. Aber wie viele Fälle kann man denn akzeptieren, wieviele Amokläufe jedes Jahr sind okay? Ich bezweifle (entgegen dem genannten Welt-der-Wunder-Experiment^^), daß Intensivspieler wirklich ausnahmslos in der Lage sind, ihr Verhalten im Spiel vollständig von der Wirklichkeitserfahrung zu trennen. Ich habe meinerzeit selbst mit zwei Mitschülern über die Möglichkeit diskutiert, einen Doom-Levelmod dem eigenen Schulgebäude nachzugestalten (logischerweise komplett inklusive "Gegnern", rückblickend graust es mir vor der Überlegung). Natürlich hätte ich niemals "sowas" getan... - ich bin ja "normal" und "kann damit umgehen"...
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Ipsissimus
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So 15. Mär 2009, 17:51 - Beitrag #67

bzgl. Killerspielen und Schützenvereinen, sorry, wenn ich mich jetzt ein bisschen hart anhöre, aber er hat wahrscheinlich auch fast jeden Tag geschissen ... was sich da für Abgründe an Zusammenhängen auftun ... und wir sollten bitte, bitte, bitte auch Messer verbieten, weil psychisch labile Personen weiß Gott was damit anstellen können ... Moment, mit Gabeln auch ... und selbst Löffel sind gefährlich, Streichhölzer, Feuerzeuge und was noch alles ... bitte alles verbieten, zumindest Handhabungsberechtigungsprüfungen und strenge Sicherheitsvorschriften einführen für alle, die irgendwie anders sein könnten.

Und mit welchen Killerspielen haben sich eurer Ansicht nach die Amokläufer bis ~1980 beschäftigt, als es das alles noch gar nicht gab? Ach so, da haben sie Schundromane gelesen. Die müssen wir dann heute aber aus Sicherheitsgründen auch verbieten, es könnte ja noch jemanden geben, der lesen kann. Und bitte gleich alle Krimis in Buch und Fernsehen mitverbieten, und in Nachrichten in Zukunft nur noch äußern lassen "es ist wieder etwas ganz Furchtbares geschehen", denn mehr Details könnten auch gefährlich werden. Blöd dabei ist nur, dass die ersten großen Amokläufe zu einer Zeit stattfanden, als es auch Fernsehen und Schundromane noch gar nicht gab.

Sorry, ihr stellt Bezüge her, die nach der großen Mehrheit aller darüber durchgeführten Untersuchungen überhaupt nicht gegeben sind; sie eignen sich natürlich bestens dafür, an den wirklichen Ursachen vorbei zu suchen, weil die vielleicht nicht mit ein paar Verboten zu erledigen sind.


das der Täter seine fatale Entscheidung getroffen hat, aber getroffen hat ER sie.


ich denke, die zentrale Frage dürfte hierbei sein, ob Amokläufer im eigentlichen Sinne überhaupt eine Entscheidung treffen - ob wir ein Abwägen sachlich korrekt unterstellen dürfen, das in eine Entscheidung mündet. Mir erscheint es plausibler, von einer allmählichen inneren Zermürbung auszugehen, die in ein akutes Überwältigtwerden mündet, das sich vom Täter nicht mehr beherrschen lässt. Unter einer Entscheidung verstehe ich was anderes.

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So 15. Mär 2009, 18:00 - Beitrag #68

ich denke, die zentrale Frage dürfte hierbei sein, ob Amokläufer im eigentlichen Sinne überhaupt eine Entscheidung treffen - ob wir ein Abwägen sachlich korrekt unterstellen dürfen, das in eine Entscheidung mündet. Mir erscheint es plausibler, von einer allmählichen inneren Zermürbung auszugehen, die in ein akutes Überwältigtwerden mündet, das sich vom Täter nicht mehr beherrschen lässt. Unter einer Entscheidung verstehe ich was anderes.
Und im Rahmen dieses nicht vorhandenen Entscheidungsprozesses, seiner Zermürbung, sind also Videospiele, in denen das massenhafte Abknallen gesichtsloser Gegner (und - ach ja, friedliche Geiselbefreiungen, die Gegner sind höchstens ein paar "Terroristen") als zielführendes Verhalten belohnt wird, eine gute Therapiemethode und der ideale Weg, sich abzureagieren?

Schlimm genug, daß es vor den 80ern Amokläufe gab, merkwürdig nur, daß in den letzten Jahren die Täter nach bestimmten Mustern vorgehen, daß immer jüngere Täter bevorzugt in ihren Schulen um sich schießen und sich anscheinend auch immer länger und immer besser vorbereiten...

Ich meine übrigens nicht, daß man die enstprechenden Anpassungen in großer Hast und ohne Diskussion durchführen sollte, ganz im Gegenteil, offenbar ist eine gesellschaftliche Risikenabwägung erforderlich.

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So 15. Mär 2009, 18:26 - Beitrag #69

Sicher gibt es solche Werther-Effekte, dass eben die in Literatur, Film und Spiel gesehene Gewalt nachgestellt wird.
Die Frage ist dann eben, was wäre wenn die beiden Amokläufer von Littleton z.B. nicht den Film Matrix gesehen hätten. Sicher hätten sie sich nicht in schwarze Mäntel gekleidet. Aber hätte es die Amokläufe verhindert oder nur dazu geführt, dass sie sich als Cowboys gestylt hätten?
Vielleicht hätten sie sich auch einfach nur von einer Brücke gestürtzt oder ihr Leben sogar verbittert fortgesetzt.
Dass Attentäter Spiel und Wirklichkeit nicht unterscheiden konnten, bezweifle ich. Das greift einfach zu kurz. Sicher ist aber das Computer-Spiele helfen ohnehin vorhandene Gewaltfantasien zu weiter zu kultivieren und zu verstärken. Ich behaupte daher, dass die Amoklüufer mit einem großen Knall "gehen" wollten und das Gefühl der Ohnmacht für eigene Momente mit der Umsetzung lang gehegter Allmachtsfantasien zu beenden.

Was die Häufung sogenannter Schulmassaker betrifft, so sehe ich auch hier eine Art Werther-Effekt besser einen Littleton-Effekt. Zu erklären, wie man derartiges unter Einhaltung der Pressefreiheit verhindern kann, liegt mir fern.

Malte279
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So 15. Mär 2009, 18:37 - Beitrag #70

bzgl. Killerspielen und Schützenvereinen, sorry, wenn ich mich jetzt ein bisschen hart anhöre, aber er hat wahrscheinlich auch fast jeden Tag geschissen ... was sich da für Abgründe an Zusammenhängen auftun ... und wir sollten bitte, bitte, bitte auch Messer verbieten, weil psychisch labile Personen weiß Gott was damit anstellen können ... Moment, mit Gabeln auch ... und selbst Löffel sind gefährlich, Streichhölzer, Feuerzeuge und was noch alles ... bitte alles verbieten, zumindest Handhabungsberechtigungsprüfungen und strenge Sicherheitsvorschriften einführen für alle, die irgendwie anders sein könnten.
Wie kommt es bloß, dass ich mir fasst sicher war, das solche Kommentare kommen würden, um mich als Idioten und Sicherheitsfanatiker darzustellen, dass dabei aber viele der Aussagen die ich selbst gemacht habe völlig ignoriert werden? Etwas Schade ist es schon das bei bestimmten Themen erstmal sofort gebissen werden muss weil Leute sich davon persönlich angegriffen zu fühlen scheinen.
Und mit welchen Killerspielen haben sich eurer Ansicht nach die Amokläufer bis ~1980 beschäftigt, als es das alles noch gar nicht gab?
Ich habe in meiner Nachricht betont, dass ich speziell von dem doch neueren Phänomen von Schülern als Amokläufern an Schulen ausgehe. In den 60ern glaube ich gab es mal einen Fall von einem 25 jährigen (auch nicht gerade ein Kind) an einer Uni, 1974 erschoss ein 17 jähriger an der Olean High School / NY 3 Menschen und verletzte 11 und 1979 erschoss eine 16 jährige 2 Menschen in San Diego / CA. Aus Europa ist mir kein Fall von vor 1980 bekannt.
Wenn man die Häufung der Fälle in den letzten Jahren und die Steigerung der Opferzahlen betrachtet, dann glaube ich Deine Frage damit beantworten zu können, dass der von Schülern begangene Schulamoklauf vor 1980 einfach kein besonders häufig auftretendes Phänomen war. Wenn aber plötzlich in den letzten knapp 20 Jahren dieses Phänomen so sehr zunimmt, ist es dann wirklich so vollkommener Blödsinn einen Zusammenhang mit den seitdem immer mehr verbreiteten sogenannten "Killerspielen" zu sehen?
Sorry, ihr stellt Bezüge her, die nach der großen Mehrheit aller darüber durchgeführten Untersuchungen überhaupt nicht gegeben sind;
Ja, ich bezweifle nicht, dass Du diese Untersuchungen auf Nachfrage hier auch nennen könntest und genauso brauchst Du nicht daran zweifeln, dass es reichlich Untersuchungen gibt, die das genaue Gegenteil besagen (welche Seite Gegenseitig die "Mehrheit" hält ist da fast schon egal. Traue keiner Statistik die Du nicht selbst gefälscht hast.
Wenn aber tatsächlich keine Bezüge zwischen der Gewalt in den Medien und in den sogenannten "Killerspielen" besteht, wie Du sagst, woran liegt es dann, dass dieses Phänomen plötzlich so vermehrt auftritt?

Lykurg
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So 15. Mär 2009, 20:54 - Beitrag #71

Was die Häufung sogenannter Schulmassaker betrifft, so sehe ich auch hier eine Art Werther-Effekt besser einen Littleton-Effekt. Zu erklären, wie man derartiges unter Einhaltung der Pressefreiheit verhindern kann, liegt mir fern.
Ganz super sind natürlich solche Aktionen wie die der "Bild", die ein halbmeterhohes 'Poster' des Attentäters (als Fotomontage, in Kampfanzug und martialischer Pose mit auf den Betrachter gerichteter Waffe) abdruckt. Den Redakteur sollte man wegen Aufrufs zum Mord einlochen. Bild
Der Pressekodex lehnt aus verschiedenen hier zutreffenden Gründen die übermäßige Darstellung von Gewaltverbrechen ab (besonderer Schutz Jugendlicher; Opferschutz; generell "Berichterstattung über Gewalttaten"). Es wäre schon hilfreich, wenn man sich hier an selbstgesetzte Regeln halten bzw. diese modifizieren würde, statt die Sensationsgier einer breiten Masse bis ins letzte Detail zu befriedigen und zu illustrieren.

@Padreic: Ich stimme dir zu. Ich denke auch, daß es eher eine Frage der Ausdrucksweise ist, meine auch nicht, daß die von mir vorgeschlagenen Modifikationen unbedingt alle so umzusetzen sind (allerdings auch nicht, daß sie reichen). Generell sollte man sich aber Gedanken machen, wie man etwas ändern kann - natürlich ohne die Gesellschaft zu zerstören.

Malte279
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So 15. Mär 2009, 22:29 - Beitrag #72

Die Art der Berichterstattung und Publicity die für einen solchen Amoklauf vergeben wird trägt mit großer Sicherheit ebenfalls dazu bei das Phänomen am Laufen zu halten. Aber wie Maglor bereits sagte dürfte es hier ohne Verletzung der Pressefreiheit unmöglich sein etwas zu tun.

ich denke, die zentrale Frage dürfte hierbei sein, ob Amokläufer im eigentlichen Sinne überhaupt eine Entscheidung treffen - ob wir ein Abwägen sachlich korrekt unterstellen dürfen, das in eine Entscheidung mündet. Mir erscheint es plausibler, von einer allmählichen inneren Zermürbung auszugehen, die in ein akutes Überwältigtwerden mündet, das sich vom Täter nicht mehr beherrschen lässt. Unter einer Entscheidung verstehe ich was anderes.
Ich denke über diesen Punkt kann man auch wieder unterschiedlicher Ansicht sein.
Persönlich sehe ich hier weder eine Situation in der Mensch keine alternativen Handlungsmöglichkeiten mehr hatte, noch einen besonderen zeitlichen oder ähnlichen Druck der eine Affekthandlung hätte herbeiführen können. Genaugenommen ist der Begriff Amok hier nicht wirklich zutreffend, da Amok normalerweise einen spontanen und nicht mehr kontrollierten Wahn beschreibt, während hier wohl doch eine längere Vorüberlegung und Planung stattfand. Bei dem Ausmaß an Planung das hier nötig war finde ich schon das man den Täter nicht einfach unterstellen sollte er habe gar keine Entscheidungen mehr treffen können, da er dafür schon zu zermürbt und überwältigt gewesen sei.
Der Arme :rolleyes:, abgesehen von der bereits vorher erwähnten materiellen Sicherheit wurde oftmals sein Hobby des Tischtennis spielens erwähnt, über das er ja zumindest eine Möglichkeit für ein paar soziale Kontakte gehabt haben müsste, durch das Internet ist es heutzutage auch einfacher als noch zu anderen Zeiten Kontakte zu Leuten zu finden die ähnliche Interessen oder Probleme haben. Ich weiß natürlich genausowenig wie alle hier über den Täter aber bei dem wenigen das wir wissen finde ich doch, dass wir ihm sehr entgegenkommen wenn wir ihm nachsagen dass er in einer solchen Situation gewesen sei das er (im Gegensatz zu all den anderen in einer ähnlichen oder schlimmeren Situation sind aber nicht so handeln wie er) keine Entscheidungen mehr habe treffen können, also praktisch keine Wahl mehr hatte.

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So 15. Mär 2009, 23:05 - Beitrag #73

Genaugenommen ist der Begriff Amok hier nicht wirklich zutreffend, da Amok normalerweise einen spontanen und nicht mehr kontrollierten Wahn beschreibt, während hier wohl doch eine längere Vorüberlegung und Planung stattfand.


...amok beinhaltet beides.......kontrollierter wahn, innere leere, lange vorüberlegung und planung, siehe.....:
ich wiederhole gerne den link...siehe phasenablauf:
http://de.wikipedia.org/wiki/Amok

Maglor
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So 15. Mär 2009, 23:22 - Beitrag #74

Schon einmal daran gedacht, dass Personen keine Alternative sehen, weil ihr Denken und Handeln zwanghaft ist? Mit Zwängen meine ich jetzt nicht die Umwelt sondern die Psyche. Ich glaube, dass meinte auch Ipsissimus mit seiner Bemerkung, ob der Täter überhaupt eine Entscheidung im eigentlichen Sinne traf.
Interessante Auskünfte liefert hier das Verhör des Schülers Kip Kinkel , der 1998 vier Menschen erschoss und dessen anschließender Selbstmord vereitelt wurde.
KK I don't know what's wrong with me.

AW Okay.

KK My head just doesn't work right.

AW Why doesn't it work right?

KK I don't know I can't--

AW When you brought the gun to school yesterday, or when you purchased it yesterday, did you know that was the right thing to do or the wrong thing to do.

KK I knew it was a wrong thing.

AW You knew it was a wrong thing to do?

KK Yeah.

AW Okay....But you didn't have any intent yesterday, or at least that's what you told me yesterday, of hurting anybody. Is that correct?

KK Right.

Immer wieder behauptete er: I had no other choice.

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So 15. Mär 2009, 23:41 - Beitrag #75

ob der Täter überhaupt eine Entscheidung im eigentlichen Sinne traf

...das ist sehr sehr schwierig....
ich glaube auch nicht, dass das einer von uns wirklich beantworten könnte....

denn angenommen, die anwort wäre nein.....
nein...er konnte keine entscheidung im eigentlichen sinne treffen....(im uneigentlichen sinne schon...)
wie ist es dann zu erklären, dass er
- einen schulabschluss geschafft hat,
-in einer ausbildung stand,
-seine eltern an ihm nichts bemerkt hätten und auch rigoros abstreiten, dass er je in einer psy. behandlung war....
-dass er die tage davor und überhaupt eigentlich unauffällig war....
-dass seine mutter zb. nicht bemerkt hätte, dass sein sohn die augen verdreht und wirr drein schaut......und sich somit die frage stellt, wann ist bei Tim das eingetroffen, der punkt, dass er im eigentlichen sinne keine entscheidung treffen konnte....? um 3uhr morgens, wo ihm keiner begegnen konnte in der wohnung....auf der strasse als er in armeekluft und mit pistole und 200schuss munition unterm arm durch die strassen schritt, richtung schule...?
ab welchem moment konnte er keine entscheidung im eigentlichen sinne treffen....
oder konnte er schon seit jahren nicht mehr,
vielleicht schon von geburt an....?

wenn die antwort ja wäre,
Tim konnte im eigentlichen sinne, während seines tatvorganges eine entscheidung treffen...
wie ist es dann zu erklären, dass
- die stadien eines amoklaufes bei ihm abgelaufen sind......
-dass er am abend zuvor vielleicht noch mit den eltern zu abend gegessen hat... und er ganz nüchtern betrachtend den plan des massakers im kopf hatte...?

kann es sein, dass man eine entscheidung, einen plan im kopf hat, diese gestaltet wird, ausgemalt etc.....und dass man über einem zeitrahmen, wann beginn, wann das ende(ausbruch) dessen ist, gar nichts sagen kann...?
ich finde das wirklich schwierig, nach wie vor....

Ipsissimus
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Mo 16. Mär 2009, 11:36 - Beitrag #76

na ja, Menschen können sehr vieles tun, ohne explizit eine Entscheidung zu treffen, indem sie einfach nur funktionieren oder/und sich triften lassen; irgendwann wird eine Situation dann zum Selbstläufer (wie wir beide nur zu gut wissen, Milly). Der tägliche Gang zur Arbeit, zur Schule, Körperpflege uvm. läuft per Gewohnheit ohne echte Entscheidung. Selbst mir, der ich wahrhaftig nicht gerne vor 11 Uhr aufstehe, nötigt es morgens um 7 schon lange keine echte Entscheidung mehr ab, trotzdem aufzustehen. Dass Entscheidungsmöglichkeiten bestehen, heißt nicht, dass Entscheidungen getroffen werden - in vielen Fällen werden Abläufe einfach nur geschehen gelassen, und diese führen dann zu ihren eigenen Konsequenzen.

Die Frage wäre auch, wie weit Soziopathie sachlich als echte, pathologische Krankheit mit eingeschränkter oder aufgehobener Schuldfähigkeit aufgefasst werden muss, und wie weit als persönliche Bösartigkeit. Und last not least, der Täter war 17 Jahre alt, fällt also noch unter Jugendstrafrecht, weil 17jährigen von Gesetzes wegen noch nicht die volle uneingeschränkte Schuldfähigkeit gemäß Erwachsenenstrafrecht zugestanden wird. Er wäre in 10 Jahren wieder frei gekommen.


Zur Killerspiele-Debatte

http://www.zdnet.de/news/wirtschaft_investition_software_studie__killerspiele__nicht_fuer_amoklaeufe_verantwortlich_story-39001022-39150125-1.htm
http://www.gulli.com/news/britische-studie-killerspiele-2008-04-05/
http://winfuture.de/news,31023.html
http://www.focus.de/digital/games/killerspiel-studie-fuer-gamer-ist-gewalt-nicht-immer-ein-spiel_aid_314731.html
http://www.theinquirer.de/2008/08/26/studie-killerspiele-kein-werk-des-teufels.html
http://www.gamestar.de/news/vermischtes/1470551/killerspiele_debatte.html
http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Bayern/Artikel,-Studie-Killerspiele-machen-aggressiv-brutal-und-dumm-_arid,1225985_regid,2_puid,2_pageid,4289.html

insofern bestätigt sich einerseits deine Aussage, Malte, dass es Studien pro und contra gibt; die Tendenz der Studien geht allerdings contra verantwortlichen Einfluss von Killerspielen - und ja, ich traue trotzdem nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe. Ich glaube auch nicht, dass ich irgendeine einfache Antwort für die Gründe und Verhinderungsstrategien parat habe, nur einen Hinweis - blinder Aktionismus ohne wirkliche Kenntnis der Ursachen schadet üblicherweise mehr als er nutzt.

Lykurg
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Mo 16. Mär 2009, 12:09 - Beitrag #77

Die Frage wäre auch, wie weit Soziopathie sachlich als echte, pathologische Krankheit mit eingeschränkter oder aufgehobener Schuldfähigkeit aufgefasst werden muss, und wie weit als persönliche Bösartigkeit. Und last not least, der Täter war 17 Jahre alt, fällt also noch unter Jugendstrafrecht, weil 17jährigen von Gesetzes wegen noch nicht die volle uneingeschränkte Schuldfähigkeit gemäß Erwachsenenstrafrecht zugestanden wird. Er wäre in 10 Jahren wieder frei gekommen.
Über die Frage einer eingeschränkten Schuldfähigkeit können logischerweise nur mit dem Fall betraute psychologische Gutachter etwas sagen, was ich nicht bin. Gegen eine Haftdauer von "nur" zehn Jahren habe ich wenig einzuwenden. Ich halte die Wiederholungsgefahr bei einer solchen Extremtat für sehr gering (spätere Straftaten wären eher eine Folge der Haft, ein systematisches Problem, das nicht hierher gehört). Zehn Jahre Haft dürften aber in dem Alter in jedem Fall Gelegenheit zum Nachdenken geben, und wenn ein solcher Täter rückblickend überhaupt Reue empfindet, dürfte sein weiteres Leben ohnehin die Hölle sein.
blinder Aktionismus ohne wirkliche Kenntnis der Ursachen schadet üblicherweise mehr als er nutzt.
Ich meine nicht, daß man handeln sollte, ohne sich über die Ursachen dieser und ähnlicher Taten sowie über alle Konsequenzen der geplanten Gesetzesänderungen hinreichend Gedanken zu machen. Allerdings halte ich es auch für sehr schwierig, eine "wirkliche Kenntnis der Ursachen" zur absoluten Voraussetzung jeglicher Reaktion zu machen, weil eben die Unklarheit der Ursachen (die ja schon beim Täter selbst beginnt, siehe Maglors Beispiel) sich wie ein roter Faden durch diese Taten zu ziehen scheint. Eine direkte Folgerung daraus wäre also, außer Betroffenheitsfloskeln nichts zu tun. Das halte ich aber für wenig sinnvoll.

Milena
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Mo 16. Mär 2009, 12:16 - Beitrag #78

...irgend etwas tun ohne eine entscheidung getroffen haben, sei es bewusst oder unbewusst......das geht nicht.....^^

siehe:


...der link lässt sich net kopieren, sry...

daraus:


Unbewusste Entscheidungen im Gehirn

14.04.08.

Ein Team von Wissenschaftlern entschlüsselt den neuronalen Prozess der Entscheidungsfindung

Schon etliche Sekunden bevor wir eine Entscheidung bewusst treffen, können erste Anzeichen der Absicht aus dem Gehirn ausgelesen werden. Dies zeigt eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck- Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie des Bernstein Zentrums für Computational Neuroscience Berlin. Die Forscher um John-Dylan Haynes haben mithilfe der Magnetresonanztomographie Veränderungen im Gehirn untersucht, die einer bewussten Entscheidung vorausgehen. “Viele Prozesse im Gehirn laufen unbewusst ab – wir wären sonst schon mit alltäglichen Aufgaben der Sinneswahrnehmung und Bewegungskoordination völlig überfordert. Von unseren Entscheidungen aber glauben wir in der Regel, dass wir sie bewusst fällen. Diese Annahme ist mit unserer Studie in Frage gestellt”, sagt Haynes. (Nature Neuroscience, 14. April 2008)

Die Testpersonen konnten sich frei entscheiden, ob sie mit der rechten oder der linken Hand einen Knopf betätigen. Anhand einer vor ihren Augen abgespielten Buchstabenfolge sollten sie anschließend angeben, zu welchem Zeitpunkt gefühlsmäßig ihre Entscheidung gefallen war. Ziel des Experiments war es, herauszufinden, wo im Gehirn solche selbstbestimmten Entscheidungen entstehen und vor allem ob dies geschieht, bevor es uns bewusst wird. Bereits sieben Sekunden vor der bewussten Entscheidung konnten die Wissenschaftler aus der Aktivität des frontopolaren Kortex an der Stirnseite des Gehirns vorhersagen, welche Hand der Proband betätigen wird. Zwar ließ sich die Entscheidung der Probanden nicht mit Sicherheit voraussagen, die Häufigkeit richtiger Prognosen lag aber deutlich über dem Zufall. Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung schon zu einem gewissen Grad unbewusst angebahnt, aber noch nicht endgültig gefallen war. Nach der Vorbereitung des Entscheidungsprozesses im frontopolaren Kortex, werden die Informationen zur Ausführung der Tätigkeit und zur Festlegung des Handlungszeitpunkts in andere Hirnbereiche übermittelt.

Mit ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler Situationen, in denen eine Entscheidung zu einem selbst gewählten Zeitpunkt stattfindet. “Bisher hat die Forschung in der Regel Prozesse betrachtet, bei denen der Proband sich sofort entscheiden muss. Viele interessante Entscheidungen erfolgen aber in einem eigenen, selbstgewählten Tempo”, erklärt Haynes. Die lange Zeitspanne, die seine Untersuchung umfasst, ist beispiellos. “Normalerweise untersucht man die Hirnaktivität einer Person, während sie eine Entscheidung trifft und nicht schon Sekunden vorher”, sagt Haynes.


“Dass selbstgewählte Entscheidungen vom Gehirn schon so früh angebahnt werden, hat man bisher nicht für möglich gehalten.” Schon vor über 20 Jahren ist es dem amerikanischen Neurophysiologen Benjamin Libet gelungen, ein Gehirnsignal, das sogenannte “Bereitschaftspotential” zu messen, das einer bewussten Entscheidung um einige hundert Millisekunden vorausgeht. Libets Experimente lösten eine heftige Debatte um die Willensfreiheit aus. Wenn Entscheidungsprozesse unbewusst ablaufen, so argumentierten einige Wissenschaftler, ist der freie Wille eine Illusion – das Gehirn entscheidet, nicht das “Ich”. Andere hingegen bezweifelten die Aussagekraft der Daten, vor allem wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Bereitschaftspotential und bewusster Entscheidung.

Da Haynes und seine Kollegen die Vorbereitung der Entscheidung über weit längere Zeiträume beobachteten, konnten sie diese Zweifel an Libets Experimenten nun aus dem Weg räumen. Einen endgültigen Beweis gegen die Existenz eines freien Willens sehen sie darin nicht. “Nach unseren Erkenntnissen werden Entscheidungen im Gehirn zwar unbewusst vorbereitet. Wir wissen aber noch nicht, wo sie endgültig getroffen werden. Vor allem wissen wir noch nicht, ob man sich entgegen einer vorgebahnten Entscheidung des Gehirns auch anders entscheiden kann”, sagt Haynes.


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Mo 16. Mär 2009, 12:43 - Beitrag #79

mag sein, dass es unterbewusste Entscheidungen sind ... die infolgedessen nicht ins Bewusstsein kommen, ehe es zu spät ist^^ dagegen könnte natürlich eine Psychoanalyse helfen, aber wer macht das schon ... rechtzeitig

was die von dir zitierten, wirklich hochinteressanten Untersuchungen angeht, Milly - ich bin mir nicht sicher, was da genau zur Debatte steht. Es scheint mir schon klar zu sein, dass ich dann, wenn ich einen Knopf drücke, irgendwann einmal ein paar Muskeln in Bewegung setzen muss, mich also aktiv willentlich einer Anstrengung unterziehen muss. Aber irgendwie kommt es mir so vor, als sei "Entscheidung" auf dieser Ebene und "Entscheidung" für einen Massenmord dasselbe Wort für unterschiedliche Sachverhalte verwandt.

Eine direkte Folgerung daraus wäre also, außer Betroffenheitsfloskeln nichts zu tun.


und Betroffenheitsfloskeln tun nichts zur Sache^^

wir haben in den meisten Ländern, in denen Amokläufe stattfanden, voneinander abweichende Hintergrundbedingungen, begonnen bei relativ laschen Schutzvorschriften, Gesetzen, Strafen bis hin zu sehr harten Strafen, Überwachungsmaßnahmen, Schulen wie Hochsicherheitstrakte u.dgl. Gemeinsam ist allen diesen Maßnahmen, dass sie Amokläufe nicht verhindern konnten; und gemeinsam ist auch allen Amokläufen, dass ihnen nur ganz wenige Faktoren gemeinsam sind, und die wenigen gemeinsamen Faktoren - wie Einsamkeit - weit über die Gruppe der Amokläufer hinaus verbreitet, also nicht spezifisch sind - es mithin nicht DAS Amokläufer-Profil gibt. Das sollte allen Forderungen nach Maßnahmen, die bestimmte Einflussfaktoren ausschalten sollen, eigentlich den Wind aus den Segeln nehmen; aber anscheinend ist in solchen Situation der Wunsch, irgendwas zu tun - als Bannung des eigenen Hilflosigkeitsgefühles - stärker als der Wunsch, das Richtige zu tun. Und wenn es wirklich so wäre, dass es nichts Richtiges zu tun gibt - und die Amokläufe wirklich unvorhersehbar und unfassbar wären - nun, dann bräuchte man trotzdem nicht das Gegenstandslose tun, wenn es diesen Wunsch, irgendetwas zu tun, nicht gäbe.

ps: der bisher schlimmste bekannte Amoklauf in der Geschichte wurde von einem Polizisten ausgeführt, am 27. April 1982 in Gyeongsangnam-do in Südkorea, als der 27-jährige Polizist Woo Bum-kon mit Gewehren und Handgranaten 58 Menschen tötete und 35 weitere verletzte, ehe er sich selbst tötete

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Mo 16. Mär 2009, 18:29 - Beitrag #80

Wo es grade um Südkorea geht...
Onlinespiele sind in Südkorea äußerst populär, auch deshalb, weil es weiltweit nirgends so viele Breitband-Internetanschlüsse gibt wie dort. In letzter Zeit häufen sich in dem Land kritische Berichte über die Folgen der massenhaften Begeisterung fürs Spielen im Netz. Erst vor wenigen Tagen hatte ein Elternpaar einen Säugling zu Hause gelassen, um in einem Internetcafe spielen zu gehen. Das Kind erstickte in ihrer Abwesenheit.


Noch ein interessanter Artikel, der link verrät schon die These:
http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/es-gibt-beim-amok-keine-zunahme/
Und wenn es wirklich so wäre, dass es nichts Richtiges zu tun gibt - und die Amokläufe wirklich unvorhersehbar und unfassbar wären - nun, dann bräuchte man trotzdem nicht das Gegenstandslose tun, wenn es diesen Wunsch, irgendetwas zu tun, nicht gäbe.
Und wenn das wirklich so wäre... Wäre dann trotzdem die Gesellschaft Schuld, wenn es nichts gäbe, was man von außen tun könnte?

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