Es handelt sich tatsächlich um ein Systemproblem. Die DFG-Mittel sind zur Durchführung von größeren Projekten unerläßlich, an denen in der Universtätslandschaft eine Vielzahl von befristeten Jobs hängen. Dementsprechend hart ist der Druck auf die Beteiligten, ihr Projekt bewilligt zu bekommen, da sie ansonsten im Zweifel auf der Straße sitzen, zugleich ihre Chancen auf eine spätere Festanstellung schwinden. Das Verfassen von Förderanträgen ist zu einer eigenen Wissenschaft geworden, man weiß (oder glaubt zu wissen), was die allmächtigen DFG-Gutachter hören wollen, und stimmt daran die Ausrichtung des gesamten Projekts eben so ab wie die Entscheidungen in Detailfragen (von Stellenbesetzungen über die einzuladenden Tagungsgäste bis zum Titel von Vorträgen und Publikationen). Bestimmte Schlagwörter müssen fallen, einige Forscher müssen, andere sollten lieber nicht genannt werden usw. Ihren Ursprung hat diese Entwicklung meines Erachtens in den Einsparungen, die seit den 70ern zumindest in den Geisteswissenschaften zum weitgehenden Abbau des akademischen Mittelbaus geführt haben. Forscher, die früher von den Universitäten gehalten worden wären und die Möglichkeit hatten, Lehre und Forschung miteinander zu verbinden, werden nun gezwungen, sich in DFG-Projekten Sporen zu verdienen, die ihnen später eine Professur einbringen können. Den Universitäten fehlen einfach die Mittel, sie solange zu alimentieren, was zugleich dazu führt, daß wissenschaftliche Karrieren auf immer unsichereren Füßen stehen. Wenn ein Forscher in die Nähe einer geisteswissenschaftlichen Professur kommt, hat er altersmäßig auf dem freien Markt nicht mehr allzu viele Chancen. Den Göttinger Fall bewerte ich als halb so wild. Diese Anträge müssen so weit im Voraus formuliert werden, daß tatsächlich ein erheblicher Teil davon auf Voraussagen beruht, die zwangsläufig im Moment der Bewilligung schon obsolet sind (wenn ich mir z.B. den Antrag, der meine Stellenbeschreibung enthält, angucke...^^). Die Ergebnisse des Projekts müssen in gewissem Maße prognostiziert werden, was zwar seitens der DFG verständlich, in der Praxis aber problematisch und mißbrauchsfördernd wirkt. Da ist die Nennung von in Planung befindlichen Publikationen, die dann eben doch nicht zustandekommen, halb so wild - ernster wäre es, wenn über bereits Veröffentlichtes die Unwahrheit verbreitet würde - aber derartiges ließe sich natürlich auch leichter nachprüfen.
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