Online-Inhalte für "Qualitätsjournalismus" kostenpflichtig

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Ipsissimus
Dämmerung
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Sa 8. Aug 2009, 13:52 - Beitrag #1

Online-Inhalte für "Qualitätsjournalismus" kostenpflichtig

http://www.golem.de/0908/68916.html

Als wichtigste medienpolitische Initiative seit Jahrzehnten hat der Chef der WAZ-Gruppe den Plan des Springer-Verlags bezeichnet, Onlineinhalte schrittweise kostenpflichtig zu machen.

Der Chef der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, hat den gestrigen Vorstoß des Axel-Springer-Verlags begrüßt, Inhalte im Internet kostenpflichtig zu machen. "Die öffentlich gemachten Überlegungen von Dr. Döpfner sind die wichtigste medienpolitische Initiative seit Jahrzehnten", sagte Hombach.

Er wünsche sich, dass die Verbände die Diskussion darüber, wie Qualitätsjournalismus auch im Onlinebereich refinanziert und damit erhalten werden könne, aufgriffen. "Diese medienpolitische Diskussion ist in Deutschland längst überfällig."


da scheinen einige Leute immer noch nicht begriffen zu haben, wie das Internet funktioniert^^ der gute alte Neolib versucht es doch immer wieder^^

andererseits kann ich mir gut vorstellen, dass die Informationsqualität in diversen online-Journaillen von unterirdisch schrittweise auf noch unterirdischer gesenkt wird und die Nachricht der Zukunft vor allem Werbung sein wird

Lykurg
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Sa 8. Aug 2009, 17:21 - Beitrag #2

Nun ja, die Idee stammt nicht von hier, und die Vorbilder umfassen immerhin Blätter sehr unterschiedlicher Qualität.

Ziemlich unzweifelhaft klar ist, daß unabhängige, schnelle und verläßliche Berichterstattung viel Geld kostet (offensichtlich mehr als etwa die meisten Fernsehsender auszugeben bereit sind^^). Ich kann mir schlecht vorstellen, daß bei einer kleineren Seite, etwa einer Regionalzeitung, die Werbeeninahmen aus dem Netz kostendeckend sind. Es handelt sich also direkt betrachtet um ein Verlustgeschäft (hierbei den Werbeeffekt für die Zeitung und die Abonnentengewinnung im Netz außen vor lassend). Naturgemäß können sich das wenige Verlage dauerhaft leisten, und müsen Alternativen suchen.

Es gibt im Internet bekanntlich inzwischen auch den einen oder anderen kostenpflichtigen Service^^ - und zumindest in Nischen^^ scheint es zu funktionieren, die Financial Times hat angeblich 117.000 Online-Abonnenten. Ob das allerdings dauerhaft funktionieren kann, weiß ich nicht; Verflachungstendenzen sehe ich natürlich auch. Bloß: Haben sie eine Wahl (außer Verstaatlichung, versteht sich^^)?

Ganz nebenbei war mir bisher nicht aufgefallen, daß Bodo Hombach und die SPD-eigene WAZ-Pressegruppe Schlüsselfiguren des Neoliberalismus seien. Bild

Padreic
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Sa 8. Aug 2009, 18:20 - Beitrag #3

Ich sehe auch nicht, was es mit Neoliberalismus zu tun hat. Zeitungen bieten ein Produkt an: Nachrichten. Im Internet hat sich zugegebenermaßen eine Mentalität breit gemacht, die es selbstverständlich scheinen lässt, dass man für nicht-materielle Güter wie Informationen, Filme und Musik nichts zahlen muss. Natürlich findet man es schön, wenn es so ist. Aber es gibt Leute, die für all diese Sachen hart gearbeitet haben und es sind nicht nur große Konzerne, die daran verdienen, wenn man etwas dafür zahlt.

Gerade viele Zeitung sind derzeit arg am darben, selbst hochangesehene Qualitätsblätter wie die New York Times. In einzelnen Fällen mag auch Mismanegement und dergleichen schuld haben. Aber ein Grund, warum die Auflagen und Einnahmen einbrechen, ist sicherlich, dass sich viele Leute ihre Nachrichten (und Anzeigen) im Internet holen. Das hat sowohl zur Folge, dass einige Zeitungen schließen müssen (was im lokalen Bereich zu manchem quasi-Monopol führt) und viele anderen Journalisten entlassen müssen. Das ist weder gut für die Meinungsvielfalt noch für die Qualität der Berichte.

Allgemein ist es natürlich ein Problem, wenn die meisten Zeitungen ihre Nachrichten kostenlos anbieten, manche aber Geld haben wollen; das akzeptieren die Internetnutzer wohl nicht (ich würde da online auch auf die kostenlosen ausweichen). Die Financial Times ist da sicherlich anders positioniert, weil deren Abonennten vermuten, dass sie durch die Informationen wirklich wieder Geld verdienen können ;).

Nochmal zusammengefasst: es ist sicherlich übertrieben, dass es sich hier um die wichtigsten medienpolitische Initiative seit Jahrzehnten handelt, aber ich halte es im Prinzip für begrüßenswert, dass man für qualitative Nachrichten auch etwas zahlt. Wenn man das nicht will, soll der Staat sie fördern.

Lykurg
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Sa 8. Aug 2009, 19:02 - Beitrag #4

@FT: Schon klar, deswegen sprach ich ja von Nischen.^^ Sobald die Zeitung ein hinreichendes Alleinstellungsmerkmal hat, kann sie auch freier mit ihren Kunden umgehen; außerdem ist die Klientel wohl auch eher dazu bereit, für gut aufbereitete und abgesicherte Nachrichten Geld auszugeben.

Daß es sich dabei um eine Mentalitätsfrage der Internetnutzer handelt und diesbezüglich auch gut ein Wandel eintreten kann, sehe ich ähnlich.

Staatliche Förderung würde allerdings sicherlich quer durch die politischen Lager auf gewisse Zurückhaltung stoßen - ich könnte mir etwa vorstellen, daß der eine oder andere Befürworter einer freien Presse damit seine Schwierigkeiten hat. Damit sind parteieigene (oder -nahe) Zeitungen allerdings ebenfalls schlecht vereinbar.^^

Ipsissimus
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Sa 8. Aug 2009, 19:44 - Beitrag #5

wie die open source-Bewegung zeigt, ist Qualität auf professionellem Niveau ohne Abwälzung der Kosten auf den Endverbraucher durchaus machbar

und wie Twitter während der Irankrise zeigte, ist das Prinzip sogar auf Informationsgewinnung übertragbar^^

es ist der Geist, nicht die Zugehörigkeit, Lykurg^^

janw
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Sa 8. Aug 2009, 20:01 - Beitrag #6

Mir ist es schon länger etwas eigentümlich vorgekommen, wie die Zeitungsverlage mit ihrer Ware umgehen, wie sie sich zu refinanzieren trachten, die Qualität ihrer Angebote sind für mich immer wieder Grund für leichte Entgeisterungsschübe.
Jahrzehntelang war klar, wer eine Zeitung lesen wollte, musste dafür bezahlen, kostenlos konnte man sie in begrenztem Angebot und teils etwas abgegriffen außerdem in der Stadtbücherei lesen.
Nun sollte es die Inhalte auch im Netz zu lesen geben, und zwar kostenlos. Wunderbar praktisch, auch was die Archivierung und das Zugänglichmachen für Diskussionen betraf. Rechnen sollte sich das durch die Werbung auf den Seiten.
Nun muss ich gestehen, daß ich glaube ich noch nie durch Werbung zum Kauf irgendeines Produktes animiert worden bin, und ich kenne etliche Mitmenschen, für die das in ähnlicher Weise zutrifft.
Es hat ja auch nicht lange gedauert, bis die Probleme dieses Ansatzes offenbar geworden sind, wenn auch mit "Anlaufschwierigkeiten", "konjunkturellen/strukturellen Problemen" oder ähnlichem erklärt, als Folge wurde dann mit Stellenabbau reagiert, wird schon werden...

Was wurde, ist, daß die Qualität immer mehr abnahm, bzw. wirklich Interessantes z.B. beim Spiegel in kostenpflichtige Dossiers verlagert wurde.
Parallel versuchten einige Zeitungen auch im Fernsehen Fuß zu fassen, wobei sich für mich alle Zeitungen disqualifiziert haben - techniklastige Berichte über Großprojekte inklusive Firmenhomestories entsprechen für mich nicht dem Anspruch, für den Spiegel und Süddeutsche Zeitung einmal gestanden haben.

In meinen Augen haben sich die Verlage verrannt, das Internet nicht verstanden, die Refinanzierung durch Werbung überschätzt und erst recht die Bereitschaft breiter Nutzerschichten, für die Inhalte zu bezahlen.

Nun, was nun? Die Verlage könnten mit den Internetprovidern einen Betrag vereinbaren, der pauschal auf die Gebühren aufgeschlagen wird, 0,1% vielleicht, der auf die Verlage verteilt wird. Dafür bleibt die kostenfreie Nutzung wie bisher erhalten und ist wirtschaftlich tragfähig.
Oder sie führen Abonnementsysteme ein, mit allerdings unbestimmtem Erfolg.
Staatliche Unterstützung...für global agierende shareholder value- orientierte Konzerne? Durch die im Netz nicht anfallende Mehrwertsteuer entsteht der Allgemeinheit jetzt schon ein Schaden...

Ipsi, das Problem mit open source ist IMHO, daß die Leute entweder Studis sind oder von irgendetwas leben, das nicht mit ihrer open source-Aktivität zu tun hat. Journalisten betreiben letztlich ein kopfbetontes Handwerk, von dem sie leben, ergo ihr Produkt nicht kostenlos abgeben können.
Ich denke, daß Dein Ansatz eher für den Wissenschafts-output geeignet wäre - warum soll ich für Publikationen bezahlen, deren Autoren staatlich bezahlt werden? Warum wird bei Springer und Elsevier publiziert und nicht bei universitätseigenen Verlagen?

Lykurg
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Sa 8. Aug 2009, 21:08 - Beitrag #7

Ich meine auch, daß Amateurberichterstattung Stärken hat, aber auch deutliche Nachteile. Sie ist eine sehr sinnvolle Ergänzung zum etablierten Mediengeschehen, aber wenn man ausschließlich sie hat, fehlen unter Umständen wichtige Nachrichten oder Analysen, weil gerade keiner dazu Zeit, Lust oder Kenntnisse hat. Beides ist durch Falschinformationen beeinflußbar; wenn man sich aber nur auf open source stützen könnte, würde vermutlich deutlich mehr Unfug unwidersprochen stehenbleiben, weil das Korrektiv fehlt.
Berichte, für die man etwas länger recherchieren müßte, fielen ebenso weg wie die verschiedenen gesetzlichen Sonderregelungen für Journalisten, die ihnen unabhängige und freie Recherchen ermöglichen sollten. Und für ein gut geschriebenes Feuilleton gebe ich gern auch Geld aus. Eine vernünftige Opernkritik schreibt sich nicht mal so eben runter...

janw
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Sa 8. Aug 2009, 22:00 - Beitrag #8

Wobei das mit der unabhängigen und freien Recherche durch die Werbeabhängigkeit und die shareholder value-Fixierung der Medienunternehmen deutlich relativ zu betrachten ist, allein, wenn ich mir die schon wieder Inoptimismusmacherei auf den Wirtschaftsseiten ansehe, wo bleibt z.B. das Maß an Empörung gegenüber den schon wieder in Boni badenden Bankern, das der zwar ungeschickten, aber völlig legal handelnden Frau Schmidt entgegen gebrandet ist?

Ipsissimus
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So 9. Aug 2009, 01:27 - Beitrag #9

es ist nicht nur die Werbeabhängigkeit. Journalisten machen Politik. Man braucht nur die Wortwahl von Artikeln zu betrachten. Mal sind es Demonstranten, mal Randalierer, mal Chaoten; mal sind es Terroristen, mal Freiheitskämpfer. Immer mehr Artikel - auch hochwertiger Zeitungen - liefern keine echten Informationen, sondern Deutungen, in denen vielleicht Informationen verarbeitet sein mögen, aber auch nicht notwendigerweise sein müssen. Der Gebrauch von Worten ist so verräterisch, aber bei weitem nicht alle Journalisten beeinflussen derart krude wie die von Stern oder Spiegel.

Von daher ist das Problem aus meiner Sicht ein anderes. WÜRDEN all diese tollen Zeitungen Informationen bieten, auf die man sich verlassen kann, würden sie auch gekauft werden. Stattdessen besteht eine zunehmend große Notwendigkeit, sich immer mehr Informationsschnipsel aus immer mehr Quellen zu beschaffen, diese abzugleichen und dann mit einem Zufallsgenerator daraus eine annähernd plausible Version von Wirklichkeit zu generieren. Dafür gibt kein Mensch Geld aus, und zu recht.

Bei dem Argument der verlorengehenden Arbeitsplätze muss ich allerdings fast anfangen zu weinen. Jahrzehntelang singen diese Leute in ihren Artikeln das Hohelied der Wünsche der Arbeitgeberschaft, und jetzt, wo diese Wünsche sie selbst einholen, merken sie, dass sie genau so entbehrlich sind wie der normale Fließbandarbeiter und andere überflüssige Subjekte, an deren Abschaffung sie so überaus bereitwillig mitwirkten. Nein, böse, böse, böse aber auch. Hätten sie früher dran denken sollen.

janw
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So 9. Aug 2009, 12:02 - Beitrag #10

Ipsi, da hast Du recht, ich bin mir nur nicht sicher, ob Journalisten gewollt Politik machen, oder ob sie nicht auch den kapitalinhärenten Zwängen ausgeliefert sind - Chefredakteur ist Verlegers liebstes Kind, und sorgt dann schon dafür, was und wie dann in der Zeitung steht. Am wirksamsten mit dem Instrument der Personalauswahl und der Schere im Kopf.

Das Schlimme ist nur, daß bei den öffrechtlichen Medien in vielerlei Hinsicht das gleiche zu beobachten ist.

Lykurg
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So 9. Aug 2009, 12:43 - Beitrag #11

Ipsissimus, auf die verlorengehenden Arbeitsplätze als solche wollte ich gar nicht eingehen, dabei dürfte es sich um ein Mißverständnis handeln. Mir geht es um verlorengehende Funktionen, Befähigungen und Rechte der professionellen Journalisten. Ich kann kaum glauben, daß jemand wie du meint, investigativer Journalismus sei restlos durch freiwilliges Engagement zu ersetzen. In meinen Augen wird die Gefahr, daß nur berichtet wird, was den um eine Sache wissenden paßt, stark erhöht, wenn eine eigenständige unabhängige Presse wegfällt. Natürlich gibt es die von dir beklagte Einflußnahme auf die Medien, von der immer nur ein Teil an der Oberfläche sichtbar wird. Trotzdem sehe ich nicht, wieso das besser werden sollte, wenn die etablierten Medien wegfielen.

(Zustimmung mit umgekehrten Vorzeichen zu janw^^): Eine ausgewogene Verteilung zwischen privaten und öffentlichen Medien ist notwendig - sowie ihre sorgfältige Trennung von den Machtinhabern, wie uns die Negativbeispiele Rußland, Venezuela und Italien zeigen. Wenn das aber grundsätzlich gegeben ist und funktioniert, sehe ich nicht, warum nicht zumindest ein Teil der Gesellschaft bereit sein sollte, für diese seine Freiheit auch nach eigenem Ermessen Geld auszugeben.

Ich bezweifle übrigens stark, daß der zurückgehende Absatz der Zeitungen wirklich so sehr an ihrer sinkenden Qualität liegt, Ipsissimus. Das halte ich tendenziell eher für einen elitären Blickwinkel, der Rückgang dürfte eher in sich wandelndem Medienkonsum und in der sich verändernden Lesekompetenz breiterer Schichten zu suchen sein (twittergerechte Häppchen anstelle längerer Artikel, Blogs statt Büchern...).

janw
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So 9. Aug 2009, 22:52 - Beitrag #12

Lykurg, der Film über die Aufdeckung der Watergate-Affäre zeigt, wie wenig leicht es investigative Journalisten schon in den 70ern hatten, wieviel interner Ungeduld und Widerstand stand zu halten war.
Das hat sich heute massiv verschärft, mit der landläufigen Begründung wirtschaftlichen Drucks aufgrund sinkender Leserzahlen und dementsprechend sinkender Einnahmen aus Verkauf und Werbeeinnahmen.
Die Frage ist aber, ob sich das bessern würde, wenn die Inhalte im Netz kostenpflichtig würden und die Zeitungen entsprechend mehr Lesereinnahmen erzielen würden.
Ich bin da skeptisch, denn nach meinem Eindruck gibt es - sei es den Werbekunden zu Gefall oder dem Kapital hinter dem Verleger - Grenzen, innerhalb derer gedacht werden darf, mehr oder weniger scharf umrissen, bestimmte Vorstellungen gilt es zu stabilisieren und nicht zu hinterfragen.
Als der Krieg um Georgien ausbrach, wer war der Bösewicht? Russland. Vor zwei Tagen sagte ein Korrespondent der ARD etwas vorsichtig, es sehe doch so aus, als hätte Georgien angefangen.
Woher kommen die Waffen, mit denen die "Aufständischen" in Pakistan schießen oder die Kindersoldaten Kabilas in Kongo? Überhaupt, wann ist ein "Aufständischer" ein solcher, wann ein Terrorist?
Wer sind die wirklichen Vernichter des Regenwaldes, die Kleinbauern oder ein paar Nahrungsmittelkonzerne - wer benennt Unilever als den Palmölbaron - und damit Mörder unserer nächsten Verwandten im Tierreich - der es ist? Wo wird bei all den monatlich neuen Statistiken zur wirtschaftlichen Entwicklung wirklich deutlich darauf hingewiesen, worum es sich bei dem DIW und anderen handelt, und mit welcher Vorsicht ihre Ausagen zu genießen sind?
Nur um ein bisschen darauf hinzuweisen, woran die Berichterstattung in meinen Augen krankt.

Zitat von Lykurg:Eine ausgewogene Verteilung zwischen privaten und öffentlichen Medien ist notwendig - sowie ihre sorgfältige Trennung von den Machtinhabern, wie uns die Negativbeispiele Rußland, Venezuela und Italien zeigen.

Hm, vielleicht sollte man mal die Rundfunkräte nur mit nicht-Parteileuten bestücken.

Lykurg
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Mo 10. Aug 2009, 01:22 - Beitrag #13

Als der Krieg um Georgien ausbrach, wer war der Bösewicht? Russland. Vor zwei Tagen sagte ein Korrespondent der ARD etwas vorsichtig, es sehe doch so aus, als hätte Georgien angefangen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie vorsichtig manche Medien damals mit Schuldzuweisungen waren, und daß Saakaschwilis Verhalten schon damals ziemlich kritisch kommentiert wurde - als leichtsinnig, größenwahnsinnig und törricht. Ich hatte damals nicht den Eindruck, daß die Medien wirklich einheitlich das Bild produzieren wollten, Rußland habe angefangen. - Und daß Rußland böse ist - ist es denn nicht so? Bild

Ja, die Watergate-Aufklärung war langwierig, schwierig und teilweise trotzdem ein Zufallsergebnis. Aber meinst du allen Ernstes, daß das bei Verzicht auf Berufsjournalisten besser ginge? Zumindest der von mir verlinkte Artikel legt den Schluß nahe, daß vielen Blättern das Wasser bis zum Hals steht, und solche Maßnahmen beileibe nicht aus neoliberaler Grausamkeit^^ oder Jux und Dollerei in Erwägung gezogen werden.

Und auch die weiteren von dir genannten Punkte sprechen für die Notwendigkeit weit gefächerter, unabhängiger Berichterstattung, nicht für den Verzicht darauf.

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Mo 10. Aug 2009, 09:34 - Beitrag #14

ganz davon zu schweigen, dass "unabhängige, weitgefächerte Berichterstattung" durch Journalisten heute weitgehend so aussieht, dass die sich den Ausdruck von Reuters, Bloomberg, AP, dpa usw. schnappen und verhackstücken nach Maß dessen, was ihre politischen Vorgaben zulassen. In Wirklichkeit ist Informationsbeschafffung und -vermittlung ein Monopol von vielleicht sechs bis sieben großen weltweiten Agenturen, die noch dazu teilweise miteinander verklüngelt sind.

Lykurg
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Mo 10. Aug 2009, 11:09 - Beitrag #15

Erstens haben Qualitätszeitungen und die besseren Nachrichtensendungen zumindest an den wichtigeren^^ Orten der Welt Korrespondenten (oder teilen sich diese zumindest). Auch die nutzen natürlich die Nachrichtenagenturen als Informationsquelle, sollten aber prinzipiell Desinformation einschränken (wie übrigens auch die internationale Presseschau, die ja zwangsläufig auch einen Abgleich mit Redaktionen vor Ort herstellt). Zweitens besteht, selbst unter der Annahme, daß Agenturmeldungen fragwürdig sind, im Idealfall die Aufgabe eines Journalisten auch darin, die ihm gelieferten Informationen kritisch zu bewerten und daraus eine mögliche Wahrheit zu destillieren. Können Blogger das grundsätzlich besser?^^

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Mo 10. Aug 2009, 11:33 - Beitrag #16

wenn wir uns schon darin einig sind, dass es nicht darum geht, die Wirklichkeit zu vermitteln, sondern eine Wirklichkeit zu konstruieren (was deine Worte anzudeuten scheinen: "im Idealfall [besteht] die Aufgabe eines Journalisten auch darin, die ihm gelieferten Informationen kritisch zu bewerten und daraus eine mögliche Wahrheit zu destillieren", ist es in jedem Falle besser, wenn dieser Destillationsprozess nicht den Händen und Vorstellungen einiger weniger überlassen ist.

ganz hübsch, wenn auch schon etwas älter, liest sich zum Thema auch noch folgender Artikel

http://www.secularhumanism.org/index.php?section=library&page=haught_29_5

über das Schweigen der Lämmer, ich meine, über das flächendeckende Schweigen von Zeitschriften über ein Ereignis der Weltpolitik, für welches sich immerhin Jacques Chirac persönlich verbürgt^^

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Mo 10. Aug 2009, 12:17 - Beitrag #17

Ja, genau das deutet meine Wortwahl an. Ich spreche mich ja eben auch für einen Mix aus, ich behaupte nicht, daß Journalisten ein Informationsmonopol erhalten sollten.^^

Entzückend, aber immerhin doch ein Beispiel dafür, daß die erleuchtet-erhellende Geschichte eben nicht völlig unter den Tisch fiel, es gab ja Blätter, die sie aufgriffen.^^ Darüber hinaus wurde der Nachricht wohl nicht allzuviel Gewicht beigemessen. Bush wird wohl nicht so viel darauf geachtet haben, was er irgend so einem ihm nicht bekannten ausländischen Politiker sagt, und daß er ein religiös-fanatischer Irrer war, konnte man doch auch aus seinen sonstigen Verlautbarungen ablesen (Kreuzzug...) - Interessant wäre daran vielleicht die Bestätigung, daß es in seiner Intention eben kein Krieg ums Öl war, höchstens ums Salböl - aber als Stütze einer dahingehenden Argumentation wäre es den meisten konservativen Blättern wohl zu abstrus gewesen. Bild

Ipsissimus
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Mo 10. Aug 2009, 12:37 - Beitrag #18

nun, es ist möglicherweise eben doch nicht zu zufällig, dass es fast vollständig verschwiegen wurde, denn es ging ja darum, Willige zu finden; und wenn die darauf gekommen wären, dass sie willig sind, einem religiösen Fanatiker in einen Religionskrieg zu folgen, wären sie vielleicht doch nicht so ganz willig gewesen. Also wieder etwas, das man am besten nicht bringt, weil es "die Menschen" nur in Verwirrung stürzen würde^^

hinsichtlich des Mix sind wir uns dann einig^^


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