Selbstmord

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Ipsissimus
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Mi 30. Sep 2009, 13:08 - Beitrag #1

Selbstmord

Haltet ihr Selbstmord in jedem Fall für ablehnenswert?
Sprecht ihr Menschen das Recht auf Selbstmord ab?
Macht ihr Ausnahmen in der Ablehnung?
Seht ihr im Selbstmord eine legitime Entscheidung eines mündigen Menschen?

Und was sind die Gründe für eure Positionen?

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 13:21 - Beitrag #2

Wie bist du nur gerade jetzt darauf gekommen? (ich hoffe natürlich, es war der thread und kein aktueller Anlass). Ich verschlepp mal meine Antwort aus dem anderen thread: (übrigens gab es früher schon mal einen dazu)

Alte Menschen haben oft tatsächlich ("objektiv") keinen Ausweg mehr. Eine schwere, tödliche, schmerzhafte Krankheit oder der Verlust des Ehepartners ohne Kinder, um die man sich kümmern muss, würden auch für mich eine Versuchung darstellen, und Schicksalsschläge dieser Art treffen alte Menschen ungleich häufiger.

Junge Menschen hingegen haben noch nicht die Lebenserfahrung, um zu wissen, dass es immer weitergeht... und oft ist in der Pubertät Wahrnehmung und Gefühlsleben derart gestört, dass man sich aus scheinbar nebensächlichen Gründen umbringt (Schulstress, fünf in Mathe, Liebeskummer...).

"Mittelalte" Menschen bringen sich meist aus Depressionen um. Laut Psychologen haben sie dabei beschränkte Entscheidungsfreiheit (weshalb der Begriff "Freitod" vielen Psychologen unangemessen erscheint). Was ich Erwachsenen, die sich wegen des Verlusts der Arbeit etc. (also aus diesem Anlass) umbringen, ist, dass sie nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen haben. Vor allem, wenn sie Familie hinterlassen (es sind ja meistens Männer), ist das eine unglaubliche Belastung für die Hinterbliebenen. In der Situation hat man meistens wenig Kontrolle über das Geschehen, nehme ich an, aber wenn sich jemand von der Brücke stürzt, ist ihm der Gedanke wohl meist nicht erst da oben gekommen. Meist denkt man schon vorher (vermute ich) "das ist mir zuviel" oder "mein Leben ist nichts wert" oder "ich bin nur eine Belastung für andere" oder "der Tod ist der einzige Ausweg" oder wai; ein Erwachsener Mensch sollte bei diesen Warnzeichen sofort mit der Familie und/oder einem Therapeuten sprechen. Dass das (insbesondere Männern) schwer fällt, ist klar, aber die Alternative ist eben nicht so toll.

Zu der Berechtigung denke ich, dass sie natürlich absolut irrelevant ist (man weiß es ja meist nicht vorher und könnte daher auch nichts tun), aber wenn ich das mal in "emotionale Haltung gegenüber der Entscheidung" übersetze, dann habe ich bei objektiv auswegslosen Lagen (Krankheit, nahender Tod, Aussicht auf großen Schmerz, Alter in Kombination mit Einsamkeit) deutlich mehr Verständnis als bei nicht-existentiellen äußeren Krisen (Schulstress, Stress auf der Arbeit, Ehekrise, "Ehrverletzung" oder wai) und temporalen emotionalen Tiefen. Bei den objektiv auswegslosen Lagen würde ich es manchmal sogar als die einzig richtige Entscheidung bewerten; in allen anderen Fällen ist es wohl einer instabilen Persönlichkeit oder einer psychischen Krankheit oder mangelnder Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber zuzuschreiben. Da diese vom Individuum selbst behoben werden könnten (natürlich auch in Form von Hilfe durch andere, Therapie, Psychopharmaka), ist es übereilt und eine sehr einfache, für andere meist schmerzhafte Entscheidung, die ich daher ablehne. Vor allem von einem Erwachsenen erwarte ich die nötige Reife; denn existentielle Verzweiflung trifft einen wohl kaum in der einen Minute, in der man zufällig auf der Brücke steht und die Aussicht bewundert, sondern hat sich vorher über einen längeren Zeitraum eingeschlichen, und genau da sollte man achtsam sich selbst gegenüber sein und die Warnzeichen nicht ignorieren. Denn so verständlich ein Selbstmord in tiefster Depression auch sein mag - kaum einer wird mit tiefster Depression geboren. Ich kritisiere also weniger den Moment des Selbstmordes als vielmehr die Tatsache, dass ein erwachsener Mensch es so weit kommen ließ.

Anaeyon
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Mi 30. Sep 2009, 13:32 - Beitrag #3

Haltet ihr Selbstmord in jedem Fall für ablehnenswert?
- Nö.

Sprecht ihr Menschen das Recht auf Selbstmord ab?
- Im Gegenteil.

Seht ihr im Selbstmord eine legitime Entscheidung eines mündigen Menschen?
- Ich halte die Entscheidung eines jeden Menschen, egal ob gesund oder krank, alt oder jung zum Selbstmord für legitim

Und was sind die Gründe für eure Positionen?
- Ich bin der Meinung, dass es mehr Leid als Freude gibt. Zumindest in meinem Leben, insofern sind für mich soziale Bindungen eher ein Hindernis, aufs Leben konsequent mit dem Sterben zu reagieren. Meine Werte (Moral?) beziehe ich soweit möglich nur aus der Natur, Psychologie, Wissenschaft, usw., deshalb kann ich niemandem das Recht zu sterben absprechen wollen.

Bei Freunden würde ich versuchen sie umzustimmen, aber ich wäre mir bewusst, dass ich das aus egoistischen Motiven tue. Und bei älteren Menschen finde ich es sogar gut, sofern sie das auch selbst wollen. Meine Oma sagte mal zu mir, sie will lieber von einer Brücke springen, als ins Heim zu gehen. Ich würde mich für sie freuen, und wäre es nicht illegal, würde ich ihr vielleicht sogar helfen, wenn sie das möchte.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 13:45 - Beitrag #4

Zitat von Anaeyon:- Ich bin der Meinung, dass es mehr Leid als Freude gibt. Zumindest in meinem Leben, insofern sind für mich soziale Bindungen eher ein Hindernis, aufs Leben konsequent mit dem Sterben zu reagieren. Meine Werte (Moral?) beziehe ich soweit möglich nur aus der Natur, Psychologie, Wissenschaft, usw., deshalb kann ich niemandem das Recht zu sterben absprechen wollen.

Das Problem: Selbst wenn es mehr Leid als Freude gibt, heißt das nicht, dass das für dich auch so sein muss. Da es in Teilen der Welt deutlich mehr Leid gibt als hier, gibt es hier schon mal deutlich weniger (achtung Tautologie, versucht nicht, mir zu widersprechen).
Das größte Hindernis ist wohl eher der Selbsterhaltungstrieb, aber natürlich auch soziale Bindungen.
Wenn du jedoch deine Werte aus Natur und Psychologie holst: Wie willst du dann entscheiden, ob jemand mündig den Tod wählt oder in einer Psychose gefangen ist, die ihm das Leben unnötig schwer erscheinen lässt? Und ob er möglicherweise nach Beendigung der Psychose ein supertolles Leben hätte haben können? (Und ja, das könnte auch auf dich zutreffen. Oder mich. Oder Ipsi. Wer weiß das schon?)
Meiner Meinung nach muss man erst die gegebenen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor man eine irreversible Entscheidung trifft. Das heißt, bevor man sich das LEben nimmt, weil die Schule eine endlose Quälerei ist und danach kommt die Suche nach Arbeit und acht Stunden am Tag und hat man das erst überstanden, ist man alt... bevor einen das aus den Socken haut (kann verstehn, dass es das tut) sollte man lieber auf die Bahamas auswandern, oder Bettelmönch werden, oder seinen Eltern auf der Tasche liegen, die Schule abbrechen und nur noch tun, was einem Spaß macht. Außerdem sollte man es mit Psychopharmaka versuchen, wenn eine Therapie nichts bringen (denn Abhängigkeit von Psychopharmaka ist wohl kaum gefährlicher als Sprung von der Brücke), als letztes Mittel könnte man sogar leichte Drogen ausprobieren. Wenn man nach alledem immer noch der Meinung ist, das Leben sei es nicht Wert, dann kann man wenigstens einigermaßen sicher sein und hat noch ein bisschen was erlebt vorher.

Ein Beispiel: Bis vor weniger Zeit fand ich das Leben deutlich schwerer. Im Wortsinne. Ich fand es schwer, morgens aufzustehen, schwer, mich zu duschen, schwer, zu sitzen statt zu liegen, sogar anstrengend, zu atmen. Ich habe das trotzdem alles gemacht (hab ein tolles Überich) und dachte, das wäre normal so. Dann wurde eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt, seitdem bekomme ich Tabletten und das Leben ist eine ganze Ecke leichter. Ich höre nicht ständig meinen Herzschlag in den Ohren, ich muss keine bewusste Mühe aufbringen, um zu Atmen, ich erwäge nicht gleich, von der Brücke zu springen, nur weil ich mich nach langem Sitzen erheben muss, etc.
Wenn man sich körperlich komplett wohlfühlt, ist es viel leichter, das Leben als etwas positives zu sehen. Und das ist jetzt ein sehr physisches Beispiel, es gibt bestimmt psychische Veränderungen, die den Blick auf die Wirklichkeit noch drastischer ändern können.

Anaeyon
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Mi 30. Sep 2009, 13:51 - Beitrag #5

Sarah, du bist doch Atheistin. Wo kommen da diese ganzen "sollte" her?

Leid und Freude war auf das subjektive Empfinden bezogen, nicht auf Afrika oder so.

Und der Unterschied zwischen Psychose und Gesundheit ist mir egal. Weil für Atheisten nach dem Tod nichts ist, und man somit auch kein mögliches schönes Leben verpasst. Wenn schon, denn schon. Man kann nicht ständig gegen Moral und Religion wettern, und dann selbst mit solchen irrationalen Werten ankommen.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 14:16 - Beitrag #6

Wie ich geschrieben habe: Mein persönliches Empfinden. Das, was ich jedem empfehlen und von jedem erwarten würde. "Sollte" auch im Sinne von "wäre besser für ihn/sie".

Leid und Freude: Schon klar :D Das muss ich vielleicht näher ausführen. Ich denke, in sehr armen, unsicheren Gegenden gibt es deutlich mehr Menschen als in Europa, die mit großer Wahrscheinlichkeit vom Leben nicht viel erwarten dürfen. Andersrum ist es sehr Wahrscheinlich, dass jemand, der in Deutschland geboren wird (und noch dazu mit einem der Forenmitglieder befreundet ist), verschiedene Möglichkeiten hat, sein Leben entscheidend zu verbessern (radikale Änderung der Lebensweise, genügend Geld, um körperliche Probleme auszuschalten, PSychopharmaka, Drogen, so.). Natürlich kann das Leben dann immer noch blöd sein - wenn oft gute Freunde/Familienmitglieder etc. sterben, wenn Krieg ausbricht, bei Krankheiten. Wenn das jedoch alles nicht gegeben ist, denke ich, dass die Chancen gar nicht so schlecht stehen, dass doch noch "alles gut wird".

Ich würde schon sagen, dass man durch einen frühen Tod einiges verpasst. Nicht in dem Sinne, dass man sich im Grab darüber ärgert :P Was denkst du denn!?
Sondern in dem Sinne, dass man nichts mehr fühlt, wo man etwas angenehmes hätte fühlen können. So wie ich auch etwas verpasse, wenn mein Freund eine Schokotorte futtert, während ich schlafe. Ich ärgere mich dann nicht, weil ich geschlafen habe, aber ich hätte mich gefreut, wenn ich morgens eine halbe Schokotorte vorgefunden hätte.
Für mich besteht eine Abstufung namens - schöne Gefühle - keine Gefühle - schlechte Gefühle. Es ist wohl klar, welches Ende der Skala man anstreben "sollte" (sollte nicht als moralisches, sondern als hypothetisches "sollte" - willst du glücklich werden, strebe Glück an).
Demnach besteht nach dem Tod keine Gefahr durch negative Gefühle, aber auch keine Chance auf positive. Entsprechend würde ich jemandem, bei dem ich durchaus gute Chancen auf positive Gefühle sehe, zu den von mir genannten Strategien raten.

Lykurg
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Mi 30. Sep 2009, 14:20 - Beitrag #7

Ich denke, Ipsissimus hat einfach richtig erkannt, daß das Thema bei 8 Beiträgen im Statistik-Thread mal wieder eigene Beachtung verdient.

Haltet ihr Selbstmord in jedem Fall für ablehnenswert? Sprecht ihr Menschen das Recht auf Selbstmord ab? Macht ihr Ausnahmen in der Ablehnung?
Nein, meines Erachtens ist die Entscheidung zur Selbsttötung nicht von sich aus abzulehnen. Ich finde es sehr schwierig, wenn sich damit ein Familienvater seiner Verantwortung entzieht, und bewerte generell die Selbsttötung kritischer, je mehr enge Verwandte und Freunde (die ja hätten helfen können und sollen, sich das also auch zum Vorwurf machen werden!) davon betroffen sind. Außerdem meine ich, wie des öfteren diskutiert, daß der sich Tötende darauf achten sollte, keine anderen Menschen physisch oder psychisch zu verletzen (weswegen ich etwa den Tod auf den Schienen ablehne).

Seht ihr im Selbstmord eine legitime Entscheidung eines mündigen Menschen?

Ja, jedenfalls in der Entscheidung zur Selbsttötung keinen 'Beweis' einer vorhandenen Unmündigkeit, wenn auch vielleicht ein Indiz, immerhin ist bei Suizid als Folge einer schweren psychischen Erkrankung die eingeschränkte Mündigkeit, auch wenn nicht rechtlich ausgesprochen, in meinen Augen doch evident vorhanden. In anderen Fällen aber, insbesondere in der Patientenverfügung, sehe ich durchaus eine legitime und verbindliche Willensbekundung eines mündigen Menschen.[quote="e-noon"]Bei den objektiv auswegslosen Lagen würde ich es manchmal sogar als die einzig richtige Entscheidung bewerten]So weit würde ich nicht gehen, auch in einer objektiv aussichtslosen Lage möchte ich die Entscheidung zur Selbsttötung nicht vorziehen bzw. die Entscheidung, weiterzuleben, als falsch bewerten. - Die Abläufe einer schweren Depression und insbesondere die Möglichkeit, mit anderen Kontakt aufzunehmen, sind allerdings von außen nicht so einfach zu bewerten, im Absinken darin erkenne ich nur sehr bedingt eine eigene Verantwortung.

Entgegen dieser grundsätzlichen Befürwortung des Rechts auf Suizid würde ich aber immer versuchen, Menschen davon abzubringen, wenn ich damit konfrontiert werde - das sehe ich als meine mitmenschliche Verantwortung; aus Unkenntnis der persönlichen Situation heraus (oder andernfalls persönlicher Nähe) würde ich grundsätzlich das Weiterleben des Anderen bevorzugen.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 14:32 - Beitrag #8

@Lykurg: "Objektiv" auswegslose Situation hatte ich oben näher ausgeführt; eine tiefe Depression gehört keinesfalls dazu, sondern die Aussicht auf ein deutlich schmerzhafteres Ableben (schwerst kranke, sehr alte Menschen; auch eine "Hexe" vor Hexenprozess und Scheiterhaufen.). Natürlich nicht in dem Sinne, dass ich jemanden davon überzeugen würde, aber schon so stark, dass ich demjenigen helfen würde (durch Medikamente etwa). Wenn man weiß, dass man jemanden nur dann vor unmenschlicher Qual mit sicherem Tod retten kann, wenn man ihn vorher tötet - ist es dann nicht geraten, diese Tötung durchzuführen?

Lykurg
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Mi 30. Sep 2009, 14:43 - Beitrag #9

Mir war klar, daß du eine Depression nicht als objektiv aussichtslos einschätzt. Und für mich selbst würde ich eine solche Entscheidung auch vorziehen, sehe mich aber außerstande, diese Entscheidung auch für andere zu treffen bzw. im Hinblick auf andere zu befürworten. Selbst wenn man weiß, daß die bewußt angestrebte Tötung die schmerzfreiere und würdigere Entscheidung wäre, die nur einem unaufhaltsamen und quälenden Verfall zuvorkommt, kann ich unmöglich entscheiden, was die betroffene Person aus ihrem Dasein schöpft, das möglicherweise eben dies erduldenswert macht.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 14:45 - Beitrag #10

@Lykurg: Es geht ja nicht darum, zu entscheiden, sondern die Entscheidung der Person in dem Moment, in dem es wirklich keinen Ausweg mehr gibt, derart zu respektieren, dass man ihr hilft.

Anaeyon
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Mi 30. Sep 2009, 14:45 - Beitrag #11

Sarah, zum Leid und Freude-Abschnitt: Ja und? Dann soll halt alles wieder gut werden. Wenn du tot bist, musst du darauf nicht warten Bild

Gleiches Prinzip beim "Verpassen". Man kann nicht "verpassen" wenn man tot ist, egal wie du verpassen definierst. Es gibt dann keine Zeitlinie mehr auf der etwas deaktiviert wird, vergebene Chancen z.B., sondern sie ist zu ende. Aus, vorbei.

Wie kannst du, als hoffentlich logisch denkender Mensch sagen, dass du eher "warscheinlich positive Gefühle" anstatt "keine Gefühle/tot" anstrebst? Wo ist denn da der Ansatzpunkt für Wertungen? Ich sehe keine. Tot sein ist nicht schlechter als lebendig zu sein für Atheisten.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 14:49 - Beitrag #12

@Ana: Tja, da sind wir wohl verschiedener Meinung. Ich kann's nur wiederholen: Solange ich lebe, ist meine Bewertungsskala
positive Gefühle (besser als) keine Gefühle (besser als) negative Gefühle.

Wie du richtig sagst, tot ist tot, Gehirn vermodert, Bewusstsein ausgelöscht. Dh. weder Leid noch Freude. Wieso sagst du, Glück ist nicht besser als Tod, während du gleichzeitig sagst, Tod ist besser als Leid? DAS ist für mich unlogisch.

Lykurg
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Mi 30. Sep 2009, 14:53 - Beitrag #13

Das leisten aktive Sterbehelfer. Ich hätte - auch wenn es der Wunsch der Person ist - vermutlich massive Gewissensprobleme damit, die mich daran hindern würden. Da ich zum Glück bisher nicht direkt in die Situation gekommen bin, kann ich das aber schlecht beurteilen.

Anaeyon
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Mi 30. Sep 2009, 14:57 - Beitrag #14

"warscheinlich positive Gefühle" sind nicht besser, als tot zu sein. Das habe ich gesagt. Bei ersterem besteht immernoch die Chance, verletzt zu werden, bei zweiterem nicht.

Also: (Utopie - immer gute Gefühle) ist gleichwertig wie (tot sein) ist besser als (eventuell gute Gefühle) ist besser als (Leid).

Achja: Natürlich empfinde ich diese Skala nicht auch im realen Leben so, ich bin aus gutem Grund noch nicht gesprungen, allerdings empfinde ich sie als logisch, da mein Überlebenstrieb und meine Freunde in meiner Logik nichts zu suchen haben.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 15:09 - Beitrag #15

Zitat von Lykurg:Das leisten aktive Sterbehelfer. Ich hätte - auch wenn es der Wunsch der Person ist - vermutlich massive Gewissensprobleme damit, die mich daran hindern würden. Da ich zum Glück bisher nicht direkt in die Situation gekommen bin, kann ich das aber schlecht beurteilen.

Natürlich, ich sicher auch und kann das ebensowenig beurteilen. Es geht ja hier nur um das, was uns theoretisch richtig erscheint - und ich hoffe, dass ich in der Lage wäre, einem geliebten Menschen unnötiges Leid (ohne Hoffnung auf Freude) zu ersparen, wenn es sein müsste. Vielleicht würde ich mich sogar besser fühlen, wenn nicht ich es wäre, der diesen Menschen umbringt, aber das ist für mich nebensächlich angesichts dessen, was ein Mensch in einer derartig verzweifelten Situation wünscht.

@ana: Was hat das mit Logik zu tun, wenn negative Gefühle für dich deutlich schlechter sind als keine Gefühle, positive Gefühle aber für dich nicht besser sind als keine Gefühle? Für mich ist das weder sinnvoll noch logisch (ganz abgesehen davon, was hat Logik überhaupt damit zu tun? Wenn, dann doch eher Plausibilität).

Anaeyon
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Mi 30. Sep 2009, 15:12 - Beitrag #16

Sag mir doch, was an "keinen Gefühlen" negativer ist, als an "positiven Gefühlen" ^^..

Mag sein, dass Plausibilität da besser reinpasst. Für mich ist das aber eigentlich sowas wie eine mathematische Rechnung, insofern spreche ich von Logik.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 15:22 - Beitrag #17

Ich denke, wo man geteilter Meinung sein kann, sollte man nicht von Logik sprechen ^^ das hat nichts mit Logik zu tun mMn.

Sag mir doch, was an "negativen Gefühlen" schlechter ist, als an "keinen Gefühlen".

Anaeyon
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Mi 30. Sep 2009, 15:26 - Beitrag #18

-1, 0, 1. Die Null ist näher an der Eins.

Und damit das kein Einzeiler bleibt: Ich meine das ernst und denke auch, dass das nicht nur Meinungssache ist.

e-noon
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Mi 30. Sep 2009, 15:28 - Beitrag #19

Die Null ist näher an der eins? Als an was? Der -1? Hä?
Ich bin absolut überzeugt, dass das Meinungssache ist...

Für mich ist 1 = positive Gefühle, 0 = keine Gefühle, -1 = negative Gefühle.
1 ist größer als 0 ist größer als -1...
positiv ist besser als nichts ist besser als negativ.

Aydee
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Do 1. Okt 2009, 00:20 - Beitrag #20

mein Thema, sorry, muss meinen Senf dazugeben :(





Haltet ihr Selbstmord in jedem Fall für ablehnenswert?

- Nein, ich kenne nicht jeden Fall

Sprecht ihr Menschen das Recht auf Selbstmord ab?
- Nein, ich kenne auch nciht jeden Menschen und ihre Situationen

Macht ihr Ausnahmen in der Ablehnung?
- Ich denke nicht, bin aber bisher nur einmal damit konfrontiert gewesen. Ich konnte ihn verstehen.

Seht ihr im Selbstmord eine legitime Entscheidung eines mündigen Menschen?
- Als Entscheidung für das eigene Leben(sende)? Ja.
- Ich denke dass auch eine Entscheidung zum Selbstmord gut überlegt und abgewägt sein kann.




Ganz allgemein, so aus der Luft gegriffen, habe ich ein Problem mit diesem Thema.

Nur, weil es Menschen gibt, denen es - rein statistisch, rein formal, rein rechnerisch (mir ist egal, wie man es nennt, es läuft auf das Gleiche hinaus: das Aufrechnen, das Vergleichen, was der Eine hat und dem Anderen fehlt und deshalb es - rein formal, rein rechnerisch, rein vom-gesunden-Menschenverstand (imo blöde Floskel)) - dem Einen doch "eigentlich" besser geht und er deshalb "kein Recht" hat, sich so mies zu fühlen um sein Leben zu beenden (oder wohlwollend ausgedrückt: keine Veranlassung haben sollte = Zuschreibung)

Aber das ist eine Rechnung die das Innenleben außer Acht lässt.

"...um zu wissen, dass es immer weitergeht"

Manchmal geht es nicht weiter. Es sei denn man lebt ein Leben als jemand anderes. Aber das ist nicht jedem möglich.
Doch zugegeben, bei jüngeren Menschen (doch ab wann gesteht man einem Menschen Lebenserfahrung zu??) könnte es eine unüberlegt Entscheidung (Kurzschluss) sein, aber selbst dann wäre eher die Frage: wie kommt ein Mensch dazu? was hat ihn dahin geführt? Und ist es möglich (ihm, diesem Menschen möglich), seine Lebenssituation hinreichend zu ändern ?
(ich glaube einfach nicht dass es nur Schulnoten sind)


"Da es in Teilen der Welt deutlich mehr Leid gibt als hier, gibt es hier schon mal deutlich weniger"

irrelevant, wenn ich mich Selbstmord-Gedanken-wälzend-schlecht fühle in diesem "besseren" Leben. Es ist nicht wichtig, dass es anderen schlechter geht: mir geht es nicht gut genug.


"Wie willst du dann entscheiden, ob jemand mündig den Tod wählt oder in einer Psychose gefangen ist, die ihm das Leben unnötig schwer erscheinen lässt?"
Gegenfrage:
(ist nicht direkt und ausschließlich an e-noon gerichtet, aber sie bringt grad diese Argumente)
Warum hälst *du* (nicht auf dich gemünzt, sondern auf Mensche die denken wie du) dich für authorisiert oder berufen, dies für jemand anderen entscheiden (bestimmen, dürfte es besster treffen) zu wollen. Weil *du* das Leben anders siehst als dieser Mensch? weil es *dir* nicht gelingt, *dich* in seine Welt reinzufühlen, sie zu akzeptieren als etwas das *dir* unverständlich, nicht destotrotz dennoch real ist ?
(was vielleicht sogar ganz gut ist, du könntest ggf. mithinab gezogen werden)

An welcher "Stelle" zieht man die Grenze für "Mündigkeit zum Selbstmord" ? Was gestatten wir den Menschen in dieser Hinsicht ?



Ich habe z.B. eine Patientenverfügung immer dabei: unter keinen Umständen lebensverlängernde Maßnahmen.
Ich hoffe, dass das im Falle des Falles berücksichtigt und geachtet wird. Sicher bin ich mir nicht. Warum ich das bei mir trage, interessiert dann eh niemanden. Also müssen Menschen schlicht lernen, den Willen anderer zu akzeptieren, ohne ihn verstehen oder nachvollziehen zu können.


Manchmal, manchmal sollte man Menschen auch gestatten schwach zu sein. Wegzulaufen. Aufzugeben. Es ist schließlich ihr Leben.

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