Welches Buch lest ihr gerade? (II)

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Lykurg
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Di 1. Sep 2009, 15:58 - Beitrag #241

Terry Pratchett:
The Light Fantastic, Night Watch
(dachte, ich hätte auch letztere schon gelesen - erfreulicher Irrtum)

Walter Kempowski:
"Im Block", "Ein Kapitel für sich", "Hamit"

zweimalige streckenweise wortgleiche literarische Verarbeitung der achtjährigen DDR-Haftzeit des Autors (v.a. in Bautzen); in "Ein Kapitel für sich" ergänzt um die Berichte seines ebenfalls inhaftierten Bruders und seiner Mutter (dito) - und eine gewisse Verschiebung der Perspektive, wie auch in "Hamit" beschrieben, Kempowskis Tagebuch zur Wende, das u.a. seine Reisen in die DDR und nach Bautzen beschreibt.

Martin Page: Antoine oder die Idiotie (2001)
Ein an sich und der Welt verzweifelnder Intellektueller beschließt nach fehlgeschlagenen Versuchen, sich dem Alkohol oder dem Tod zu überantworten, auf seinen Verstand zu verzichten, und macht als Börsenmakler Karriere. Äußerst boshafte, stellenweise brillianter Humor (ein Genuß z.B. die Beschreibung seines ursprünglichen Freundeskreises) machen die Satire jenseits aller politischen Lager lesenswert.

Traitor
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So 13. Sep 2009, 16:26 - Beitrag #242

Zuletzt:

Herbert W. Franke (ich verwechsle ihn immer mit Frank Herbert...) - Zone Null
Ein SF-Roman aus den 70ern. Nur zwei Supermächte haben einen globalen Konflikt überlebt und sich weitgehend eingebunkert, seitdem gibt es keinen Kontakt mehr. Der eine Staat nennt sich die "Freie Welt" und hat seine Bürger auf extrem logisches und reflektiertes Handeln erzogen. Nun scheinen die Selbstverteidigungsanlagen der anderen Macht ausgefallen. Eine Expedition bricht auf und erkundet deren Stadt, findet dabei eine Kultur, die technisch weit fortgeschrittener ist, deren Bewohner aber rein passiv geworden zu sein scheinen.
Der Schreibstil wird gelegentlich etwas obskur, die dargestellten Ereignisse traumhaft, aber insgesamt eine interessante Studie und spannend erzählt.

Terry Pratchett - Witches Abroad
Muss man weit weniger zu sagen. ;) Aber hier habe ich stärker als in anderen Bänden viele Anspielungen erst im Original verstanden.

e-noon
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Do 1. Okt 2009, 13:20 - Beitrag #243

Promessi sposi - Manzoni. Bisher eher *schnarch*

009
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Do 1. Okt 2009, 15:05 - Beitrag #244

Gerade gar keines, generell bin ich ein eher seltener Buchleser. Fall ich damit hier komplett aus der Art oder ticken andere ähnlich?

Aydee
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Do 1. Okt 2009, 17:17 - Beitrag #245

John Irving, Gottes Werk und Teufels Beitrag

Traitor
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Do 1. Okt 2009, 18:08 - Beitrag #246

P. G. Wodehouse - The Inimitable Jeeves
Mehr über den "mentally neglilible, quite neglilible" Adeligen Bertie Wooster und seinen genialen Valet Jeeves. Episodischer als die anderen beiden Werke, die ich bisher gelesen hatte, aber genauso amüsant. Interessant auch die quasizufällige Sortierung meines Omnibus, sodass ich jetzt in der dritten Erzählung endlich die Hintergründe des "notorious incident with the cats in your bedroom" erfahren habe, auf die in der ersten angespielt wurde.

Olaf Stapledon - Last and First Men
Ein Klassiker der abgehobenen Science Fiction - erzählt wird die gesamte zukünftige Historie und Evolution des Menschen, über Jahrmillionen und zahlreiche biologisch verschiedene Spezies hinweg. Dabei beschleunigt das Tempo immer mehr, sprich, die Hälfte des Buches beschäftigt sich noch mit den First Men, unserer Spezies, und ihrer Zukunft in Weltkriegen, Weltstaaten und weltverheerenden Katastrophen. Dabei gibt es für das Schreibejahr 1930 faszinierende Einsichten, wie eine große Öl- und Energiekrise, Gentechnik im engeren Sinne, ideologieentleerte Einparteienherrschaft in China, fortschreitende Amerikanisierung der Welt... Aber auch viel naives Herumreiten auf "typsichen Charaktereigenschaften" der verschiedenen Nationen. Später folgen dann nach zahlreichen Dunklen Zeitaltern zukünftige Menschenspezies mit stark erweiterten physischen und mentalen Fähigkeiten, ein Konflikt mit dem Mars und die Expansion in Zeit, Raum und ganz neue Bewusstseinssphären.
Dabei verarbeitet Stapledon gekonnt zu seiner Zeit moderne Erkenntnisse von Astronomie, Physik und Evolutionsbiologie. Vor allem aber ist er Philosoph und interessiert sich nur tertiär für die technischen Entwicklungen, auch nur sekundär für die sozialen, primär aber für die kognitiv-philosophischen. Seine Menschheitsgeschichte wird von existentialistischen Konflikten, religiösen Suchen und derartigem angetrieben. Ein befremdliches und oft eher unglaubwürdiges Konzept, das in der Tiefe seiner Ausgearbeitetheit aber fasziniert und den ungeheuerlichen Umfang des Werkes wohl erst möglich macht, denn in technischeren Aspekten wäre es natürlich schnell ins peinliche abgerutscht. (Umfang hier rein inhaltlich gemeint, lang ist es nur knapp über 300 Seiten.)
Insgesamt also ein absolut bemerkenswertes Werk, das die Grenzen seines Genres sprengt und allemal mehr Beachtung wert ist, als es erhält.

Milena
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Do 1. Okt 2009, 19:37 - Beitrag #247

009^^ gerade keines oder am ehesten nie wieder eines...ausser meinen eigenen, was für ein zynismus...^^
ich habe früher, in meiner jugend alles in mich hineingeschlungen, was ich fand zu schlingen....
bücher werden von menschen geschrieben, sie haben was zu erzählen, etwas zu sagen....
ich habe mir nichts mehr sagen zu lassen...bzw. sie haben mir nichts mehr zu erzählen.....
das leben hat mir genug erzählt....
so also lese ich nichts mehr....zumindest keine bücher^^Bild

Traitor
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Fr 2. Okt 2009, 00:24 - Beitrag #248

Ach ja, die Antwort auf diese Frage ganz vergessen.

Zumindest in diesem Thread dürften die Vielleser klar in der Übermacht sein. ;) Man kann dann ja mal mit der Gesamtzahl der aktiven Matrixler vergleichen, alle sind das nicht, ganz allein bist du also nicht. Und viele der Extremleser, Marke Fargo, sind auch nicht mehr bei uns.
Zumindest für mich geht es aber auf keinen Fall ohne Bücher, dafür stecken viel zu viele faszinierende Ideen in ihnen, und/oder sie geben einfach zu gute Unterhaltung ab. Da sie mehr Zeit und Konzentration als Internet und Filme erfordern, ist meine Lesequote in den letzten Jahren aber sehr dürftig geworden.

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Fr 2. Okt 2009, 04:02 - Beitrag #249

Uih, ich bin beruhigt, falle wenigsten betreffs Bücher&Matrix mal nicht ganzaus der Art^^

Makeda
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Fr 2. Okt 2009, 22:20 - Beitrag #250

Die Biss-zum-Reihe wieder in der Wohnung! Daneben auf warteschleife (da dZ. in Berlin) H.P. u. der Orden des Phönix und von Rosemary Kristein: Die Sprache der Macht-Die Expedition einer Steuerfrau

Es geht um eine Steuerfrau(zieht umher und macht Aufzeichnungen darüber) dei in alten "Logbüchern" Lücken feststellt, diesen geht sie nach und entdeckt dabei, dass der Obermagierer für Menschen gefährliche Zauber wirkt, diesen Magier will sie finden und aufhalten...

So ab Seite 110/20 wird es spannender

e-noon
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Fr 2. Okt 2009, 22:25 - Beitrag #251

Zitat von Makeda:Die Biss-zum-Reihe wieder in der Wohnung!

JAaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa *jubel* *freu* :party2: :geschenk: :birthday: :party3: :party2: :party: :party2: :party3: :pokal: :hat: :sekt: :music: :prost: :knuddel: :king: :love2: :heart: :D

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Kalessin
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So 4. Okt 2009, 17:33 - Beitrag #252

Ich lese derzeit vom Pterry 'The Last Continent', wenn auch eher in kleinen Stückchen mit viel Zeit dazwischen.
Davor habe ich mal wieder das 'Circle Opens'-Quartett und 'The Will of the Empress' von Tamora Pierce gelesen.

Makeda, du liest die Steuerfrauen-Serie? Hab ich auch vor drei Monaten oder so wieder gelesen! Bist du auch so begeistert wie ich? Ich liebe diese Serie und die Welt, bzw. die Idee des Steuerfrauen-Ordens.
Ich hoffe, dass Frau Kirstein bald wieder ein Buch rausbringt. Das letzte, was ich finden konnte ist, dass sie gesagt hat, dass sie das 'angekündigte' Buch (City in the Crags) erst als übernächstes rausbringt und vorher noch einen Band einschiebt. (Sie scheint ja außer dieser Reihe nichts zu schreiben.) Das war, wenn ich mich recht erinnere, 2007. Ich hoffe, es dauert nicht wieder elf oder dreizehn Jahre zwischen dem vierten und dem fünften Band.

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So 4. Okt 2009, 19:52 - Beitrag #253

@Makeda: was ist die Bis-zum-Reihe?


Zitat von e-noon:JAaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa *jubel* *freu* :party2: :geschenk: :birthday: :party3: :party2: :party: :party2: :party3: :pokal: :hat: :sekt: :music: :prost: :knuddel: :king: :love2: :heart: :D


@e-noon: huch, was ist mit Dir passiert?

Ipsissimus
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Mo 5. Okt 2009, 11:35 - Beitrag #254

Der goldene Herrscher

12ter deutscher und Teil des 6ten englischen Bandes der "Spiel der Götter"-Serie von Steven Erikson

Das Spiel der Götter ist absolut fantastische, geniale, packende, überragende Fantasy. Das Beste, die Referenz, abgesehen von der Erdherren-Trilogie. Für alle bisherigen Bände gilt: jeder besser als der vorherige. Sowohl sprachlich als auch inhaltlich und in Hinsicht auf die erzeugte Atmosphäre. Aber nichts für Anhänger von Kurzgeschichten und schnellen Lösungen^^

Es nervt ein wenig, dass in der deutschen Übersetzung aus einem englischen zwei deutsche Bände gemacht werden, aber was soll´s.

Im "Goldenen Herrscher" überzieht Erikson sprachlich aber. Er hat mittlerweile soviele Handlungsstränge - die er auch virtuos verflechtet - dass es zur Tortur gerät, sich emotional immer wieder auf neue Szenarien einzustellen. Absolut brilliant, aber überaus anstrengend.

Im Spiel der Götter ist alles anders als in den Tolkien-Welten. Keine Elben, keine Orks, keine Zwerge, dafür realistische Charaktere, keine Typen, ein wirklich neuartiges Magiesystem, und ein Plot, der seinesgleichen sucht.

Inhaltlich geht es um die große Konvergenz (zumindest zeichnet sich das derzeit ab), den finalen Zusammenprall aller möglichen Machtgruppen: das malazanische Imperium gegen die Tiste Edur, die Viel- und Wechselgänger mit den überlebenden Jaghut gegen die T'lan Imass, die neuen Götter und die Aufgestiegenen gegen die alten Götter, das Haus der Ketten gegen den Rest der Drachenkarten, das letherische Imperium gegen alle Sklavenvölker, Fliesen gegen Geschirre (die beiden Konstituenten des Magiesystems), und mehr oder weniger alle gegeneinander in immer neuen losen situativen Bündnissen und Verrätereien. Und gegen alle die K'Chaine Che'Malle, die Kinder der Drachen.

Und soviele wunderbare Einzelcharaktere, Ganoes Paran, Herr der Drachenkarten, der schnelle Ben, einziger bekannter Hohemagier, der sieben Geschirre beherrscht, Apschalar, die Schattentänzerin, der zerschlagene Gott, Silchas Ruin, ein Tiste Andii und Drachen-Wechselgänger, der nach 300000 Jahren Gefangenschaft nach Rache dürstet, Karsa Orlong, Igel u.v.m.

Erikson hat hier wirklich eine neue, originelle Welt erschaffen, die nichts mehr mit Tolkien gemeinsam hat. Absolut lesenswert und für Fantasy-Fans ein Muss.

Padreic
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Mo 5. Okt 2009, 20:03 - Beitrag #255

Christoph Ransmayr - Die Schrecken des Eises und der Finsternis:
Halb Dokumentarbericht, halb Roman, geht es hier um Kälte, Arktis, Entdeckergeist, Entdeckermanie, Wissenschaft, Zivilisation und das Fehlen davon... Haupthandlung ist die Arktismission von Payer und Weyprecht, samt Mannschaft, die trotz äußerst baldigem und nicht endenden Einschluss ihres Schiffes im Eis ein neues Archipel, zur Ehren Eurer Hoheit, des Kaisers, "Franz-Josef-Land" genannt (man findet den Namen heute noch in der russischen Version auf den Karten), entdeckt. Dieser Teil ist zu nicht unwesentlichen Stücken aus den Originaljournalen, -tagebüchern und -zeichnungen collagiert. Dadrauf - und darin findet sich in Form der Kontrastierung sowohl offener als auch verdeckter Kommentar - ist etwas zwiefaches gebaut: zunächst Josef Mazzini, ein Phantast, der in Begeisterung für diese vergangene Expedition gerät und wie unabsichtlich irgendwann selbst in die Arktis gerät. Die zweite Ebene ist der Erzähler, der nun, nur gedanklich, auf Mazzinis Spuren und damit auch auf denen der Payer-Weyprecht-Expedition wandert, nachdem Mazzini verschillt. Letzterer durchmischt das ganze sporadisch mit einem größeren Kontext, listet andere Nordpolexpeditionen und so etwas.

Arktisch frierend, informativ, nüchtern, bewegend. Und macht einen auch etwas nachdenklich, zivilisationsdurchtränkt wie wir sind. Zeigt uns erst die arktische Plirrekälte, die Einsamkeit, das Dunkel und das Nordlicht das wahre Antlitz der Welt und unser selbst oder waren und sind das blasphemisch unnötige Strapazen? Mich treibt weder die Wissenschaft an, wie den Weyprecht, noch fasziniert mich der Entdeckerruhm, den Payer suchte. Aber denen im Dunkel meiner Seele surfenden Neigungen, große Teile der Zivilisation hinter mich zu lassen, hat dieses Werk Ransmayrs neuen Auftrieb gegeben.

Traitor
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Mo 5. Okt 2009, 21:27 - Beitrag #256

Eine kurze Suche ergab, dass von den mir spontan zugänglichen 6 Karten 5 nachwievor die deutsche Version "Franz-Josef-Land" verwenden und nur eine "Zemlya Frantsa-Iosifa". Dabei befindet sich letztere faszinierenderweise gemeinsam mit einer von ersteren im selben Atlas (Weltkarte deutsch, Eurasien-Karte russisch in englischer Transkription). Und gibt man "Franz-Josef-Land" bei Google Maps ein, landet man irgendwo tief im Bayrischen Wald (Amy, bist du schuld?) im hübschen "Bodenmais", und die Inselgruppe selbst ist unbeschriftet.

Ipsi, ist vorgemerkt. Wenn ich das nächste Mal Zeit und Nerven für einen Mehrbänder habe...
...dann lese ich erstmal noch Otherland, und warte dann auf das wiederum nächste Mal, und dann hoffentlich. ;)

Lykurg
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Mo 5. Okt 2009, 22:03 - Beitrag #257

Padreic, das fand ich auch ganz faszinierend - wie der Text es schafft, Kälte zu erzeugen und Einsamkeit - auf ganz trockener Ebene an Fakten sich klammernd, und doch, eingestreut, die Schicksale, die die Daten in seinen Tabellen liefern, die gefrorenen Landschaften, die der Briefmarkenmaler festbannt, die Kupferstiche und Logbucheinträge, die etwas konservieren, was im zermalmenden Eis vergehen kann oder auch stillstehen, wie es der arktische Winter will. Merkwürdig aber - gerade bei Traitors Erwähnung, und auch ich habe damals natürlich nachgesehen - daß der Roman bei all den beigegebenen Materialien keine Karte enthält. Meines Erachtens eine weitere Absicht Ransmayrs, den weißen Fleck zu erhalten, den Leser die Reise ins Unbekannte genauso hilflos antreten zu lassen wie die erste Expedition...

Padreic
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Mo 5. Okt 2009, 22:48 - Beitrag #258

@Traitor: Ich habe es nur anhand einer einzigen Karte kontrolliert. Da das Gebiet schon seit längerem zu russischem Territorium gehört, sollte es aber doch eigentlich der modernen Praxis entsprechen, den russischen Namen zu nehmen, oder? Bei Städtenamen nimmt man doch mittlerweile auch üblicherweise den einheimischen Namen, auch wenn die Stadt z. B. früher einmal deutsch war.

@Lykurg: Ich kann dir da voll und ganz zustimmen. Natürlich schaut man nach, würde man aber von Anfang bloß mit der Karte dahocken, wäre man doch versucht, dem Payer ähnliche Vorwürfe zu machen, wie es ihm später geschieht: das da hast du aber ungenau geschaut, auf der Karte steht es doch klipp und klar so... es gibt so viele Daten, die so einfach zugänglich sind, Karten von fernen Ländern, wie weit die Sonne entfernt wie schwer die Erde ist, und die doch so schwer zu erlangen waren, was man sich so selten bewusst macht.

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Mo 5. Okt 2009, 23:01 - Beitrag #259

Ich vermute mal, bei Landstrichen ist die Haltbarkeit der historischen Bezeichnungen größer als bei Städten. Letztere führen eher aktive Kampagnen zur Durchsetzung der neuen Namensformen, siehe Mumbai/Bombay. Und auch das Gefühl politischer Korrektheit dürfte gegenüber Millionenstädten eher zum Tragen kommen als gegenüber unbewohnten arktischen Inseln.
Allerdings muss ich auch zugeben, dass drei der befragten Karten auch noch Bombay und Peking verwenden, zwei Leningrad, eine Rhodesien. Ich fürchte, die Stichprobe ist nicht allzu qualifiziert als Grundlage für derartige Analysen.
Dafür sehe ich gerade, dass auch die englische Wikipedia "Franz Josef Land" als häufigste Namensform ausgibt.

Ipsissimus
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Do 15. Okt 2009, 11:53 - Beitrag #260

Robert Merle

Malvile


Burg und Dörfchen Malvile liegen irgendwo in den südfranzösischen Alpen. Geschützt durch eine hohe Felsmauer überleben die meisten Bewohner der Gemeinde die zu Beginn kurz geschilderte atomare Verwüstung der Erde. Sie haben für begrenzte Zeit noch Lebensmittel, etwas Vieh und ein wenig Saatgut.

Merle schildert sehr eindringlich die Probleme des Überlebenskampfes einer landwirtschaftlich geprägten, aber kargen Oase inmitten einer atomaren Wüste. Die Gemeinschaft muss sich der Bedrohung durch Plünderer und Söldnerbanden erwehren; insbesondere der Anspruch angeblicher katholischer Wanderpriester, die im Namen Roms von den Überlebenden (die überwiegend katholischen Glaubens sind) neue Gefolgschaft und Gehorsam einfordern, eskaliert zu einer Zerreißprobe sondersgleichen. Und beständig winkt die Versuchung, in offene Barbarei zurückzufallen.


Merle zeichnet ein hinreißendes und bedrückendes Psychogramm von Menschen am Rande des Aufgebens. Auch wenn das Szenario einer atomaren Verwüstung mittlerweile ein wenig aus dem Bewusstsein vieler Menschen verschwunden zu sein scheint, wirken die Charakter völlig plausibel; man kann sich problemlos vorstellen, in einer analogen Situation ähnlichen inneren und äußeren Anfechtungen der geistigen wie körperlichen Gesundheit ausgesetzt zu sein, und ähnlich darauf zu reagieren

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