Zitat von janw:Lykurg, die Schüler trinken nicht, weil sie leicht an Bier und Fusel kommen, sondern weil niemand ihnen bei ihren Problemen zuhört, auf sie eingeht, geschweige denn ihnen Hilfen aufzeigt, weil keiner ihnen zeigt, wie man Freizeit vielfältig gestalten kann, keiner die Begabungen in ihnen weckt, die in der Schule keinen interessieren, kurz, weil Kinder und Jugendliche, statt Liebe, Achtung und Zuwendung zu erfahren, mit sich und ihren Problemen allein gelassen werden.
Ich bezweifle es ernsthaft. Das regelmäßige besaufen perspektivloser vernachlässigter Jugendlicher mag eine Seite des Problems darstellen. Ich kenne aber deutlich mehr Jugendliche, die ein gesundes Elternhaus (das ich auch persönlich kenne), gute berufliche Aussichten, stabile Beziehungen, vielfältige Freizeitaktivitäten haben und es trotzdem als "cool" ansehen, wenn sie am Wochenende kotzen müssen, weil sie zuviel Alkohol trinken, oder wenn die Erinnerung an etwas vollkommen ausgelöscht ist. Ich habe sozusagen im Bekanntenkreis eine Langzeitstudie durchführen können, und die Verfügbarkeit von Alkohol war von 12 bis jetzt 22 Jahren immer gegeben, Weinkeller der Eltern, ältere Freunde, Dorffeste ohne Altersbeschränkung. Die Fälle, die ich beobachtet habe, hatten alle folgende Merkmale gemeinsam:
1. Stabiles Elternhaus, das sich kümmerte, Nachwuchs bei bedarf von der Party abholte, auch betrunken, manche Eltern etwas strenger, andere weniger, alle gutbürgerlich und liebevoll um die Kinder bemüht.
2. Trinken fand/findet immer in Gesellschaft statt, auf Festen, am Wochenende, in regional/traditionell begrenztem Rahmen, im Junggesellenverein oder in Diskotheken.
3. Sämtliche Jugendliche, jetzt Erwachsene, hatten/haben keine aus Alkohol resultierenden Probleme, die Schulnoten waren meist stabil, die Zukunft gesichert, Abhängigkeiten sind nicht festzustellen.
4. Die Betreffenden sind in ein enges soziales Netz eingebunden, ein enger Freundeskreis von etwa 10 Menschen, ein weiter Bekannten- und Feierkreis von etwa 40 - 100 Menschen aus der Umgebung. Stabile Beziehungen, von denen natürlich nicht alle ewig halten, sind die Regel, nicht die Ausnahme.
5. Von keinem der Beteiligten wird das Trinken als etwas Nachteiliges empfunden. Beschwerden über übermäßigen Alkoholkonsum dienen eher der Herausstellung der eigenen Leistung als der tatsächlichen Selbstreflexion. Auch von Eltern, Partnern und Freunden wird das verhalten gebilligt bzw. als normal empfunden.
Sind das die perspektivlosen Verlierer unserer Gesellschaft, bei denen erst alles schief gelaufen ist, bevor sie als unter sechzehnjährige zum Alkohol griffen?
Ich bezweifle es.