Die dunkle Seite der Säkularisierung

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
e-noon
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Do 25. Mär 2010, 15:03 - Beitrag #21

was im Fall der Indianer wie bei anderen mit Völkermord verbundenen Vertreibungen logischerweise immer nur symbolisch geschehen kann, da die Verluste an Menschenleben nicht zu kompensieren sind. Wenn man dagegen das damals begangene Unrecht fortschreiben will, muß man sich eine bedingte Rechtsstaatlichkeit vorwerfen lassen.

Man könnte den verbliebenen Indianern Amerika überschreiben...

Wieviele Jahrhunderte müsste Deutschland denn die Zahlungen an die Kirche weiterzahlen, um deinem Anspruch gerecht zu werden?

Ipsissimus
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Do 25. Mär 2010, 15:24 - Beitrag #22

sofern wir bei diesen "symbolischen Rückzahlungen" von Beträgen in 3stelliger Milliardenhöhe sprechen, stimme ich dir diesbezüglich sogar zu, Lykurg^^ das IST symbolisch im Vergleich zu den 3-4stelligen Billonenbeträgen, die da Land wirklich wert ist^^

im Falle der Kirche würde ich sehr gerne wissen, wem es die Kirche abgenommen hat, e-noon. Deren Erben würde ich dann entsprechende Entschädigungen zukommen lassen - aus dem verbliebenen geraubten Besitz der Kirchen. Das wäre doch noch schöner, wenn ein Räuber Anspruch auf Entschädigung für den Verlust seines geraubten Gutes hätte

e-noon
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Do 25. Mär 2010, 15:53 - Beitrag #23

Statt uralte Rechtsansprüche auszugraben, könnte man die ganze Sache eigentlich auch als gegessen erklären, das fände ich sinnvoller, als jetzt die Bischöfsgehälter statt an Bischöfe an Ur-Ur-Ur-.. enkel von vor 500 Jahren beraubten Menschen zu zahlen. Ich wäre auch etwas irritiert, wenn mir die Russen auf einmal Geld geben würden, weil mein Opa als Jugendlicher im Gefangenenlager geschuftet hat :confused: Natürlich hätte mein Opa eine Entschädigung verdient, aber wer hätte das nicht? Wo hört das auf?

Lykurg
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Do 25. Mär 2010, 18:26 - Beitrag #24

Ipsissimus, das fände ich größenordnungsmäßig nicht falsch. Bezogen auf drei Millionen Einwohner erreicht man damit eine spürbare Aufwertung ihrer Lebensumstände, wenn sie das entsprechend vernünftig einsetzen. NNatürlich kann man sich dann zwei Generationen später immer noch fragen, ob die Sache so wirklich abgegolten und den Nachkommen geholfen ist, aber das wäre ein wirklicher Ansatz.

Du weißt genauso gut wie ich, daß es neben den vielen Wegen, wie die Kirche bzw. ihre lokalen Vertreter unrechtmäßig oder mit fragwürdigen Methoden ihren Besitz erweiterten, auch eine Unzahl von Schenkungen und Spenden gab, auf dem ein wesentlicher Teil des kirchlichen Vermögens beruht. Diese nun allesamt für ungültig zu erklären, vielleicht weil man den Vorfahren eine kollektive Psychose bescheinigt, scheint mir gelinde gesagt dreist und bar jeglichen historischen Bewußtseins.

Andererseits sind die tatsächlichen Opfer von Unrechtstaten auch kirchlicher bzw. im kirchlichen Auftrag handelnder Kräfte prinzipiell berechtigt, Anspruch auf Entschädigung zu erheben. Daß dies über die Jahrhunderte immer schwieriger zu kalkulieren wird und dementsprechend eine denkbare Entschädigungssumme auch immer weiter abnehmen muß, liegt auf der Hand. Was wäre ohne den vierten Kreuzzug passiert? Inwieweit war der Dreißigjährige Krieg von Rom gewollt? Schwierige Fragen.

e-noon, Sachen spontan als gegessen zu betrachten, macht sie nur selten besser. Das ist sinnvoll, wenn es nicht anders geht, aber etwa eine Anerkennung des Leidens und Todes unzähliger Kriegsgefangener in sowjetischen Lagern wäre durchaus angebracht. Oder findest du, daß die Beutekunst "gegessen" ist und die Russen behalten sollen, was die rote Armee völkerrechtswidrig im Westen zusammengeraubt hat?

e-noon
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Do 25. Mär 2010, 18:51 - Beitrag #25

Rote Armee? Haben die denn noch Sachen von uns? :confused: Und wird von deutscher Seite gefordert, die zurückzugeben?

Zu den USA: Sehe ich das richtig, dass das BIP bei 14 Billionen liegt? Insofern wäre ein dreistelliger Milliardenbetrag, sagen wir, 500 Milliarden, ca. 3% des BIP. Gerechte Entschädigung für die Enteignung des gesamten amerikanischen Kontinents? Falls ja, und du würdest das auf die Kirche umrechnen... wieviel Cent müsste der Staat der Kirche dann noch aushändigen? ^^

Ich denke, solange Geschädigte oder deren Kinder (indirekt vielleicht auch noch geschädigte) noch leben, macht eine Entschädigungsforderung noch Sinn. Danach nicht mehr (jetzt mal abgesehen davon, dass wohl nicht viele direkte, legitime Nachkommen der damaligen Kirchenfürsten vorhanden sein sollten). Sollen meine Urenkel noch dafür arbeiten, was vor 200 Jahren geschehen ist? Inwiefern ist das fair?

aber etwa eine Anerkennung des Leidens und Todes unzähliger Kriegsgefangener in sowjetischen Lagern wäre durchaus angebracht.

Natürlich ist sie angebracht. Eine Anerkennung (oder eher: Mitgefühl) ist bei Leiden und Tod unschuldiger Menschen immer angebracht. Soweit sie nicht tot sind und/oder ihre direkten Angehörigen noch leben, ist auch eine Entschädigung angemessen. Aber ich finde nicht, dass ich für die etwaigen Leiden meines Ur-Ur-großvaters eine Entschädigung verdient habe; ebenso unverständlich fände ich, wenn man meinen Enkeln irgendwann den Gefangenenlager-aufenthalt meines Großvaters entschädigt. Dann lieber in sinnvolle Prävention, Erinnerung u.ä. investieren.

Lykurg
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Do 25. Mär 2010, 19:51 - Beitrag #26

Beutekunst wäre vielleicht auch mal Thema für einen seperaten Thread. Wikipedia gibt ein bißchen was dazu her, nennt auch ein paar Spitzenobjekte wie etwa den sogenannten Schatz des Priamos, sagt aber z.B. kaum etwas über deutsche Bibliotheken. In den Magazinen russischer Bibliotheken befinden sich noch immer hunderttausende widerrechtlich verschleppter alter Bücher und Handschriften, z.B. allein knapp 1000 Inkunabeln der SUB Hamburg. Nach Duma-Beschluß ist das inzwischen russischer Staatsbesitz, zur Entschädigung für zerstörte bzw. geraubte/verschollene russische Kunstschätze. Nur leider lassen die die geraubten Bücherkisten (originalverpackt) in feuchten Kellern liegen und verfaulen, man kommt als westlicher Forscher praktisch nicht ran, nur mit äußerst schwierig zu bekommenden Sondergenehmigungen, und die Russen wissen selbst nicht, wo was hingekommen ist.

In St. Petersburg habe ich eine sehr schöne Ausstellung der Merowingerschätze gesehen, die aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte stammen. Kann leider nicht in Deutschland gezeigt werden, weil die Sachen nach deutschem Recht sofort beschlagnahmt werden müßten (und das Völkerrecht wäre auf unserer Seite).

Die letzten deutschen Regierungen verhandeln in der Sache sehr zurückhaltend, man will sich ja nicht die Wirtschaftsbeziehungen kaputtreden (so ähnlich wie mit China, auch wenn es da nur um Menschen geht...) Bild

Zustimmung zur Frage der unmittelbaren Betroffenheit bzw. anteiliger Umwandlung in Erinnerungs-/Dokumentationsarbeit bei entsprechend weit zurückliegenden Gewaltakten und faktisch unmöglicher Wiedergutmachung.
Aber soll ein entsprechend großes Unrecht, nur weil es nie jemand begleichen wollte oder konnte, aus dem Gedächtnis getilgt werden? Ist das fair?

e-noon
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Do 25. Mär 2010, 21:01 - Beitrag #27

Aus dem Gedächtnis getilgt werden, keineswegs! Ich wäre sehr interessiert an einer Ausstellung zum Beispiel über die genauen Hintergründe des Besitzstandes der Kirche. Objektiv und am liebsten von Anfang bis Ende, auf allen Kontinenten. Das wäre eine sinnvolle Ausgabe. Allerdings finde ich nicht, dass man die nachkommenden Generationen endlos belasten darf. Irgendwann müssen auch noch so gerechtfertigte Ansprüche enden, wie sie das etwa im Patentrecht oder bei Musikstücken und Büchern ja auch tun. Kinder ja, Enkel nur in speziellen Fällen, Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-enkel - nein. Weder belastet, noch begünstigt. Bei Institutionen kann man das natürlich ausdehnen - aber nicht endlos. Und 200 Jahre ist auch bei einem Staat schon recht endlos. Wieviele Generationen und wieviele Staatsformen liegen dazwischen? Müssten Anrainerstaaten vielleicht auch gebeten werden, für ihre Gebiete, die einst deutschen Bischöfen gehörten, zu zahlen? :rolleyes:

Ich denke, wenn man Kisten erbittet, die einem gehörten und bei einem anderen im Keller herumgammeln, kann man das schlecht vergleichen mit einer 200 Jahre lang (kontinuierlich aufrecht erhaltenen und auch abgeleisteten) Zahlungsanforderung.

Ipsissimus
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Fr 26. Mär 2010, 12:02 - Beitrag #28

bei Schenkungen dürfte es ja leicht fallen, selbige nachzuweisen, Lykurg

es gibt meines Erachtens keine echte zeitliche Grenze, ab der illegitim erworbener Besitz legitimer Besitz des Räubers oder seiner Nachfahren wird. Solange noch Nachfahren der ursprünglichen legitimen Besitzer gefunden werden können, gehört denen dieser Besitz gemäß meiner Rechtsauffassung. Dies gilt aber nicht nur für Privatpersonen, sondern z.B. auch für Stämme oder Dörfer. Und im Falle verschenkten illegitimen Besitzes führt auch die Schenkung keine Legitimierung dieses Besitzes herbei.

Davon abgesehen halte ich es mit den Indianern, in völliger Weltfremdheit^^ Boden gehört niemandem^^


ich sehe das im Prinzip übrigens auch wie die Duma, Lykurg^^ Deutschland hatte mit der Verursachung des Zweiten Weltkrieges im Prinzip sein Existenzrecht verspielt. Dass die Sachen mittlerweile in irgendwelchen Kellern verrotten, ist natürlich äußerst bedauerlich, ändert aber nichts daran, dass diese Situation von den Deutschen selbst verursacht wurde. Im Übrigen, frage mal in Ägypten oder anderen Ländern in Nahost, wem die Schätze deutscher Museen aus den Pyramiden und Ausgrabungen gehören. Da denkt in Deutschland auch niemand dran, die zurückzugeben. Da ist auf allen Seiten jede Menge nationaler Willkür und Pathos drin^^

e-noon
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Fr 26. Mär 2010, 12:09 - Beitrag #29

es gibt meines Erachtens keine echte zeitliche Grenze, ab der illegitim erworbener Besitz legitimer Besitz des Räubers oder seiner Nachfahren oder Rechtsnachfolger wird.

Das würde ich anders sehen; sonst müsste man wirklich bei jedem und allem bis an die Grenzen der Zeitrechnung zurückgehen und schauen, wem es da zuerst gehörte. Und nach 3, 5 oder gar 15 Generationen ist es meiner Meinung nach egal, wessen Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur...großvater die chinesische Vase mal gehörte. Wieso sollte sich aus einer so weit zurückliegenden "Verwandschaft" ein Recht für den Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur... Enkel ableiten? Was hat der Enkel großartiges getan, außer eben der 15. Urenkel des Vasenbesitzers zu sein? Er hat die Vase weder bezahlt, noch kannte er den Vasenbesitzer, noch hat er die Vase jemals gesehen... etc.

Und wenn jemand zu meinen Eltern käme und würde ihre Eheringe fordern, weil das Gold für diese Ringe vor 13 Generationen aus Südamerika kam und seinem Ur-ur-urgroßvater unrechtmäßig abgenommen wurde... :stupid:

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Fr 26. Mär 2010, 12:11 - Beitrag #30

Zitat von Ipsissimus:Im Übrigen, frage mal in Ägypten oder anderen Ländern in Nahost, wem die Schätze deutscher Museen aus den Pyramiden und Ausgrabungen gehören. Da denkt in Deutschland auch niemand dran, die zurückzugeben. Da ist auf allen Seiten jede Menge nationaler Willkür und Pathos drin^^

Eben... aufgrund dieser allgemeinen nationalen Willkür und des Pathos sehe ich nicht ein, warum für die Kirche eine Ausnahme gemacht werden sollte.

Ipsissimus
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Fr 26. Mär 2010, 12:14 - Beitrag #31

und was haben die Nachfahren der Räuber gemacht, dass sie ein Besitzrecht an der Vase hätten?


e-noon, im Rahmen von Realpolitik stellt sich das Thema dieses gesamtes Threads gar nicht^^ da entscheidet einfache, simple Macht, wer wann was bekommt oder nicht^^ wir diskutieren doch gerade über die moralische Dimension der Sache, oder verstehe ich das falsch^^

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Fr 26. Mär 2010, 12:24 - Beitrag #32

Natürlich, die Frage nach der Realpolitik ist dafür aber auch wichtig. Wenn jeder alles sofort nach ein-zwei Generationen zurückgeben würde, würde ich dies natürlich auch der Kirche zugestehen (falls deren Ansprüche wiederum legitim waren). Wenn es aber niemand macht, sehe ich nicht ein, warum ausgerechnet der Kirche auf Staatskosten (das heißt, meine Kosten) das Geld hinterhergeschoben wird.

Was haben die Nachfahren der Räuber gemacht... Das ist eine gute Frage. Natürlich genausowenig, außer vielleicht gut auf die Vase aufzupassen in den letzten 375 Jahren. Aber ich finde es einen zu großen Eingriff in die Rechte Lebender (Gewohnheitsrecht, könnte man es nennen, Erbrecht) zugunsten der posthumen Gerechtigkeit Toter, wenn man nach X Generationen noch Rückzahlungen fordert. Die "objektive" Gerechtigkeit des Zurückgebens an den X. Enkel tritt einfach zurück hinter der subjektiven Gerechtigkeit der Person, die seit Generationen im Besitz des Gegenstands oder Geldes ist, ihre Erziehung damit finanziert hat oder ihr Haus darauf gebaut hat, ohne zu ahnen, dass jemand es vor X Generationen geraubt hatte.
Irgendwann müssen solche Ansprüche meiner Meinung nach verblassen und vollständig erlöschen.

Ipsissimus
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Fr 26. Mär 2010, 12:39 - Beitrag #33

und was ist, wie ganz häufig im Falle von Urbevölkerung, wenn die Nachfahren der Beraubten aufgrund der Raubzüge von vor 500 Jahren und der Auswirkungen derselben heute in äußerstem Elend leben müssen, während die Nachfahren derjenigen, die diesen Besitz illegitim und oft gewalttätig an sich brachten und in Reichtum und Macht konvertiert haben, wie die Made im Speck leben? Auch Schwamm drüber?

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Fr 26. Mär 2010, 13:06 - Beitrag #34

Nein, das natürlich nicht. Insbesondere, wenn ein ganzes Volk in eine Notsituation gestürzt wird, leiden ja auch die Nachfahren oft auch nach etlichen Generationen darunter. Allerdings würde ich auch hier keine pauschale Rückzahlung als Maß der Dinge sehen. Zum einen, weil die heutigen Amerikaner genauso wenig für die Taten ihrer Urururgroßväter etwas können, wie die heutigen Amerikanischen Ureinwohner. Allen Besitz von der einen zur anderen Seite zu schieben, würde meines Erachtens daher nur neues Unrecht verursachen. Andererseits, weil es in einigen Fällen auch nicht nötig ist. Wahrscheinlich hatte Barack Obama irgendwann mal einen unterdrücken Schwarzen in seinem Stammbaum. Ebenso wahrscheinlich ist er aber nicht auf humanitäre Hilfe angewiesen und hat auch offensichtlich keinen unzumutbaren Nachteil aus der Unrechtbehandlung eines seiner Ahnen erfahren.

Allerdings findet sich wohl in jedem Stammbaum jemand, der ungerecht behandelt wurde. Meine Vorfahren haben (nachverfolgbar für über 200 Jahre) Deutschland nie für längere Zeit verlassen (bis auf die Reise nach Russland... :rolleyes: ). Bin ich damit von Unterhaltszahlungen für Afrikaner ausgenommen? Scheinbar nicht, denn ich bin Nutznießer des Systems. Auch ein verhungernder unterdrückter Afrikaner, der hierher kommt und sich etabliert und zu Reichtum kommt, wäre demnach ein Nutznießer des Systems. Der ethische Anspruch auf Hilfe beruht daher imo nicht auf längst vergangenem Unrecht, auf das man keinen Einfluss hatte, sondern einfach darauf, dass man die Möglichkeit hat, zu helfen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit "zurückzahlen" zu tun, sondern mit einem grundlegenderen Prinzip, Hilfe des Starken für den Schwachen.

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Fr 26. Mär 2010, 17:05 - Beitrag #35

Davon abgesehen halte ich es mit den Indianern, in völliger Weltfremdheit^^ Boden gehört niemandem^^
Ich hatte sogar kurz darüber nachgedacht, inwieweit das Teil einer Diskussion bzw. des ursprünglichen Problems sein könne - ob und inwiefern eben diese Haltung dazu beitragen konnte, die Indianer zu vertreiben, da sie in Ermangelung eines Eigentumsbegriffs nicht für ihr Recht (aus europäischer Sicht) eintraten. Angesichts der Indianerkriege ist das nicht unbedingt angemessen, erschwert aber trotzdem die Bestimmung eines zu restituierenden Wertes.
ich sehe das im Prinzip übrigens auch wie die Duma, Lykurg^^ Deutschland hatte mit der Verursachung des Zweiten Weltkrieges im Prinzip sein Existenzrecht verspielt. Dass die Sachen mittlerweile in irgendwelchen Kellern verrotten, ist natürlich äußerst bedauerlich, ändert aber nichts daran, dass diese Situation von den Deutschen selbst verursacht wurde
Wenn man den zweiten Weltkrieg als singuläres Ereignis jenseits aller historischen Kategorien auffaßt, vielleicht; allerdings könnte man auch dann fragen, inwieweit das Dritte Reich ein 'Recht' darauf hatte, Kunstschätze zu besitzen und verwirken, die seit vielen Jahrhunderten Eigentum von deutschen Institutionen bzw. Privatpersonen waren. Genau das sehen ja sogar die Russen so und restituieren teilweise die Stücke aus privaten Sammlungen und Kirchenschätze. Das geht aber konsequent gedacht noch viel weiter, umfaßt auch die regionalen und nationalen Museen und Bibliotheken. Schließlich ist deren 'Kriegsschuld' eher schwierig zu erfassen. Trophäenschauen sind eine Erscheinung vergangener Jahrhunderte (vielleicht mit der Ausnahme militärgeschichtlicher Sammlungen). Und aus Rache fremdes Eigentum zu zerstören, ist Barbarei und in diesem Fall ein Kulturverbrechen an der Menschheit.
Im Übrigen, frage mal in Ägypten oder anderen Ländern in Nahost, wem die Schätze deutscher Museen aus den Pyramiden und Ausgrabungen gehören. Da denkt in Deutschland auch niemand dran, die zurückzugeben. Da ist auf allen Seiten jede Menge nationaler Willkür und Pathos drin^^
Oh ja, ich weiß... Über viele dieser Fälle ist zu verhandeln, und teilweise laufen ja auch schon sehr lange Verhandlungen. Entscheidend ist, wie seinerzeit das Eigentum gehandhabt wurde, ob etwa ein Verkauf stattgefunden hat oder ob Verträge mit den Ausgräbern bestanden. Wenn gegen diese Verträge verstoßen wurde, ist eine Rückgabe angemessen. So hätte wohl der "Schatz des Priamos" nicht aus Griechenland ausgeführt werden dürfen, wohl aber aus der Türkei. Für sehr viele ägyptische Altertümer gibt es ähnliche Schwierigkeiten, die einzeln zu prüfen sind. Teilweise sind die Rückforderungen aber auch an den Haaren herbeigezogen.

Schwierig zu entscheiden ist, inwieweit die osmanische Herrschaft über Griechenland und Ägypten als Verhandlungspartner befugt war, Kunstschätze der vergangenen Reiche in ihrem Einflußgebiet zu verkaufen, oder ob es sich um eine Form der Hehlerei handelte. Andererseits gilt das genauso für jede nationale Regierung auch der westlichen Welt; und in manchen Fällen hat der Ankauf Kunstschätze vor der Vernichtung bewahrt (etwa die Marmorskulpturen von Aigina, die zu ihrem Materialwert in Kalk verkauft wurden).

Wie Ipsissimus meine ich: Eigentumsrecht erlischt nicht.

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Fr 26. Mär 2010, 17:36 - Beitrag #36

Wie Ipsissimus meine ich: Eigentumsrecht erlischt nicht.


das Recht an legitimem Eigentum^^


natürlich waren die deutschen Museen zur Zeit des dritten Reichs nicht der deutsche Staat; andererseits bezweifele ich anhand des schieren Ausmaßes der von Deutschland angezettelten Barbarei, dass ich diese Haarspalterei als sowjetischer Kommandeur seinerzeit berücksichtigt hätte.

Hinsichtlich der Situation mit Ägypten usw. ist nicht die Frage, ob irgendein Archäologe mit irgend einem einheimischen Dorfobersten einen Vertrag geschlossen hat, sondern ob es jemals die legitimierte Zustimmung der betreffenden Staaten, also der Regierungen, dazu gab, diese Objekte nach Deutschland zu bringen. Das mag in einigen Fällen der Fall gewesen sein; in der Breite bezweifele ich es

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Fr 26. Mär 2010, 18:34 - Beitrag #37

Natürlich.^^
natürlich waren die deutschen Museen zur Zeit des dritten Reichs nicht der deutsche Staat; andererseits bezweifele ich anhand des schieren Ausmaßes der von Deutschland angezettelten Barbarei, dass ich diese Haarspalterei als sowjetischer Kommandeur seinerzeit berücksichtigt hätte.
Als sowjetischer Kommandeur vielleicht - auch wenn die Haager Landkriegsordnung in meinen Augen keine Haarspalterei ist. Aber ich sehe nicht ein, warum sich die heutige russische Regierung die Position eines beutelüsternen und rachedurstigen Offiziers weiterhin zu eigen machen sollte. So verständlich das Verhalten seinerzeit war, irgendwann sollte die Geltungszeit von Affekthandlungen enden.
Hinsichtlich der Situation mit Ägypten usw. ist nicht die Frage, ob irgendein Archäologe mit irgend einem einheimischen Dorfobersten einen Vertrag geschlossen hat, sondern ob es jemals die legitimierte Zustimmung der betreffenden Staaten, also der Regierungen, dazu gab, diese Objekte nach Deutschland zu bringen. Das mag in einigen Fällen der Fall gewesen sein; in der Breite bezweifele ich es
Richtig, in vielen Fällen gab es die aber. Meine mögliche Kritik geht ja noch darüber hinaus, ist aber in sich problematisch wegen der Legitimation von Fremdherrschaften.

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Fr 26. Mär 2010, 22:28 - Beitrag #38

Inwieweit sich Russland in Unschuld beim zweiten Weltkrieg suhlen kann, ist eine ganz andere Frage...

@Ipsissimus:
Wenn du sagst, dass ein Amerikaner ein Haus, das er gebaut hat, nicht legitim besitzt, da das Land, auf dem er baut, einmal den Indianern "gehört" hat, würde ich sagen, dass es kein legitimes Eigentum gibt, da wohl so ziemlich jeder Mensch auf Erden Nutznießer von vergangenem Unrecht ist (zumindest jeder, der überhaupt Eigentum im nennenswerten Maße hat). Was es gibt, ist sicherlich ein verschiedener Grad an Illegitimität, gemessen z. B. daran, wie lange das Unrecht her ist und wie stark es ist.

Bezüglich der ursprünglichen Frage: ich würde den Grad der Illegitimität des früheren Besitzes der Kirche als nicht sehr hoch ansehen, da die Sachen, die als wirklich illegitim angesehen werden können, größtenteils Anfang des 19. Jahrhunderts schon eine ganze Weile zurück lagen und zweitens viel auf Schenkungen beruhte (die natürlich oft bewusst provoziert wurden) und das allermeiste war zumindest im Rahmen des geltenden Rechts, auch wenn es nicht unbedingt nett war [das waren die ägyptischen Pharaonen mit ihren Sklaven aber auch nicht immer...].
Trotzdem würde ich meinen Vorgängern zustimmen, dass die Zeit für Entschädigungszahlungen langsam abgelaufen sein sollte und man das langsam auslaufen lassen könnte. Bei Schenkungen mit speziellem Zweck ist das aber natürlich was anderes.

Lykurg
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Sa 27. Mär 2010, 00:08 - Beitrag #39

Ja, auch die weibliche Bevölkerung der deutschen Ostgebiete und Berlins war nicht so direkt der deutsche Staat. Allerdings sehe ich selbstverständlich ein, daß angesichts der deutschen Verbrechen alles, was ihnen geschah, vollkommen rechtmäßig und gut war, und daß wir (und sie selbst) den sowjetischen Kommandanten (und bis hin zum letzten Soldaten) dafür dankbar sein dürfen. Bild

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Schöne Zusammenfassung, Padreic! Damit kann ich mich anfreunden.

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Sa 27. Mär 2010, 00:40 - Beitrag #40

Ich auch :D Padreic, du bist der Held im Erdbeerfeld!
Jetzt müssen wir unseren Beschluss nur noch der Kirche mitteilen... ^_^****

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