Michael Ende: Die unendliche Geschichte hat mich nach vielen Jahren doch wieder gefesselt trotz ihrer strukturellen Unzulänglichkeiten. Einige gute Ideen, was das Erzählen betrifft, außerdem stark gebrochene Figuren (mit denen man aber kein Mitleid empfindet!), dazu meines Erachtens ein ungünstiges Zeitmanagement, das streckenweise doch erhebliche Längen erzeugt, und bezüglich Auryn nicht alles stimmig. Naja.
(auf der Suche nach Geschenken etc. ganz versehentlich in der Hand behalten^^):
Cornelia Funke: Igraine Ohnefurcht Eigentlich für etwas jüngere Leser gedacht, zeigt aber deutlich, was sie besser kann als Ende: eine elegant durcherzählte, geschlossene Handlung, in der jeder Handlungsabschnitt wesentlich zum Ende beiträgt, außerdem zwar nicht ganz perfekte, aber hinreißend geschilderte Figuren.
Platon: Menon Endlich weiß ich, wie man ein Quadrat halbiert! Sehr praktisch. Ich bin also nicht mehr verwirrt.
Stephen Galloway: The Cellist of Sarajevo Bedrückende Erzählung um den
Cellisten, der im belagerten Sarajevo trotz Mörserbeschuß und Heckenschützen einen Monat lang täglich im Freien Albinonis Adagio spielte, zum Gedenken an die Opfer des Krieges. Die Innensicht des Cellisten wird weitgehend ausgespart, stattdessen werden in seperaten Kapiteln die Perspektiven verschiedener Einwohner gezeigt, die quer durch die Stadt und um ihr Leben laufen, um Wasser zu holen, die Veränderungen, die die ständige Gefahr für den Einzelnen und die Gesellschaft bewirkt, Verzweiflung und das prekäre Glück des vorerst Überlebenden. Darunter ist auch die Perspektive einer jungen Scharfschützin - auf bosnischer Seite, die serbische Sicht fehlt komplett, hier ist ein sehr geschlossenes Feindbild gezeichnet. Nur quasi durch ihr Visier wird sichtbar, wie junge Männer es sind, die sie tötet - und erst durch die Musik wird einer der Feinde auch menschlich, und die Korruption und Grausamkeit auch der eigenen Seite offengelegt.
Thomas Mann: Joseph und seine Brüder Meine Hauptlesebeschäftigung während der letzten zwei Monate - in meiner Ausgabe knapp 1400 Seiten, die es in sich haben wie keine andere seiner Erzählungen, eine unglaublich dichte, komplexe, aber bezaubernd schöne Sprache. Übrigens auch - mehr als irgendeines seiner Bücher, auch mehr als Felix Krull - hinreißend komisch in manchen Passagen, etwa die Verkaufsverhandlungen über den gefangenen Joseph oder das Teekränzchen bei Mut-em-enet, 'Potiphars Weib'. Ein wahnsinnig reichhaltiger Roman, meines Erachtens (und ich freute mich, das gerade auch von Daniel Kehlmann bestätigt zu lesen) sein gelungenstes Werk und einer der wichtigsten deutschsprachigen Texte des 20. Jahrhunderts (vielleicht direkt nach dem Grundgesetz).

Ich habe einen neuen Liebling, auch wenn es sicher lange dauert, bis ich das nochmal lese.
Walter Kempowski: Hundstage 'Krimi' um das Sommererlebnis eines Schriftstellers, der ein gewisses Mädchenproblem hat. Erstaunlich, wie stark und schonungslos Kempowski, der hier wieder sehr eng autobiographisch erzählt, auch die vielfachen Charakterschwächen, Egoismen, Irritation, aber eben sogar pädophilen Neigungen seines literarischen Gegenbilds darstellt - bis hin zum abstoßenden Zerrbild, aber auch irgendwo bemitleidenswert und bis ins letzte nachvollziehbar - ein schillerndes Vexierspiel, bei dem man sich immer wieder fragen kann, was davon er jetzt ist, und was nicht.
Deutlich ist der Roman auch eine Hommage und Anlehnung an
Vladimir Nabokov: Lolita
, das ich folgerichtig gerade lese. Die ebenfalls schriftstellernde männliche Hauptfigur, hier zugleich Ich-Erzähler, sieht sich naturgemäß kaum kritisch, kommt daher in der Darstellung weit besser weg als Kempowskis beschädigter 'Held'. Spannend an Lolita ist gerade diese Perspektivierung, die erst spät im Roman und nur gelegentlich eingestreut Lolitas Sicht wiederspiegelt, die eben nur sehr bedingt als Verführerin, in jedem Fall aber als Kind und Opfer von Vergewaltigung und jahrelanger Entführung gesehen werden muß, wie auch immer der Ich-Erzähler sich das schönredet. Eine ziemlich eklige Psyche also, auf die man sich hier einläßt, dabei glänzend erzählt, auch stark assoziativ und weniger pornographisch, als ich erwartet hätte (natürlich entsprach der Skandal darum auch den USA der 50er...)