Vor gut 2 Wochen wurden endlich die langersehnten Ergebnisse veröffentlicht.
Ergebnis in ganz kurz: Vorgängermessungen innerhalb der Fehlergrenzen bestätigt, wahrscheinlichste Parameterwerte merklich, aber nicht radikal verschoben, einige suspekte Anomalien bestätigt, andere nicht, nichts wirklich Neues gefunden, Inflationsszenarien eingeschränkt, aber erwartungsgemäß keine definitive Vorauswahl.
Ergebnis in etwas länger:
In den meisten Presseberichten war die Rede davon, das Universum sei nun deutlich älter, der Materieanteil deutlich höher usw., als man bisher dachte. Tatsächlich waren die Angaben von COBE, WMAP und andere Vorgängermessungen (u.a. bodenbasierte Teleskope, die in den letzten Monaten schöne kleinskalige Ergänzungen zu WMAP veröffentlicht hatten) natürlich mit Fehlerbalken versehen und großenteils hat Planck die Werte nur innerhalb dieser erwarteten Ungenauigkeiten verbessert. Zudem muss man beachten, dass die CMB-Messung allein nicht die letzte Weisheit ist, sondern die derzeit besten Werte stets aus der Kombination mit anderen Messverfahren (u.a. "Baryonic Acoustic Oscillations", Gravitationslinseneffekt, Supernovae-Entfernungen, also alles Messungen der Materieverteilung und/oder Expansion im jüngeren Universum) abgeleitet werden, da so Unsicherheiten und systematische Probleme gesenkt werden können. Interessant ist hierbei vor allem, dass der von Planck gesenkte Hubble-Konstanten-Wert deutlich stärker von den anderen Methoden abweicht als der alte WMAP-Wert - aber diese Messungen haben notorische systematische Probleme, insbesondere die über Supernovae, und eine "Aussöhnung" ist nicht gerade unwahrscheinlich.
Die Bedeutung der geänderten Parameter (wie gesagt: größeres Alter, langsamere Expansion, mehr (dunkle+baryonische) Materie) ist letztlich qualitativ zu vernachlässigen, quantitativ auch geringer als damals bei WMAP. Im Wesentlichen wurde das Standardmodell wieder beeindruckend bestätigt und die Hinzunahme beliebiger Parameter bekannter Erweiterungs- oder Alternativmodelle verbessert in keinem Fall das Modell.
Die Messungen sind dabei auch erstmals genau genug, um halbwegs qualifizierte Aussagen über die Inflationsepoche zu machen, und es sieht so aus, als ob Planck die konservativst-langweiligsten Modelle ("single-field slow-roll with minimal non-Gaussianity") bevorzugt, also Hoffnungen auf ein deutliches Zeichen für "neue Physik" sich mal wieder zerschlagen haben, genau wie am LHC. Tja, muss man halt noch genauer suchen...
Sehr interessant wird es dann bei den "Anomalien". Die WMAP-Daten zeigten einige Absonderlichkeiten, etwa zu niedrige Fluktuationsstärken auf sehr großen Skalen, eine auffällig große relativ kalte Region ("cold spot") und eine leichte räumliche Asymmetrie. All diese Sachen können vier Gründe haben:
1) statistischer Fehler, die Daten waren nicht gut genug und gaukeln das nur vor
2) systematische Fehler, also falsche Datenauswertung, u.a. durch übersehene Vordergrundquellen oder numerische Probleme
3) neue Physik, die Effekte sind real und brauchen eine Erklärung
4) statistischer Nicht-Fehler - unser Universum stammt aus Quantenfluktuationen, seine Parameter und räumliche Verteilung sind also Zufall, und jeder Zufallsprozess kann Ausreißer produzieren - die Anomalien könnten also real sein, aber keine tiefere Bedeutung haben, in einem anderen Universum (bzw. ein paar 100 Glyr weiter) sähen sie ganz anders aus.
Für die niedrige-Multipol-Anomalie war schon bei WMAP klar, dass 1) auszuschließen ist, nun ist es das bei Planck für die meisten relevanten Anomalien. 2) wird auch weitgehend ausgeschlossen, da in den letzten Jahren viele Verbesserungsvorschläge gemacht wurden, die letztlich nichts an den Anomalien änderten. Nun tobt quasi der Krieg zwischen 3) und 4), wobei Anhänger von 3) weitgehend unsinnige Abschätzungen à la "es besteht nur eine 1:1000-Chance für so eine Anomalie" ins Feld führen, Anhänger von 4) aber antworten "wenn ihr
alle denkbaren Anomalien berücksichtigt, kommt eine Gesamtwahrscheinlichkeit von 1 heraus". Ich selbst tendiere stark zu 4. Die Anomalien
könnten von neuer Physik stammen, aber es ist erkenntnistheoretisch unmöglich, das aus ihrer reinen Anomalität zu folgern. Dafür braucht man andere Daten und tatsächliche Abweichungen vom Standardmodell über ganze Datensätze.
Ergebnis in lang:
ESA-Zusammenfassung
Ergebnis in ganz lang:
30 Fachartikel, auf einen Schlag online gestellt (Wenn überhaupt für Laien interessant: I und XVI)