Sarrazin und Berlin

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Ipsissimus
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Do 2. Sep 2010, 11:50 - Beitrag #61

... denn Integration ist die vollständige assimilation des Zugewanderten ... immer nur schubweise in kleinen Gruppen zu ermöglichen, damit wäre der Druck auf diese Menschen wesentlich größer sich zu integrieren
damit ist Integration im Prinzip als Farce entlarvt. "Assimilation" ist zweifelsohne das angemessenere Wort, "Mimikry" fiele auch noch ein, oder am deutlichsten vielleicht "Unterwerfung". Wir haben die Herren-Mentalität offenbar immer noch im Blut

Lykurg
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Do 2. Sep 2010, 12:16 - Beitrag #62

Das trifft genau das, was ich als [Willens-]Brechung beschrieb. Damit handelt es sich dann tatsächlich um Menschen zweiter Klasse, denen eine bestimmte Weltsicht aufgezwungen wurde. Diese Form der Unterwerfung wird sich allerdings böse rächen, wenn später bzw. in der nachfolgenden Generation die daraus zu erwartenden Traumata aufbrechen. Ich fürchte, selbst mit verpflichtenden Volksliedersingkreisen läßt sich das nicht dauerhaft kanalisieren. ;) (Anders gefragt, in was für eine Kultur und Gesellschaft soll überhaupt integriert werden?)

Man könnte sich durchaus auch fragen, inwieweit die französischen Verhältnisse Folge eines derartig selektiven Verhaltens sind: Wer sich assimiliert, wird in die Gesellschaft aufgenommen, wer seine Identität behalten will, muß draußenbleiben. Da bleibt dann nicht viel Spielraum für den Menschen - es sei denn, man begnügt sich mit Lippenbekenntnissen.

BEN2506
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Do 2. Sep 2010, 13:31 - Beitrag #63

Unterwerfen klingt völlig überzogen, es geht darum Sie zu einem gleichwertigen Bestandteil dieser Gesellschaft und Kultur zu machen.

Ich bin kein Geisteswissenschaftler, welche Traumata sollen in einem Menschen späterer Generation, der perfekt integriert ist und mit beiden Beinen im Leben steht, hervorbrechen? Warum sollte er sich plötzlich auf eine barbarische Kultur berufen, von denen sich seine Eltern Anno dazumal abgewendet haben? Dagegen seine Wurzeln zu kennen spricht auch nichts.

Man muss weder für alles offen sein, noch muss man alles mögen oder gutheißen. Aber genau das wird den Menschen hier weißgemacht. Jeder hat diesem Diktat zu folgen. Anscheind geht die Denkweise vieler Menschen aber doch in eine andere Richtung. Deshalb ist es gut das Sarrazin den Mund aufmacht. Er sollte noch viel mehr seiner Thesen preisgeben, denn er bricht damit eine Lanze und senkt hoffentlich die Hemmschwelle der Menschen ihre wirkliche Meinung zu vertreten.

Lykurg
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Do 2. Sep 2010, 14:34 - Beitrag #64

Unterwerfen klingt völlig überzogen, es geht darum Sie zu einem gleichwertigen Bestandteil dieser Gesellschaft und Kultur zu machen.
Die kulturelle "Übermacht", ein Begriff, den du immerhin in zwei Beiträgen herangezogen hast, klingt schon ziemlich nach einer Kapitulation des weniger Mächtigen vor dem Stärkeren. Ich hatte deine Begriffsverwendung bisher ganz selbstverständlich als quantitativ aufgefaßt - imitatorische Eingliederung in eine mehrheitlich westlich geprägte Gesellschaft. Insbesondere deine Bemerkung zur "barbarischen Kultur" legt nun aber nahe, daß du dabei qualitative Kategorien im Auge hattest. Demzufolge schwebte dir also keine Unterwerfung, sondern eine Missionierung vor? Historisch gesehen sind allerdings gerade die Missionierungen, die auf einer angenommenen kulturellen Höherwertigkeit aufbauten, tatsächlich Unterwerfungen gewesen. Ich stehe dementsprechend diesem Ansatz sehr skeptisch gegenüber. Es dürfte ziemlich schwierig sein, dem Einwanderungswilligen zu vermitteln, er entstamme einer niederen und barbarischen Kultur, die er ablegen müsse, um reif und würdig zu sein, ein anerkannter Teil der Gesellschaft zu werden.

Zugegebenermaßen gibt es tatsächlich bei einigen Zuwanderern Traditionen und Rechtsvorstellungen, die wir nur als barbarisch bezeichnen können - insbesondere was die Vorstellungen zur Rolle der Frau und zur Heirat betrifft. Hier muß natürlich auf die Einhaltung der geltenden Gesetze geachtet werden, aber darüber hinaus ist es schwierig, Vorschriften zu machen - und auch Verdikte wie 'barbarisch' helfen dann wenig.
welche Traumata sollen in einem Menschen späterer Generation, der perfekt integriert ist und mit beiden Beinen im Leben steht, hervorbrechen? Warum sollte er sich plötzlich auf eine barbarische Kultur berufen, von denen sich seine Eltern Anno dazumal abgewendet haben?
Naheliegend finde ich etwa die Vorstellung, daß ein eigentlich vollständig angepaßter Migrant der zweiten oder dritten Generation irgendwann die Tatsache, daß er wegen seines Aussehens und seines Namens ausgegrenzt, in der Schule abgestempelt, bei der Bewerbung übergangen, bei einer 'interkulturellen' Partnerwahl schief angeguckt bzw. auf 'seinesgleichen' verwiesen wird, nicht mehr akzeptieren möchte. Irgendwann, wenn in der Kneipe, auf dem Dorf, am Bahnhof, in einer Behörde oder sonstwo jemand eine blöde Bemerkung macht, reicht es ihm. Dann stellt er sich die Frage, was er da eigentlich angenommen hat (bzw. seine Eltern für ihn), was es ihn gekostet hat und wie man es ihm dankt. Er ist nicht glücklich darüber - und ich habe Verständnis dafür.

Man muss weder für alles offen sein, noch muss man alles mögen oder gutheißen. Aber genau das wird den Menschen hier weißgemacht.
Nein! Es gibt klare gesetzliche Grenzen, und es gibt - unvermeidlich - persönliche Vorlieben. Allerdings kann man verlangen, daß auch die deutschstämmigen Bürger dieses Landes das Grundgesetz achten, das eine Benachteiligung aufgrund von Abstammung, Religion etc. ausschließt.
Deshalb ist es gut das Sarrazin den Mund aufmacht. Er sollte noch viel mehr seiner Thesen preisgeben, denn er bricht damit eine Lanze und senkt hoffentlich die Hemmschwelle der Menschen ihre wirkliche Meinung zu vertreten.
Ja und nein. Wie gesagt bin ich der Ansicht, daß er damit viel Schaden anrichtet. Allerdings ist es sicherlich nützlich, über diese Fragen in der Öffentlichkeit zu diskutieren, wenn Positionen wie die von ihm vertretenen etwa zur Verbindung von 'Rasse' und Intelligenz immer noch (bzw. wieder) solche Anhängerschaft finden. Schlimm ist allerdings, wenn er auch die Hemmschwelle der Leute senkt, draufloszuschlagen. Unter denen, die seine Thesen bejubeln, sind nun einmal - das läßt sich schlecht leugnen - auch diejenigen, die eher zur Gewalt als zum Vertreten einer Meinung neigen. Sehr viel besser fände ich deswegen, wenn jemand einige seiner Positionen so formulieren würde, daß sie damit nicht in den Ruch von Hetzerei geraten.

Necla Kelec zum Beispiel hat in ihren Büchern sehr kluge und überaus kritische Feststellungen zur gescheiterten Integration gemacht, die wirklich helfen könnten, über diese Fragen neu nachzudenken und anders auf die Betroffenen zuzugehen. Auch sie ist nicht unumstritten, und daraus eine Lehre zu ziehen und zu vermitteln, ist schwer genug. Was Sarrazin allerdings auf diesem Gebiet anzurichten scheint, ist Brunnenvergiftung.

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Do 2. Sep 2010, 15:38 - Beitrag #65

Ich meine damit beides, natürlich bilde ich mir auch ein Urteil über die "Qualität" dieser Kulturen, ich tue das mit der eigenen Kultur als Grundlage dazu. Es geht auch nicht um Missionierung, das würde ja bedeuten das wir sie "überzeugen" müssen/sollen/wollen. Diesen Schritt müssen Sie aber selber tun. Dazu ist es aber notwendig das wir zu unserer eigenen Kultur und Gesellschaftsform stehen und nicht jedem Mist hinterher laufen der gerade politisch korrekt oder chic ist.

Ich habe u.a. an genau die Punkte gedacht die du jetzt genannt hast und die offenbar fest mit diesen Kulturen verbunden sind. Sie sind zudem hochgradig menschenverachtend, barbarisch. Welches Interesse sollte ich haben Teile dieser Kultur zu importieren?

Naheliegend finde ich etwa die Vorstellung, daß ein eigentlich vollständig angepaßter Migrant der zweiten oder dritten Generation irgendwann die Tatsache, daß er wegen seines Aussehens und seines Namens ausgegrenzt, in der Schule abgestempelt, bei der Bewerbung übergangen, bei einer 'interkulturellen' Partnerwahl schief angeguckt bzw. auf 'seinesgleichen' verwiesen wird, nicht mehr akzeptieren möchte. Irgendwann, wenn in der Kneipe, auf dem Dorf, am Bahnhof, in einer Behörde oder sonstwo jemand eine blöde Bemerkung macht, reicht es ihm. Dann stellt er sich die Frage, was er da eigentlich angenommen hat (bzw. seine Eltern für ihn), was es ihn gekostet hat und wie man es ihm dankt. Er ist nicht glücklich darüber - und ich habe Verständnis dafür.


Man sollte Menschen nicht nach ihrem Aussehen beurteilen, dass ist wohl auch jedem klar der ein bischen Grips in der Birne hat. Was den Namen angeht, das ist eine vermeidbarer Punkt, als Zeichen der eigenen Bereitschaft sich zu integrieren sehe ich durchaus auch die Möglichkeit den Namen für das eigene Kind zu überdenken. Mir ist das mal bei deutschen Auswanderern in den USA aufgefallen, da scheinen doch viele drunter zu sein die ihren Kindern keinen deutschen, sondern einen englischen Namen gaben. Warum auch nicht?

Nein! Es gibt klare gesetzliche Grenzen, und es gibt - unvermeidlich - persönliche Vorlieben. Allerdings kann man verlangen, daß auch die deutschstämmigen Bürger dieses Landes das Grundgesetz achten, das eine Benachteiligung aufgrund von Abstammung, Religion etc. ausschließt.


Doch! Ich würde keinen Menschen aufgrund seiner Herkunft, Hautfarbe, seines Aussehens oder sonstigem verurteilen. Ich nehms mir aber heraus Menschen aufgrund ihres Handelns zu diskriminieren. Zumindest in Deutschland haben wir keinen Zwang irgendeiner Religion anzugehören und wir müssen auch keine Strafe fürchten, ergo entscheide ich mich aus freien Stücken dafür, das ist Teil meines Handelns. Religion ist nicht per se schützenswert, vielleicht sollte man sich auch Gedanken machen wann man einem Glauben diesen Status zusichert. Sehe ich eine Gefahr für mich, versuche ich den anderen zu behindern.

Ja und nein. Wie gesagt bin ich der Ansicht, daß er damit viel Schaden anrichtet. Allerdings ist es sicherlich nützlich, über diese Fragen in der Öffentlichkeit zu diskutieren, wenn Positionen wie die von ihm vertretenen etwa zur Verbindung von 'Rasse' und Intelligenz immer noch (bzw. wieder) solche Anhängerschaft finden. Schlimm ist allerdings, wenn er auch die Hemmschwelle der Leute senkt, draufloszuschlagen. Unter denen, die seine Thesen bejubeln, sind nun einmal - das läßt sich schlecht leugnen - auch diejenigen, die eher zur Gewalt als zum Vertreten einer Meinung neigen. Sehr viel besser fände ich deswegen, wenn jemand einige seiner Positionen so formulieren würde, daß sie damit nicht in den Ruch von Hetzerei geraten.


Du hast Recht, er ist mit Sicherheit vielen Menschen auf die Füße getreten, auch denen die es nicht verdient haben. Aber ich halte es für wichtiger dem Rest die Augen zu öffnen und ihnen den Mut zu ihrer eigenen Meinung zu geben. Wenn sie erstmal merken das sie Rückhalt haben und eigentlich nicht alleine darstehen, dann kann beginnen einen Ausweg zu finden. Alles andere ist nur Kasperletheater.

Das irgendwelche schwarzen Schafe da nun ihre Chance sehen ist wohl nicht zu vermeiden, aber auch die wird man hoffentlich zur Rechenschaft ziehen. Das Sarrazin der NPD in die Hände spielen könnte, darum mache ich mir weniger Sorgen. Das ist doch mehr das staatlich organisierte und überwachte Sammelbecken für alle rechten Strömungen.

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Do 2. Sep 2010, 16:55 - Beitrag #66

Unterwerfen klingt völlig überzogen, es geht darum Sie zu einem gleichwertigen Bestandteil dieser Gesellschaft und Kultur zu machen.


vom Projekt "multi-kulti" ist offenbar schon lange nicht mehr die Rede^^ an unserem Wesen darf wieder mal die Welt genesen, zumindest wenn sie bei uns einkehrt. Neu ist die Technik ja nicht, unter großzügigem Übergehen aller eigenen wunden Punkte auf die der anderen zu zeigen und damit die Verweigerung der Gleichwertigkeit zu begründen. Fassen Teile unserer Gesellschaft die europäische Kultur übrigens nicht als auf dem Kristentum basierend auf? Wie war das nochmal mit Balken und Splitter? Ach, was soll´s. Wir sind die Guten.

Was den Namen angeht, das ist eine vermeidbarer Punkt, als Zeichen der eigenen Bereitschaft sich zu integrieren sehe ich durchaus auch die Möglichkeit den Namen für das eigene Kind zu überdenken.


und du meinst, "Peter Atatürk" wird unsere Enkel sofort "geborener Deutscher" denken und fühlen lassen? Oder plädierst du dafür, gleich richtig Nägel mit Köpfen zu machen und alle Zusiedler dazu zu zwingen, sofort stammtisch-afine deutsche Familiennamen anzunehmen?

Aber ich halte es für wichtiger dem Rest die Augen zu öffnen und ihnen den Mut zu ihrer eigenen Meinung zu geben.


das hat in Deutschland eine gewisse Tradition

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Do 2. Sep 2010, 17:16 - Beitrag #67

Das Projekt geht offenbar gerade gewaltig in die Hose. Höchste Zeit was zu tun. Wie kommst du auf Verweigerung der Gleichwertigkeit? Menschen an sich sind Gleichwertig, das hat nichts mit Ablehnung einer fremden Kultur zu tun.

und du meinst, "Peter Atatürk" wird unsere Enkel sofort "geborener Deutscher" denken und fühlen lassen? Oder plädierst du dafür, gleich richtig Nägel mit Köpfen zu machen und alle Zusiedler dazu zu zwingen, sofort stammtisch-afine deutsche Familiennamen anzunehmen?


Eltern die ihren Kindern in diesen Gefilden den Vornamen Djihad geben wird man jedenfalls beste Bereitschaft zur Integration attestieren können. Nur beste Vorsätze!

das hat in Deutschland eine gewisse Tradition


Hast Recht, die Deutschen haben damals ihr Recht auf eine eigene Meinung verspielt. Deshalb gibts hier auch sowas wie Volksabstimmungen nicht, man trauts den Menschen nicht zu, da steckt ja was in unseren Genen.

Maglor
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Do 2. Sep 2010, 21:45 - Beitrag #68

Ich glaube kaum, dass eine freiheitliche Gesellschaft eine "vollständige" Assimilation verlangen kann. Jeder kann hier machen, was er will, so lang er die Gesetze einhält.
Im Grunde leben wir nämlich in einem freien Land.
Eingliederung ist keine Fragen der zahlenmäßigen Überlegenheit. Es gab Zeiten in Berlin, da war jeder vierte Einwohner eine frankophoner Hugenotte, und überhaupt das alte Preußen strotze noch vor 200 Jahren vor nicht deutschen Elementen aller Art.
Was die Größe der Einwanderergruppen, so sind selbst die größte Fraktion der Türken und ihrer Nachfahren gering. Laut Wikipedia gibt es in Deutschland 3 Millionen Türken und Deutsch-Türken. Entspricht ungefähr 3,7 % der Gesamtbevölkerung.
Hinzuzufügen ist, dass die türkische Gruppe in sich nicht homogen ist, weder religiös noch ethnisch. So tauchen türkische Kurden aus in den Türken-Statistik aus, obwohl sie vielleicht eine ganz andere Sprache sprechen und mit ihren Landsleuten nicht gerade fraternisieren. Ebenso tauchen araämische Christen aus der Türkei in Sarrazin Muselmannen-Statistik auf, weil der Einfachheit halber alle Türken statistisch Moslems sind.
Die Wahrnehmung solcher Unterschiede ist für Außenstehende nicht immer möglich. Man sieht mediterrane Typen, die vielleicht eine fremde Sprache sprechen oder einen Akzent. (So werden die Aramäer nicht von hier, als Italiener wahrgenommen, weil sie eine Pizzeria betreiben.)
Von einer Verschwemmung der deutsche Mehrheitsbevölkerung durch eine einheitliche Zuwanderergruppe kann nicht die Rede sein, im Unterschied etwa zu den USA. Das Land erlebt seit Jahrzehnten eine durchweg spanisch-sprachige Einwanderung aus Süd- und Mittelamerika, die in einzelnen Gebieten mittlerweile die Mehrheitsbevölkerung darstellen.
Eine Abschaffung Deutschlands liegt also noch fern. Hinzu kommt, dass die stete Vermehrung sogenannter "Menschen mit Migrationshintergrund" durch Integration und Vermischung begünstigt wird. Setzen ein Deutsche und eine Ausländerin (oder umgekehrt) Kinder die Welt, so gelten diese selbstverständlich als solche mit Migrationshintergrund. Das fatale an "Deutschland schafft sich ab", ist nicht, dass sich die Ausländer wie Kaninchen vermehren, sondern anders als die deutsche Mehrheit im Rahmen des Artserhalts angemessene Geburtenrate haben.

Was eine islamistische Parallelgesellschaft mit "fließendem Übergang zum Terrorisms" betrifft, um mal eine Sarrzin'sche Vokabel zu nutzen, so ist eben diese, in ihrer radikalen und gefährlichen Form, nicht mehr an bestimmtes Ghetto gebunden. Viel mehr ist es so, dass in dieser Parallelgesellschaft die Herkunftsländer keine besondere Rolle.
Sprich sie ist weder ethnisch noch national homogen, im Gegenteil. Es finden sich dort die unterschiedlichsten Ethnien Araber, Türken, Jugoslawen... und auch den deutschesten Deutschen. Dazu gab es schon mal früher in der Matrix was.
Es handelt sich um eine religiöse und politische Neigungsgruppe, besser Sekte.
Die Lingua Franca ist Deutsch, da die Arabisch-Kenntnisse der Islamisten meist mangelhaft sind.

Ach ja: Die Kernthese Sarrazins ist, dass Türken, Araber bzw. Muslime an sich von Natur aus minderwertig sind und sich in Deutschland unkontrolliert vermehren... Das ganze verpackt auf eine pseudowissentschaftliche Weise, wobei für die vorher feststehende Meinung wahllos Argumente zusammengesucht werden.
Es ist gar nicht mal der Ton, der hier die Musik macht, sondern seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Es geht hier nicht um Ausländerfeindlichkeit an sich, sondern um eine spezielle Islamophobie.

Milena
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Fr 3. Sep 2010, 20:21 - Beitrag #69

Es geht hier nicht um Ausländerfeindlichkeit an sich, sondern um eine spezielle Islamophobie.


das vermag ich nicht wirklich zu glauben, und ich spreche wohl hier als einzige migrantin, ausländerin, integrierte oder auch weniger integrierte hier wieder einmal...^^
ich kam in den 60er jahren hierher. wurde nicht gefragt und auch nicht wieder zurückgebracht. ich trug einen schwer auszusprechenden namen, auch der hat sich bis heute nicht verändert. ich versuchte so gut es ging mich einzugliedern, mich dazugehörig zu fühlen, aber irgendwie stand ich mir selbst im weg. oder war es die sehnsucht nach heimat, nach zugehörigkeit? keiner ausser mir selbst vermochte dies in all den vielen jahren hier zu verstehen.
bereits als kind fiel mir eine ausgesondertheit auf. war es der name? war es die frage, ob es an meiner herkunft liegt, dass ich so schnell und tiefbraun werde?
klingt kindisch, aber als kind hatte ich mir viele fragen dieser art gestellt.
war es die schuld meiner mutter, dass wir über jahrzehnte hinweg in armut lebten? warum überhaupt hat sie mich in das deutsche land geschleppt?
von welcher bereicherung ist hier die rede.
ich wurde älter und die sehnsucht nach meiner heimat nicht geringer.
im gegenteil.
aber wie kann ich wieder zurück? ein niemand hat mich meine sprache gelehrt, ein niemand den weg zurück gezeigt.
eine frage, die mich immer wieder beschleicht, ist die, ob es in anderen ländern ebenso zugeht, mit dem überdruss dieser andersartigkeit, diesen ausländern, diesen fremden, diesen heimatlosen.
in jedem ausländischen gesicht stellt sich mir die frage:
warum nur, warum konntest du nicht da bleiben, wohin du eigentlich gehörst? oder auch:
warum nur gehst du nicht zurück, zurück zu deinen anderen fremdklingenden namen, zu deiner fremden sprache, zu deinem fremden land.
vielleicht erlebe ich es noch, dass eine kleine hilfe, eine allerletzte unterstützung den ausländischen menschen hier in diesem lande zuteil wird, um für immer in ihr eigenes fremdes land zu gehen.

Scuba
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Fr 3. Sep 2010, 21:24 - Beitrag #70

Zitat von BEN2506:Hast Recht, die Deutschen haben damals ihr Recht auf eine eigene Meinung verspielt. Deshalb gibts hier auch sowas wie Volksabstimmungen nicht, man trauts den Menschen nicht zu, da steckt ja was in unseren Genen.


Unsinn! - Glaub doch nicht alles, was ständig vorgegeben und von viele zu vielen "Wohlmeinenden" unkritisch nachgekaut wird.

Weder im 30jährigen Krieg hetzten die katholische Bevölkerung gegen die Reformation, noch hatten einfache Leute etwas gegen ihre jüdische Nachbarn in der Weimarer Republik. Es waren stets die Eliten, die das Volk verraten und geteilt haben um es gegeneinander auszuspielen (und jetzt wieder tun)

Sarrazin ist in diesem Spiel nichts anderes als eine 'Sockenpuppe'. Google einfach mal ein bischen rum und frage Dich warum Sarrazin ausgerechnet bei dem Verlag veröffentlicht, in dem er veröffentlicht.

Und dann schau Dir anschließen das mal an:
http://www.youtube.com/watch?v=blCn1sl95iY
bzw. das:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bertelsmann_Stiftung
(Aber möglicherweise ist das ja nur alles wieder eine der üblichen "Verschwörungstheorien"^^)

Es ist unglaublich wie hier 'von allen Seiten' gelogen und mit Ängsten gespielt wird; - und machtvoll demonstriert wird, was man in diesem Land für eine Meinung zu haben hat oder nicht. Eine gute Methode Sachaussagen nicht überprüfen zu müssen. Ist ja auch viel bequemer und man kann von den wirklich wichtigen Themen gut ablenken, bei dem eine 'eigene Meinung' von Individuen nur hinterlich wäre. (ich denke da u.a. an unser Wirtschafts und Geldsystem und die Machenschaften der E(U)liten diesbezüglich)

Grüße

Ipsissimus
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Sa 4. Sep 2010, 11:13 - Beitrag #71

Milena, nach wie vor bin ich der Ansicht, dass du einem Traumbild nachjagst, dass das Jugoslawien deiner Träume, das Jugoslawien deines Urlaubs - wenn es denn je existierte - nur in der Vergangenheit existierte und dass du mit dem heutigen Serbien nichts mehr zu tun hast. Wo auch immer sich deine Sehnsucht nach Heimat erfüllen mag - falls sich eine derartige Sehnsucht überhaupt erfüllen lässt, wenn mensch sich über 30 Jahre lang weigert, irgendwo anzukommen - dort wird es nicht sein.

Maglor
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Sa 4. Sep 2010, 14:01 - Beitrag #72

Scubas Hinweis auf die Bertelsmanns Stiftung ist interessant.
Das ganze ergibt auch noch mehr Sinn, beachtet man frühere Äußerungen, ohne islamophobe Stoßrichtung.
So etwa seine Empfehlung an Hartz-IV-Empfänger sie könnten viel Geld sparen, wenn sie mit kaltem statt mit warmen Wasser duschen würden. Und überhaupt: 4,25 € genügen als Tagessatz. Oder 5 € Stundenlohn sei völlig ausreichend.
Im Gegensatz (oder in Übereinstimmung) dazu stehen natürlich Bemerkungen, dass Spitzen-Manager in Deutschland zu wenig verdienen, er selbst inbegriffen.
Um so fraglicher wird die ganze Sache, wenn ein Vorstandsmitglied der Bundesbank in Zeiten einer Wirtschafts- und Bankenkrise (2009) Türken und Arabern keine wirtschaftliche Funktion außer dem "Gemüsehandel" zu haben. Als wäre es nicht gerade diese Bevölkerungsgruppe, die besondere Bereitschaft zeigt für Dumpinglöhne für den Großteil der Autochtonen unangenehm gewordene Arbeiten zu verrichten. Als wären sie für einen wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich und nicht die das Spiel der Banken und Aktien, in dem eine kleine, "elitäre" Gruppe die Gewinne abschröpft.

@Milena
Wenn das so ist, fühle dich ruhig diskriminiert, immerhin hat Sarrazin auch für deine Heimat einen Spruch übrig.
Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate.

Besonders pikant wird diese merkwürdige Analogie, wenn man sie weiterspinnt, mit Hinblick auf den Kosovo-Konflikt: Deutschland spielt die Rollen Serbiens und die Türken die der Kosovaren. Separatismus, Terrorismus, Krieg, Flucht, Vertreibung und am Ende die Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien. Wirklich, ein Szenario.

Nun wird also von oberster Stelle (Bundespräsident) an Sarrazins Stuhl im Bundesbank-Vorstand gesägt.
Das bedauerliche daran ist, dass sich so die Debatte endgültig dahingehend verlagert, ob solche Äußerungen erlaubt oder sinnvoll seien, die Fragen ob Sarrazin nämlich die Tatsachen verfälscht, gezielt und einseitig verzerrt und überzogen darstellt, gerät in den Hintergrund. Spätestens nach seiner Absetzung wird er in der Opferrolle stehen und die Rolle dessen spiele, der für seine eigene Meinung bestraft wurde. Schlimmer noch, wenn er dagegen erfolgreich klagen würde. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass rassistische Einstellungen seiner Arbeit in der Bundesbank tatsächlich im Wege stehen.
Es handelt sich um eine durchweg politische Entscheidung. Sarrazins Eignung als Bundesbank-Vorstand spielt eigentlich keine Rolle mehr. Man hat den einfacheren Weg gewählt, ihn zu bestrafen, anstatt den mühevollen ihn zu wiederlegen. Stattdessen bleibt die gefährliche Vorstellung, Sarrazin würde für seinen Mut zur "Wahrheit" bestraft.

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Sa 4. Sep 2010, 14:59 - Beitrag #73

Deine Bedenken sehe ich ganz klar ebenfalls. Die Gefahr, einen Märtyrer zu erzeugen, ist klar gegeben, auch das Schnellverfahren (Wulff signalisierte sein Einverständnis, noch bevor überhaupt der Bundesbankvorstand sich getroffen hatte) ist nicht ganz ohne.

Die arbeitsrechtliche Entscheidung hängt meines Erachtens davon ab, inwieweit das Gericht davon überzeugt werden könnte, daß ein guter öffentlicher Ruf (insbesondere auch im Ausland) entscheidendes 'Arbeitswerkzeug' eines Vorstandsmitglieds ist. In diesem Sinne wäre er dann nicht mehr imstande dazu, sein Amt auszuführen, nämlich die Bundesbank zu repräsentieren.

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Mo 6. Sep 2010, 14:37 - Beitrag #74

Weder im 30jährigen Krieg hetzten die katholische Bevölkerung gegen die Reformation, noch hatten einfache Leute etwas gegen ihre jüdische Nachbarn in der Weimarer Republik. Es waren stets die Eliten, die das Volk verraten und geteilt haben um es gegeneinander auszuspielen (und jetzt wieder tun)


Dämonisierung ist sicher ein wichtiges Werkzeug im Arsenal politischer Führung; ob sich Dämonisierung aber gegen die aufgeklärte Liebenswürdigkeit breiter Bevölkerungsschichten durchsetzen könnte, darf als fraglich gelten. Eher scheint es mir plausibel, dass eine Standardbevölkerung auch eine Standardverteilung hinsichtlich des Grads an Dumpfheit der Grundlagen ihrer Meinungsbildung aufweist.

Und ja, die Eliten verraten die Nichteliten und spielen sie gegenseitig aus; dafür verwenden sie aber in der Bevölkerung vorhandene Stimmungen, auch wenn sie die erst langwierig aufbauen mussten. Das Bild von der ach so unschuldigen aber sich leider aufhetzen lassenden Bevölkerung kann ich jedenfalls nicht teilen.

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Mo 6. Sep 2010, 14:44 - Beitrag #75

Habe glatt vergessen, mich dazu zu äußern, obwohl mir das auch sehr aufgefallen war - die Fälle, in denen einfache Leute ihre jüdischen Nachbarn verrieten oder in irgendeiner Form mißhandelten, sobald es quasi straffrei war, dürften Legion sein. Wer glaubt, die Boykotte, Pogrome etc. seien ausschließlich von Eliten initiiert und durchgeführt worden, ignoriert das gesamtgesellschaftliche Gewaltpotential und den damaligen Antisemitismus, die in der Unterschicht ganz bestimmt nicht geringer sind und waren als anderswo.

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Di 7. Sep 2010, 11:11 - Beitrag #76

dazu gibt es ja auch genügend Untersuchungen. Antijudaismus war im Mittelalter seit der Spätantike eines der konstituierenden Elemente der Volksfrömmigkeit und bestimmte wesentlich mit, wie christliche Gesellschaften mit jüdischen Minderheiten umgingen. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts verstärkte sich die antijudaistische Tendenz und verfestigte sich als permanente Haltung der Christen gegenüber den Juden. Insbesondere in den Städten, wo sich ein vorindustrielles Proletariat bildete, begannen die unteren Schichten, Juden als Verbündete der herrschenden Patrizier-Schichten zu sehen.

Und ein paar Geschichten, die mir frühere Bekannte aus ihrer Kindheit im dritten Reich erzählt haben, zeigen mir neben unzähligen Untersuchungen zum Thema auch, dass es mit der Freundlichkeit und Loyalität der mittleren und unteren Bevölkerungsschichten gegenüber den jüdischen Bürgern nicht wirklich zum Besten stand, Ausnahmen selbstverständlich.

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Mi 8. Sep 2010, 00:30 - Beitrag #77

Zitat von Lykurg:Habe glatt vergessen, mich dazu zu äußern, obwohl mir das auch sehr aufgefallen war - die Fälle, in denen einfache Leute ihre jüdischen Nachbarn verrieten oder in irgendeiner Form mißhandelten, sobald es quasi straffrei war, dürften Legion sein. Wer glaubt, die Boykotte, Pogrome etc. seien ausschließlich von Eliten initiiert und durchgeführt worden, ignoriert das gesamtgesellschaftliche Gewaltpotential und den damaligen Antisemitismus, die in der Unterschicht ganz bestimmt nicht geringer sind und waren als anderswo.


Das sind die (üblichen) infamen Unterstellung um die Bewegungen für 'direkte Demokratie' und Mitbestimmung zu diskreditieren.

Du meist also Antisemtismus wurde 'nicht von rechten, linken, religiösen Ideologen initiert', sondern 'weitervererbt'? :rolleyes:

Du argumentierst natürlich - wieder mal völlig politisch korrekt - auf dem Weg in den Faschismus. Einzelne Verbrecher begründen einen Generalverdacht, der autoritäre Handlungen erfordert... Das kennt man ja (mir wird speiübel - und der Grund warum die Bertelsmannkampagne erfolgreich sein wird, wird immer deutlicher)

Vorgeblich liest Du ja viel. Ich empfehle Dir mal das Buch von R. Dawkins "Der Gotteswahn". Dawkins belegt ganz klar, dass das Christentum, der Islam, etc. nicht deshalb "Religionen der Liebe" sind, weil so viele liebevolle Regeln und Gesetze in der Bibel oder im Koran aufgestellt sind, - sondern weil die 'einfachen Menschen', trotz der vielen Aufrufe zu Blutrache und Völkermord in diesen Büchern, - in freier Selbstbestimmung - entschieden haben, dies zu ignorieren und lieber 'ihren (eigenen) Vorstellungen' von einer friedliebenden Religion folgten, als den 'politisch, (bzw. religiös) korrekten Gesetzen' (und den Zuchtmeistern der "political correctness", die vorgeblich "unser Bestes" wollen)

Du fabulierst vom "Gesamtgesellschaftlichen Gewaltpotential" im Zusammenhang mit Antisemitismus. Erwähnst aber mit keiner Silbe was die 'Ursache' für den Antisemitismus war (und ist). Worin liegt er begründet?

(@Ipsisissimus: "Religion" als Begründung greift zu kurz, da "die Verfolgung der Gottesmörder" nur von Demagogen (also auch hier: Eliten) und ihrer "korrekten Helfershelfer" inszeniert worden sein kann, da jeder Mensch in der Bibel nachlesen kann, das Jesus selbst auch Jude war) Zudem gibt es eine lange Geschichte des "linken (atheistischen) Antisemitismus - der aktueller denn je ist)

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Mi 8. Sep 2010, 01:05 - Beitrag #78

Das sind die (üblichen) infamen Unterstellung um die Bewegungen für 'direkte Demokratie' und Mitbestimmung zu diskreditieren.
Ich sehe keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem, was ich schrieb und dem, was du darauf antwortetest. Ich hatte auch nicht im geringsten die Absicht, mich damit in irgendeiner Weise zu direkter Demokratie etc. zu äußern - der Zeitraum, auf den ich mich, deine Behauptung aufgreifend, bezog, nämlich die Weimarer Republik und das Dritte Reich hatten mit direkter Demokratie so ziemlich gar nichts zu tun. Das wäre also eher das Gegenteil von dem, was ich sagte.
Du meist also Antisemtismus wurde 'nicht von rechten, linken, religiösen Ideologen initiert', sondern 'weitervererbt'? :rolleyes:
Nichts davon habe ich behauptet. Eine genetische Disposition für ein komplexes soziales Phänomen wie Antisemitismus herbeizureden, wäre hanebüchen, auf so etwas lasse ich mich nicht ein. Ohnehin ist mir die gegenwärtige Debatte (und Sarrazin ist dafür ein ideales Beispiel) viel zu biologistisch aufgeladen, und wird besonders von Leuten vertreten, die davon wenig verstehen.
Tatsächlich widersprach ich nur deiner Behauptung, Antisemitismus sei eine von den Eliten herbeigeführte Schimäre ohne Rückhalt in der einfachen Bevölkerung gewesen. Wenn du historischen und soziologischen Studien, die dies auf Weimar und das 3. Reich bezogen widerlegen, keinen Glauben schenken magst, überlege, wo man in unserer Gesellschaft heute auf Antisemitismus stößt. Handelt es sich dabei eher um Elitendenken, oder tritt er quer durch die Bevölkerung auf? Und ist er zentral gesteuert oder unabhängig von einer solchen Steuerung vorhanden?
Du argumentierst natürlich - wieder mal völlig politisch korrekt - auf dem Weg in den Faschismus. Einzelne Verbrecher begründen einen Generalverdacht, der autoritäre Handlungen erfordert... Das kennt man ja (mir wird speiübel - und der Grund warum die Bertelsmannkampagne erfolgreich sein wird, wird immer deutlicher)
Ich wüßte nicht, wo ich das getan haben sollte, insbesondere die Erfordernis autoritärer Handlungen lese ich nicht heraus. Ich bin wirklich ratlos, was für einen Text du gelesen haben magst, auf meinen beziehst du dich jedenfalls nicht.

Edit: Obwohl ich eigentlich von den unterschwelligen Beleidigungen deinerseits die Schnauze voll habe, doch noch Antworten zum Rest deines Beitrages. Ich zweifle allerdings sehr daran, daß sich damit irgendetwas erreichen ließe.
Vorgeblich liest Du ja viel. Ich empfehle Dir mal das Buch von R. Dawkins "Der Gotteswahn". Dawkins belegt ganz klar, dass das Christentum, der Islam, etc. nicht deshalb "Religionen der Liebe" sind, weil so viele liebevolle Regeln und Gesetze in der Bibel oder im Koran aufgestellt sind, - sondern weil die 'einfachen Menschen', trotz der vielen Aufrufe zu Blutrache und Völkermord in diesen Büchern, - in freier Selbstbestimmung - entschieden haben, dies zu ignorieren und lieber 'ihren (eigenen) Vorstellungen' von einer friedliebenden Religion folgten, als den 'politisch, (bzw. religiös) korrekten Gesetzen' (und den Zuchtmeistern der "political correctness", die vorgeblich "unser Bestes" wollen)
Dankeschön für die freundliche Unterstellung. Tatsächlich lese ich relativ viel, auf Dawkins habe ich aber keine Lust. Ich sehe auch nicht so recht, inwieweit seine Thesen uns hier weiterführen würden. Zwar erkenne auch ich die Verdienste, die in einer ethisch wohldisponierten humanistischen Weltanschauung liegen können, an, sehe aber auch das Risiko, daß Personen dieser Haltung zu Fanatikern ihrer Sache werden können - und das scheint mir bei Dawkins gegeben. Daß er darüber hinaus auch gewisse Ansichten über Juden zu hegen scheint, die ich nicht teile, reduziert den Wert der Empfehlung für mich noch weiter.

Du fabulierst vom "Gesamtgesellschaftlichen Gewaltpotential" im Zusammenhang mit Antisemitismus. Erwähnst aber mit keiner Silbe was die 'Ursache' für den Antisemitismus war (und ist). Worin liegt er begründet?
Das wird ja immer besser. "Die Ursache"? Das ist mir ein bißchen zu simpel gedacht. Antisemitismus kann auf verschiedene Motive zurückgeführt werden, ursprünglich religiöse (der Vorwurf, "Christusmörder" zu sein, begründet wesentlich im Matthäus-Evangelium; außerdem die Andersartigkeit innerhalb einer über das Christentum definierten europäischen Gesellschaft des Mittelalters); damals beginnend und auch fortgesetzt wirtschaftliche (Spezialisierung von Juden auf bestimmte Berufsgruppen aufgrund der Zunftordnungen; insbesondere Geldverleih führte zu großem Sozialneid, Schuldnerpogromen und anhaltenden Klischees wie dem vom geldgierigen Juden); später rassistisch-nationalistische, da die jüdische Identität nicht in die im 19. Jahrhundert aufstrebenden Nationalbewegungen paßte. Bis heute werden antisemitische Phantasmagorien wie die einer 'jüdischen Weltverschwörung' von interessierten Kreisen als Erklärungsmuster herangezogen, wenn ein Schuldiger für einen allzu komplexen Zusammenhang gesucht wird.

Die von mir angesprochene Gewaltbereitschaft einer Gesellschaft, in der sich Antisemitismus hinreichend ausgebreitet hat, wirkt sich nur darauf aus, in welcher Form sich dieser äußert. Gewaltbereitschaft und Vorhandensein von Antisemitismus sind voneinander weitestgehend unabhängig.

Ipsissimus
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Mi 8. Sep 2010, 13:03 - Beitrag #79

Das sind die (üblichen) infamen Unterstellung um die Bewegungen für 'direkte Demokratie' und Mitbestimmung zu diskreditieren.
das hat mit Bewegungen zur direkten Demokratie eigentlich absolut nichts zu tun

Du meist also Antisemtismus wurde 'nicht von rechten, linken, religiösen Ideologen initiert', sondern 'weitervererbt'?
ja und nein - politischer Antisemitismus hat ganz sicher seine ideologischen Ursprünge, aber die ideologischen Ursprünge haben ihrerseits Ursprünge, und die liegen in dem schlichten Umstand, dass es keine Kultur gibt, in der "das Fremde" oder "die Fremden" einfach so akzeptiert sind. Es spielt selbstverständlich machtpolitisches Taktieren eine nicht unerhebliche Rolle, wenn Bevölkerungsgruppen wie Juden zwar jahrhundertelang in einer Bevölkerung leben, der Gesamtbevölkerung aber trotzdem "fremd" bleiben, doch ein derartiges Taktieren würde nicht funktionieren, wenn der Grundsachverhalt "Fremdheit" nicht gegeben gewesen wäre

Du argumentierst natürlich - wieder mal völlig politisch korrekt - auf dem Weg in den Faschismus. Einzelne Verbrecher begründen einen Generalverdacht, der autoritäre Handlungen erfordert... Das kennt man ja (mir wird speiübel - und der Grund warum die Bertelsmannkampagne erfolgreich sein wird, wird immer deutlicher)
ich bezweifele massiv, dass es sachlich auch nur andeutungsweise angemessen ist, Lykurg faschistischer Bestrebungen zu bezichtigen. Der von dir angesprochene Mechanismus gehört als ein Werkzeug unter vielen zum üblichen Repertoire von Machtpolitkern, zugegeben, aber auch da sehe ich nicht, dass die Unlauterkeit, die du damit ansprichst, eine Unlauterkeit der speziellen Personengruppe "Politiker" wäre. Tricks dieser Art versuchen alle möglichen Menschen in allen möglichen Kontexten - so sehr viele Menschen, die vollständig darauf verzichten, mit Tricks, mit Lug und Trug und letztlich mit Gewalt zum Ziel zu gelangen, wirst du nicht finden. Insofern ist der angesprochene Faschismus eine Eigenschaft der Spezies Mensch, deren Individuen ihre Zielvorstellungen nicht zu hinterfragen pflegen, es sei, sie würden von ihresgleichen dazu gezwungen. Ihn bei einzelnen Menschen betont hervorzuheben läuft auf "'Affe', sagt der Gorilla zum Schimpansen" hinaus, also vorsätzliche Blindheit.

Möglicherweise wäre es wünschenswert, dass du den Gotteswahn noch mal liest. Dawkins belegt, dass Christentum usw. Religionen der Liebe sind, weil die Mitglieder des einfachen Volks gegen die Ideologie ihrer Religion "gute Menschen" geblieben seien?

Das wäre mir aufgefallen. Dawkins trennt sehr genau, was Menschen machen, weil sie es aus sich selbst heraus machen wollen, und was dann Religionen für sich verreinnahmen. Aber dass Dawkins belegt, dass Christentum usw. sachlich Religionen der Liebe seien? Nee^^

zu den Ursachen der historischen Herausbildung des Antijudaismus hat Lykurg das wesentliche ja schon gesagt, es gibt nicht die eine Ursache. Religiöse Motive sind mit wirtschaftlichen Motiven verquickt, auch der schlichte kleine Umstand, dass es nach der Zerstörung des Tempels 71 u.Z. bis 1946 u.Z. kein Staatsgebiet mehr gab, in dem Juden sich hätten sammeln können, also keine Staatsmacht hinter ihnen stand, spielt seine Rolle, das Thema der Fremdheit, und, selbstverständlich, führte das alles auch dazu, dass sich die jüdischen Bevölkerungsanteile immer mehr zum Sündenbock eigneten, wenn irgendwas schief ging. Antijudaismus war Waffe im ökonomischen Kriegsspiel; aber dieses Kriegsspiel war eben nicht nur auf der Ebene der Reichen und Mächtigen angesiedelt; kleine Kaufleute u.dgl., die einfach nur ungeschickter waren als ihre jüdischen Pendants, neigten genausowenig dazu, sich selbst die Verantwortung für ihre Misere zuzusprechen. Letztlich war auch das christliche Zinsverbot an der Geschichte beteiligt, obwohl die Juden dafür am allerwenigsten konnten.

Das bezieht sich alles auf den historischen Antijudaismus; der Antisemitismus im engeren Sinne als Gegenreaktion auf die zionistische Bewegung ist sehr viel neueren Ursprungs, wenn er auch auf die alten Ressentiments zurückgreifen kann. Im Antisemitismus wiederum fließt ein derartiges Maß persönlicher Bösartigkeit, dumpfen, persönlichen Sadismus´ mit ideologischen Begründungen zusammen, dass die Mischung einfach nur degoutant ist, gleichgültig ob auf der individuellen oder der gesellschaftstheoretischen oder -praktischen Ebene. Aber auch hier ist es kein top-down-Phänomen, sondern eines, dass entlang je spezifischer Begründungszusammenhänge über die gesamte Höhe einer Gesellschaft auftritt.

Und dass es überall Strippenzieher und überall gezogene Strippen gibt, ist kein Spezifikum des Antisemitismus.

Inwieweit "linker" Antisemitismus eine originäre Geschichte ist oder ob er nicht doch eher im Rahmen des "linken" Standard-Topos der Religionskritik als ganzer zu verstehen ist, müsste auch genauer untersucht werden. Ich glaube, es gab in der Sowjetunion keine Religion, die sich so richtig unverfolgt fühlte^^ Argumente der Art "Gottesmörder", "in der Bibel nachlesen" oder "Jesus war selbst Jude" sind jedenfalls schon von Ansatz her so hoffnungslos naiv, es verwundert mich ein bisschen, dass du sie verwendest.

Du neigst für meinen Geschmak zu sehr zu einem "die edlen Opfer hier unten gegen die verwerflichen Sieger dort oben"-Denken. Zumindest die Opfer hier unten sind nicht automatisch edel, nur weil sie Opfer sind.

Maglor
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Mi 8. Sep 2010, 18:27 - Beitrag #80

Ich halte eine Abtrennung des Themas Antisemitismus für sinnvoll, hat nämlich mit dem Eingangsthema fast gar nicht mehr zu tun.

Ich fang mal ganz von vorne an.

"Jesus war ja auch Jude", ist eine bekannte Aussage bei der Herunterspielung antijudaistischer Elemente in der Bibel. Die Stossrichtung des Arguments ist klar, man möchte gerne den christlichen Antijudaismus zur Häresie erklären.
Das Problem: Laut dem Johannes-Evangelium war Jesus Christus selbst ein antijudaistischer Agitator.
Am eindrücklichsten Johannes 8, 39-44:
Spricht Jesus zu ihnen [den uneinsichtigten jüdischen Schriftgelehrten]: Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke. Nun aber sucht ihr mich zu töten, einen solchen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht getan. Ihr tut eures Vaters Werke. Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht unehelich geboren, wir haben einen Vater, Gott. Jesus sprach zu ihnen: Wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr mich; denn ich bin ausgegangen und komme von Gott; denn ich bin nicht von mir selber gekommen, sondern er hat mich gesandt. Warum kennet ihr denn meine Sprache nicht? Denn ihr könnt ja mein Wort nicht hören. Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich gerichtet sein. Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben.

Zusammenfassung:
Die Juden (die sich Jesus nicht anschließen)
- versuchen Jesus zu töten
- haben keine Verbindung zu Gott
- glauben an Lügen und sind Lügner
- haben den Teufel zum Vater
Das sind die zentralen Aussagen dieser Stelle des Neuen Testaments!

Das wesentliche Problem am Juden-Begriff ist seine Doppelnatur. Zum einen wird ein Volk bezeichnet, eben die Judäer, die Bewohner des Königreiches Judas und deren Nachfahren. Später verallgemeinernd bezogen auch die Anhänger der Religion Judas, dem mosaischen Glauben. Nach der Abspaltung des Christentumes vom Restjudentum, wurde Judentum nunmehr vor allem Bezeichnung für Angehörige des ungepimpten mosaischen Glaubens.
Das Christentum als die Religion der Liebe lehrte, dass jene die dem Christus folgen von den Toten auferstehen und das ewige Leben erfahren, während jene die dem Christus nicht folgen im Höllenfeuer schmoren, nicht Gott sondern dem Teufel anhängen usw.
Zu den besonderen Liebreizen des Christentumes gehört die Mission, die Ausbreitung des Christen-Glaubens unter allen Völker, allen voran den Juden.

Das ist die einzige Ursache des christlichen Antijudaismus. Er erstand bereits vor der Gründung der Amtskirche und lange vor dem Auftauchen der christlichen Staatsreligion. Alles andere sind nur Folgeerscheinungen. (Eine interessant Feld ist noch der heidnische Antijudaismus der Römer, der den Juden den zentralen Vorwurf des Menschenhasses unterbreitet, insbesondere wegen der bewussten Abgrenzung von allen anderen antiken Völkern und Religionen.)

Zitat von Ipsissimus:Inwieweit "linker" Antisemitismus eine originäre Geschichte ist oder ob er nicht doch eher im Rahmen des "linken" Standard-Topos der Religionskritik als ganzer zu verstehen ist, müsste auch genauer untersucht werden. Ich glaube, es gab in der Sowjetunion keine Religion, die sich so richtig unverfolgt fühlte^^

In dder Sowjetunion war die jüdische Religion nicht minder verfolgt als die anderen. Auf der anderen Seite wurde die Juden jedoch als ein Volk betrachtet und genau das waren sie: Eine Bevölkerungsgruppe mit eigener Sprache und Kultur, von Russen, Tataren, Georgiern usw. klar verschieden.
Wie auch immer das Judentum ist mehr eine Religion, es gibt auch (unabhängig vom Staat Israel) eine jüdisches Volk.

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