die heutige Auffassung von der platonischen Liebe hat ohnehin kaum noch etwas mit Platons Erklärungen derselben zu tun, wir können uns daher praktisch einfach auf die Festlegung verständigen, dass eine platonische Liebe eine Beziehung ist, die von starker Innigkeit getragen wird, bei der aber die Erotik völlig außen vor bleibt. Eine platonische Liebe kann von Freundschaft abgegrenzt werden, da das Maß der Innigkeit dem einer Liebesbeziehung entspricht und daher normalerweise wie diese auf eine/n BeziehungspartnerIn begrenzt ist.
Ich habe in meinem Leben einige Frauen und Männer geliebt, ohne jemals in einer partnerschaftlichen Beziehung zu ihnen zu stehen und ohne dass Erotik eine Rolle gespielt hätte, und das ist bis heute so geblieben, auch wenn ich mittlerweile sehr viel vorsichtiger im Ausdruck und im Umgang mit dieser Liebe bin (was ich allerdings durchaus als Verlust auffasse). Ich habe jedoch von keiner dieser Lieben als von einer platonischen Liebe gedacht, weil keine davon exklusiv war und es mir ursprünglich auch nie in den Sinn gekommen wäre, dass sie miteinander kollidieren könnten.
Bei einer nachdrücklich als platonische Liebe aufgefassten Beziehung tritt meines Erachtens also noch etwas hinzu, das platonisch soll nicht nur den Wegfall der Erotik andeuten sondern gleichzeitig noch etwas anderes ausdrücken; ich vermute, eine besondere Qualität der Bindungskräfte, die eben über Freundschaft hinausgehen, auch wenn sie - vermutlich umständehalber - nicht ausreichen, die Beziehung auf die Ebene einer partnerschaftlichen Beziehung mit lebendiger Erotik zu heben.