Schulreform-Volksentscheid in Hamburg

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
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Do 2. Dez 2010, 18:10 - Beitrag #41

Zitat von Lykurg:Nein, aber wenn der Staat sich Abschaffung von Privilegien auf seine Fahnen schreibt und das so weitgehend zum alleinigen Ziel seiner Politik macht, daß er dabei massive Qualitätseinbußen zuläßt, führt dies zu seinem Verderben und bewirkt das Gegenteil des Angestrebten. Integration kann nicht um jeden Preis laufen, und wie bereits mehrfach angesprochen: Wenn staatliche Schulen zu schlecht werden, ziehen diejenigen, die es sich leisten können, weg bzw. schicken ihre Kinder auf Privatschulen, und übrig bleiben diejenigen, die es sich nicht leisten können. Daß wir in den letzten Jahren hier einen nicht enden wollenden Boom von konfessionellen Schulen haben, ist angesichts der Schulpolitik nicht weiter verwunderlich.

Ob Staat programmatisch Privilegien abschaffen soll...sie haben ihn schlicht nicht zu interessieren, sie haben nicht relevant, beachtlich zu sein, insbesondere wenn sie andere Menschen maßgeblich in ihren Chancen behindern.
Ohne Integration werden manche Menschen von Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft ausgeschlossen, sie ist schon von daher IMHO nicht in Krämerhände zu legen. Ganz zu schweigen davon, daß Nichtintegration Menschen behindert, selbst für sich aufzukommen, also zu Lasten für die Allgemeinheit führt.
Ganz fünsch werde ich, wenn dies Kinder trifft, denn sie können wirklich nichts dafür und haben jeden Schutz und jede nötige Hilfe verdient.

Du hast recht, was die Qualität der Schulen betrifft, da muss nachgebessert werden - das aber unabhängig von Reform oder Nichtreform.
Ich sehe da bei Nichtreform aber kommen, daß bei den Gymnasien, auf die jeder guckt, weil die etwas zu sagen Habenden dort ihre Kinder haben, entsprechend nachgebessert wird, bei Realschulen...streichen wir mal eine Wand neu, die Hauptschule produziert eh nur die Hartzler von morgen, lassen wir sie ihr Dasein fristen.

Hinsichtlich der zu erbringenden Voraussetzungen stimme ich völlig mit e-noon überein. Darüber hinaus: Natürlich ist soziale Interaktion eine wichtige Kompetenz, aber nur eine von vielen, und für dieses Ziel dürfen nicht Lehrinhalte aufgegeben werden. Genau das passiert aber, wenn im Sinne der stärkeren Durchmischung eine Nivellierung nach unten vorgenommen wird. Dem versucht man ja mit verbindlichen Regelungen (Sprachtest, Kurse etc.) entgegenzutreten. Wenn alle Parteien dazu bereit wären und darin nicht bloß eine Bevormundung sähen, wären wir ein Stück weiter. Das ist richtig - läßt sich aber sicherlich nicht beheben, indem man die Kinder entfernt gelegenen Kindergärten zuweist, denn das ist für alle Eltern (und Kinder!) eine unzumutbare Härte.

Was bildungstechnisch zwischen 4 und 7 passiert, ist maßgeblich für eine Entfaltung der Anlagen. Das heißt, wenn in dem Alter wegen Sprachdifferenz, familiärem Desinteresse, whatever, Kinder nicht an die Bildungsinhalte heran kommen können, haben sie es nachher sehr schwer, das aufzuholen.
Soziale Interaktion ist in meinen Augen DIE zentrale Voraussetzung für den Spracherwerb, und für Sozialkompetenz sowieso, und damit die Voraussetzung, mit anderen Lerninhalten etwas anfangen zu können.
Die Sache mit der "Nivellierung nach unten" erscheint mir vor dem Hintergrund falsch gedacht: Hier werden eher Kinder, die sonst aufgrund der genannten Barrieren an der Entfaltung ihrer Anlagen gehemmt werden, in die Lage versetzt, mit ihren Gleichaltrigen gleich zu ziehen und wie sie jedes mögliche Bildungsziel zu erreichen.

Hinsichtlich der Zuweisung von Kindergartenplätzen stimme ich Dir zu, aber auf dem Schulniveau müssen die sog. Ghettostrukturen aufgebrochen werden.
Natürlich braucht es auch dann noch Sprachförderkräfte, aber das ist so trivial wie das Lamento bei der Bundswehr zu Zeiten der Zulassung weiblicher Soldaten, dann müssten ja weibliche WCs eingerichtet werden...

Das Thema Schulsysteme anderer Länder (insbesondere Finnland) ist so rege besprochen worden, daß es mir ziemlich zum Hals raushängt. Hier hatten wir uns darauf geeinigt, die Systemfrage weitgehend außen vor zu lassen. Ich halte es für offensichtlich, daß beide Systeme erfolgreich sein können und andere Faktoren, etwa die Ausstattung mit Lehrkräften, die Lehrpläne und die Klassengrößen, sehr viel wichtigere Einflußgrößen sind als die Schulform. Wie Padreic dankenswerterweise deutlich machte, gibt es auch deutlich schlechter funktionierende Bildungssysteme mit längerem gemeinsamen Lernen (Beispiel Italien). Das ist in großen Teilen eine ideologische Debatte.

Wie nett, daß Du nicht Berlin erwähnt hast, Sarrazins Lieblingsbiotop :D

Der OECD-Befund scheint mir sehr eindeutig zu sein und die Verschneidung mit Erkenntnissen der Lernforschung auf neurologischer Grundlage diesen zu untermauern, weshalb mir das 6-Jahrs-System als das System der Wahl erscheint.
Etwas ideologisch zu nennen, ist oft das Eingeständnis eines leeren Köchers.

Berlusconien ist eh ein Trauerspiel.

----- Es fällt mir nicht leicht, schwer straffällig gewordene Menschen als "wehrlos" (!) zu sehen, aber meinetwegen, bürgern wir sie nach verbüßter Haft doch ein, dann hat sich das Problem erledigt. Bild

Wehrlos in dem Sinne, nicht im Geringsten auf den Entscheidungsprozess einwirken zu können, der zudem nicht auf der Grundlage von Fakten, sondern von Vorurteilen erfolgt.
Ich ziehe einzelfallbezogene Lösungen, die sowohl den im Einzelfall entstandenen Schaden wie auch die Bedingungen des im Einzelfall Betroffenen betrachten, einer Pauschallösung vor.
Ich habe ja öfters mit Menschen zu tun, die zugewandert sind und hier großen Mist gemacht haben. Manche von ihnen haben begriffen, was Sache ist und klare Vorstellungen, wie sie zukünftig besser leben wollen.
Das Verhältnis ist etwas dasselbe wie jenen mit deutschem Pass.

Padreic
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Fr 3. Dez 2010, 16:38 - Beitrag #42

Ich denke, bei vielen Punkten sind wir uns alle relativ einig. Zum Beispiel dürften wir es alle so sehen, dass es wichtig ist, allen Schülern eine Chance zu geben; wozu eben auch insbesondere gehört, Kinder, denen aus welchen Gründen auch immer von den Eltern keine genügende deutsche Sprachfähigkeit mitgegeben wurde, frühzeitig (d.h. ungefähr ab 4) durch Kindergärten und ähnliches zu fördern, notfalls zwangsweise. - wenn mehr Wert auf Lernen im Kindergarten gelegt wird, halte ich eine allgemeine Kindergartenpflicht ab 5 Jahren auch nicht für falsch. Eine Integration von spielerischen Ansätzen zum Wissenserwerb in Kindergärten setzt aber natürlich eine umfassende Weiterbildung der KindergärtnerInnen voraus, was kein Pappenstiel sein wird... - Worauf ich aber hinaus will: unsere Differenzen liegen nicht primär in der frühkindlichen Bildung.

Wo wir uns auch alle einig sein sollten, ist, dass eine Verlängerung der Grundschule auf 6 Jahre Vor- und Nachteil hat. Vorteile sind insbesondere, dass eine nachfolgende Differenzierung aufgrund einer besseren Basis entschieden werden kann und dass eine längerfristige kulturelle und soziale Durchmischung gegeben ist. Ein Nachteil ist, dass, außer bei äußerst gelungener Binnendifferenzierung, sich tendentiell bei gemeinsamen Unterricht die Guten immer unterfordert und die Schlechten überfordert fühlen werden (außer man schiebt das Spektrum in die eine oder andere Richtung). Ursache der unterschiedlichen Gewichtungen sind sicherlich auch zum Teil persönliche Erfahrungen: mir hätte z. B. eine 6jährige Grundschule sicherlich wenig gefallen.

Man muss dazu natürlich sagen, dass ein Modell, wo nur zwischen zwei Schulformen gewählt werden kann, dem Gymnasium und einer Stadtteilschule, in gewissen Rahmen auf all diese Problematiken antwortet. Wer auf der Stadtteilschule landet, ist keineswegs abgeschrieben, sondern kann noch immer sein Abitur machen, nur ein Jahr später. Wer meint, dass für sein Kind das 12jährige Abitur zu schnell ist, kann sein Kind auch auf die Stadtteilschule schicken. Es ist natürlich dann eine Frage, ob innerhalb der Stadtteilschule noch einmal differenziert wird.

@janw: ich wollte hier noch einmal auf zwei deiner Argumente antworten:
In dem Alter macht eine Trennung Sinn, weil die Stärken und Schwächen nicht mehr Lotto des Lehrers sind - 70% der ausländischen Schüler in Bayern landen nach der 4. Klasse auf der Hauptschule, in Niedersachsen nur 15% - sondern das sind, was IST, worauf mit der Systemdifferenzierung in reproduktives Lernen (Haupt- und Realschule) bzw. Lernen in Kontexten mit Transferleistungen (Gymnasium) reagiert werden kann.
Der Vergleich zwischen Niedersachsen und Bayern hinkt hier ein wenig, da insgesamt in Bayern wesentlich mehr Schüler zur Hauptschule gehen; primär weil es in Niedersachsen noch die Gesamtschule gibt. Wieviel Prozent der ausländischen Schüler gehen in Niedersachsen zu Haupt- und Gesamtschulen?
Außerdem möchte ich anmerken, die Lehrerempfehlungen nach der vierten Klasse als Lotto zu bezeichnen, doch eine (unsachliche) krasse Übertreibung ist.

Die Beispiele von Ländern, die eine längere gemeinsame Lernzeit haben als Deutschland und schlechter in der PISA-Studie abgeschnitten haben als Deutschland, beschränkt sich nicht auf Italien. Unter den Industriestaaten sind Spanien und Norwegen weitere Beispiele. Insgesamt stimme ich Ipsissimus zu, dass die PISA-Studie als Argument für bestimmte Schulsysteme nur bedingt taugt - zumindest, wenn man sie nicht sehr differenziert benutzt. Was sich spätestens mit der PISA-Studie gezeigt ist, ist, dass bestimmte Formen der Gesamtschule durchaus recht erfolgreich sein können. Das heißt aber keineswegs, dass es bei jeder Bevölkerungsstruktur/Bildungstradition etc. die beste Möglichkeit darstellt.

---

Was in der Schweiz passiert, ist sicherlich ein möglicher Grund, direkte Demokratie abzulehnen. - zum konkreten Volksentscheid in Hamburg: fändest du es besser, allen Mitgliedern der Bevölkerung, 'Staatsbürger', 'illegal' oder welchen Status sie auch immer haben, Wahlrecht zu geben?

janw
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Fr 3. Dez 2010, 21:44 - Beitrag #43

Padreic, auf das Konsensuale kann ich mich einlassen.

Aber zu
Der Vergleich zwischen Niedersachsen und Bayern hinkt hier ein wenig, da insgesamt in Bayern wesentlich mehr Schüler zur Hauptschule gehen; primär weil es in Niedersachsen noch die Gesamtschule gibt. Wieviel Prozent der ausländischen Schüler gehen in Niedersachsen zu Haupt- und Gesamtschulen?
Außerdem möchte ich anmerken, die Lehrerempfehlungen nach der vierten Klasse als Lotto zu bezeichnen, doch eine (unsachliche) krasse Übertreibung ist.

muss ich etwas sagen.
Ich bin neulich durch eine Äußerung des Kriminologen Dr. Pfeiffer auf die Sache gestoßen, der die Zahlen in einer talkshow erwähnte.
Sicher mag der Faktor Gesamtschulen eine Fehlerquelle darstellen - obwohl die doch angeblich so negativ wirken soll ;) - dann wäre aber auch anzuführen, daß in Niedersachsen mit den hier mehr als in Bayern vorhandenen Stadteilen mit sehr hohem Zuwandereranteil die Bedingungen für die Kinder von Zuwanderern erheblich schlechter sein müssten als in Bayern.
Trotzdem landen in Bayern 70% der Kinder von Zuwanderern auf der Hauptschule, in Niedersachsen nur 15, und auch bei der Quote der Gymnasiumsbesucher lagen die Ergebnisse vergleichbar auseinander, ich hab mir die Zahlen nur nicht gemerkt.
Einer der Gründe ist, daß Schüler in Bayern sich nicht wehren können, die Zuweisung des Lehrers gilt, zugleich ist die Möglichkeit, von der Hauptschule wegzukommen, dort recht eingeschränkt.

Die Sache mit den Lehrerempfehlungen ist IMHO sehr heikel, ich habe die Lottoanalogie eher gnädig verwendet.
Es gibt abgesicherte Untersuchungen, daß der Name eines Schülers auf einer Arbeit erheblichen Einfluss auf die Bewertung hat. Das gilt sowohl für fremdländische Namen wie für "unterschichtspezifische" generell und für weibliche Namen in den Naturwissenschaften.
Mag sein, daß die Lehrer unbewusst handeln bzw. gehandelt haben. Dies aufgrund der heute vorliegenden Erkenntnisse nicht zu hinterfragen, ist schlimm.

Was in der Schweiz passiert, ist sicherlich ein möglicher Grund, direkte Demokratie abzulehnen. - zum konkreten Volksentscheid in Hamburg: fändest du es besser, allen Mitgliedern der Bevölkerung, 'Staatsbürger', 'illegal' oder welchen Status sie auch immer haben, Wahlrecht zu geben?

Ich wollte gar nicht direkte Demokratie ablehnen - ich sehe es eher andersrum - es ging mir nur um das Problem, wenn dabei Wählende explizit Macht bekommen über andere, die nicht wählen können, von der Wahl ausgeschlossen sind.
Insofern, entweder solche Fragen von Referenden ausnehmen, oder den Betroffenen Wahlrecht einräumen.

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Fr 3. Dez 2010, 22:05 - Beitrag #44

wenn dabei Wählende explizit Macht bekommen über andere, die nicht wählen können, von der Wahl ausgeschlossen sind.

Das ist in abgeschwächter Form aber immer der Fall, wenn in direkten Demokratien Mehrheiten über Minderheitenrechte abstimmen. Somit schon ein Argument gegen indirekte Demokratie... oder würdest du die getroffene Entscheidung begrüßen, wenn es eine 100%ige Wahlbeteiligung gegeben hätte und das Ergebnis trotzdem dasselbe gewesen wäre?

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Fr 3. Dez 2010, 22:28 - Beitrag #45

Zitat von e-noon:Das ist in abgeschwächter Form aber immer der Fall, wenn in direkten Demokratien Mehrheiten über Minderheitenrechte abstimmen. Somit schon ein Argument gegen indirekte Demokratie... oder würdest du die getroffene Entscheidung begrüßen, wenn es eine 100%ige Wahlbeteiligung gegeben hätte und das Ergebnis trotzdem dasselbe gewesen wäre?

Bei gleichmäßig verteilter rechtlicher und struktureller Wahlmöglichkeit wäre ein Wahlergebnis wohl zu akzeptieren, wäre interessant, was dann wohl in Hamburg heraus gekommen wäre.
Die Sache in der Schweiz ist IMHO eine Stammtischgeschichte, mit solchen Fragen müsste IMHO sehr viel vorsichtiger umgegangen werden. Vielleicht sollten Fragen des Strafrechts generell ausgenommen werden.

Lykurg
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Fr 3. Dez 2010, 23:07 - Beitrag #46

Hamburg hat einen Ausländeranteil von knapp 15 Prozent, wobei der Anteil an der wahlberechtigten Bevölkerung wahrscheinlich etwas geringer ist. Der Volksentscheid ergab 58% gegen die Reform, da hätte also schon eine sehr deutliche Mehrheit der in diesem Fall stimmberechtigten Nichtdeutschen für die Reform stimmen müssen. Allerdings ist nicht absehbar, inwieweit ein anderes Wahlrecht mit Beteiligung der Nichtdeutschen möglicherweise auch ein anderes Wahlverhalten und eine andere Wahlbeteiligung erbracht hätte.

Padreic
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Sa 4. Dez 2010, 00:42 - Beitrag #47

@janw: es mir vollkommen klar, dass Lehrerbewertungen auch auf verschiedenen Voreingenommenheiten beruhen; sei es wegen des Namens, sei es wegen eines schichtspezifischen anderen Auftretens. Der Name wird sich aber auch nach 6 Jahren nicht ändern, das Auftreten nur ein bisschen. Irgendwann wird man immer differenzieren muss - und dass muss entweder nach irgendwelchen Kriterien geschehen müssen oder nach freier Wahl. Kennst du da eine gute Methode, die soziale Unterschiede nicht berücksichtigt?

Bayern hat übrigens insgesamt einen höheren Ausländeranteil als Niedersachsen (wobei ich nicht genau weiß, wie der sich zusammensetzt). Ganz davon abgesehen, will ich Bayern sicherlich kein Eldorado heißen.

Ich kann übrigens e-noon nur beipflichten, dass gerade die direkte Demokratie dazu tendiert, Minderheitenschutz die kalte Schulter zu zeigen.

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Sa 4. Dez 2010, 16:41 - Beitrag #48

Lykurg, kann man so sehen, und dann könnte man auch noch den Einfluss bestimmter Medien einflechten und den Kreis der systematisch Nichtmitstimmenden auf politisch abgehängte Bereiche des einheimischen Gesellschaftsteiles ausdehnen...lassen wir das.
Für mich ist das eigentlich auch eher nebensächlich, ich frage mich eher, was an der Reform so abgrundtief unrecht, schlimm und abscheulich gewesen sein soll, daß sie eine derartige Reaktion aus der Bevölkerung hervorrufen musste, samt dem Nachspiel wie ein triumphierend verbale Siegesschwerter schwingend durch sämtliche talkshows tingelnder Sky du Mont oder Königssmileys hier im thread.

Wenn ich mir die Reform hier durchlese, kann ich dergleichen nicht erkennen, mir erscheint der Gedanke einer besseren Behebung von individuell herkunftsbedingten Schwächen schlüssig, und die geforderte Forderung besonders leistungsstarker Schüler ist auch vorgesehen gewesen. Außerdem sollte auch nach 6 Jahren der Elternwille entscheiden.
Vielleicht also doch eine Frage von besonders viel Geld und Vernetzung der Kampagnenbetreiber...? Ging es hintergründig nur um die Echten gegen die Wahren Konservativen? Die FDP gegen die Grünen? Einfach nur "Grün muss weg!"?

Zitat von Padreic:@janw: es mir vollkommen klar, dass Lehrerbewertungen auch auf verschiedenen Voreingenommenheiten beruhen]
Nach 6 Jahren sollte sich Qualität so weit manifestiert haben, daß Lehrer nicht anders kann, als sie entsprechend zu bewerten, auch das Selbstbewusstsein so weit entwickelt sein, daß dergleichen Fehlern widersprochen wird, notfalls mit Gang zum Direx oder Schulamt. Außerdem eben der Unterschied zwischen "des Lehrers Entscheidung ist Gesetz" in Bayern und Einbindung des Elternwilles in Niedersachsen.
Natürlich gibt es eine einfache Methode, jeder Schüler bekommt eine Arbeit mit einer Nummer oder einem Symbol und schreibt sich dieses auf. Hinterher wird abgeglichen - bzw. der Schüler wählt eine Nummer oder ein Symbol, das er sich aufschreibt und auf die Arbeit schreibt.
Solche Verfahren werden bereits erfolgreich eingesetzt.

Bayern hat übrigens insgesamt einen höheren Ausländeranteil als Niedersachsen (wobei ich nicht genau weiß, wie der sich zusammensetzt). Ganz davon abgesehen, will ich Bayern sicherlich kein Eldorado heißen.

Naja, die Franken assimilieren sich nicht so leicht ;)
Unterschiedliche Herkünfte könnten eine Rolle spielen, ebenso unterschiedliche Einbindung (gibt es Neukölln auch in Bayern?), aber ich denke trotzdem, daß Pfeiffer da recht hat.

Ich kann übrigens e-noon nur beipflichten, dass gerade die direkte Demokratie dazu tendiert, Minderheitenschutz die kalte Schulter zu zeigen.

Ja, das sehe ich auch so, und das müsste man berücksichtigen. Ich denke, vielleicht am besten über einen Katalog von Angelegenheiten, für die direkte Demokratie sinnvoll wäre.

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Sa 4. Dez 2010, 17:20 - Beitrag #49

ich frage mich eher, was an der Reform so abgrundtief unrecht, schlimm und abscheulich gewesen sein soll, daß sie eine derartige Reaktion aus der Bevölkerung hervorrufen musste, samt dem Nachspiel wie ein triumphierend verbale Siegesschwerter schwingend durch sämtliche talkshows tingelnder Sky du Mont oder Königssmileys hier im thread.
Eine ganze Menge davon enthält der Thread selbst, in meinen ersten Beiträgen zum Beispiel (wobei ich mit Sky du Mont nichts zu tun habe und auch nicht (mehr?) wußte, daß er da irgendwie aktiv ist/war). Zerschlagung gewachsener Strukturen ohne den Nachweis, daß man etwas besseres vorhabe; Herumgetrickse mit der öffenltlichen Meinung und mit rechtsstaatlichen Verfahren (siehe etwa die Wahlzettel), heftigere Auseinandersetzungen bis hin zu Beleidigungen (Äußerungen von Beusts und von Frau Goetsch, auch von linken Reformbefürwortern in der Stadt); Verschwendung öffentlicher Gelder; massive Nachteile für das Gymnasium (Systemwechsel durch die Hintertür). Die Bürger haben sich gegen eine geschlossen agierende Vierparteienkonstellation in der Hamburger Bürgerschaft erfolgreich zur Wehr gesetzt. In gewisser Weise war es ein Vorläufer zu Stuttgart21, aber friedlich und erfolgreich.

Wenn ich mir die Reform hier durchlese, kann ich dergleichen nicht erkennen, mir erscheint der Gedanke einer besseren Behebung von individuell herkunftsbedingten Schwächen schlüssig, und die geforderte Forderung besonders leistungsstarker Schüler ist auch vorgesehen gewesen. Außerdem sollte auch nach 6 Jahren der Elternwille entscheiden.
Vielleicht also doch eine Frage von besonders viel Geld und Vernetzung der Kampagnenbetreiber...? Ging es hintergründig nur um die Echten gegen die Wahren Konservativen? Die FDP gegen die Grünen? Einfach nur "Grün muss weg!"?
janw, was du dir da anguckst, ist ein Werbeblatt der Reformbefürworter, der Informationswert ist ungefähr null. Du kannst dich auch hier informieren, das ist genauso neutral. ;) Such dir stattdessen lieber Zeitungsartikel des Zeitraums heraus (z.B. die Zeit) - aber meine damalige Begeisterung war (bei aller Zufriedenheit auch rückblickend) nur aus der Situation und Stimmung vor Ort wirklich zu verstehen.
Und eine Auseinandersetzung innerhalb der Konservativen? Nein, die Union hat das ja kaum intern diskutiert (zumindest ist davon nichts nach außen gedrungen) und stattdessen ihre Wählerschaft zerlegt (sie bereitet sich gerade auf eine wirklich historische Wahlschlappe vor); die FDP hat praktisch überhaupt nicht profitiert. Als politische Aktion war das ganze ein furchtbarer Fehlschlag für die Konservativen, aber darum ging es nicht, jedenfalls mir nicht, mein Ziel war, groben Unfug zu verhindern.

Nach 6 Jahren sollte sich Qualität so weit manifestiert haben, daß Lehrer nicht anders kann, als sie entsprechend zu bewerten, auch das Selbstbewusstsein so weit entwickelt sein, daß dergleichen Fehlern widersprochen wird, notfalls mit Gang zum Direx oder Schulamt. Außerdem eben der Unterschied zwischen "des Lehrers Entscheidung ist Gesetz" in Bayern und Einbindung des Elternwilles in Niedersachsen.
Die Abwägung von Lehrer- und Elternwillen dürfte Traitor ganz anders sehen als du... und inzwischen bin ich da auch weitergehend seiner Meinung. Eine 'Lotterie' kann ich in Lehrerentscheidungen jedenfalls nicht erkennen, auch wenn natürlich eine Meinung damit ausgedrückt wird. Das System muß durchlässig sein und bleiben, aber so einfach geht es nicht. Die zwei Jahre mehr sind ein schwerwiegender Zeitverlust für die geistige Entwicklung. Mit dem Versprechen, die Grundschule von sechs auf vier Jahre zu verkürzen, ist die CDU in den 50ern in HH an die Macht gekommen; jetzt wird sie mit der Umkehrentscheidung die Macht verlieren. Ein Trauerspiel.

Natürlich gibt es eine einfache Methode, jeder Schüler bekommt eine Arbeit mit einer Nummer oder einem Symbol und schreibt sich dieses auf. Hinterher wird abgeglichen - bzw. der Schüler wählt eine Nummer oder ein Symbol, das er sich aufschreibt und auf die Arbeit schreibt.
Solche Verfahren werden bereits erfolgreich eingesetzt.
Ja, allerdings geht das dann nur für die schriftliche Note; mündliche Benotung, insbesondere auch die Einschätzung von Entwicklungspotential und Sonderfähigkeiten, fallen dann durchs Raster.

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