Hm, schreib ich noch was dazu, oder wäre es auch Öl...?
Doch, ich tu's mal...
Zitat von Lykurg:Allerdings bewerte ich, wie klar an unserer Dissenslinie zu sehen ist, strukturelle Verantwortung anders (tendenziell weniger schwer) als Individualverhalten, soweit dies noch freien Entscheidungen entspricht. Die Kirchenobrigkeit verlangt von niemandem, einen Exorzismus durchzuführen. Und insbesondere sind, wie Padreic klarstellt, Todesfälle sehr vereinzelt auftretende katastrophale Fehlschläge des Rituals und nicht, wie bei den Menschenopfern, ihr Ziel und eigenster Inhalt, was die auch die institutionelle Verantwortung ganz anders gewichtet.
Das Problem ist in meinen Augen, daß Exorzismus überhaupt immer noch zum aktiv angewandten Methodenkanon der katholischen Kirche zählt - wenn nicht westlicher christlicher Gemeinschaften überhaupt.
Erstens liegt der Methode zugrunde, daß es etwas wie einen "bösen Geist", "Dämon" gebe, dem Exorzenten wird suggeriert, daß er von einem solchen "besessen" sei, worauf der Exorzismus zur "Austreibung" angewandt werde.
Ohne jede Diagnose, was dem Exorzenten wirklich fehlt.
Die Anwendungsbereiche des Exorzismus fallen allesamt in die Zuständigkeit anerkannt wirksamer medizinischer und psychologischer Behandlungsverfahren, an die bei Erkennen eines entsprechenden Leidenszustandes zu verweisen wäre.
Der Geistliche, an den sich der Leidende wendet, verweist aber eben nicht an diese, sondern an das kircheneigene Behandlungsverfahren.
Der Exorzismus ändert letztlich nichts an dem eigenen Befinden des Exorzenten, er bekennt sich entweder dazu, worauf der Exorzismus erneut durchgeführt wird, vielleicht in einer heftigeren Variante, oder er leidet im Stillen weiter, weil "wenn der Priester mit dem heiligen Geist mich schon nicht heilen kann, was soll mich dann wohl heilen, bin wohl zum Leiden verdammt" oder "es hat nichts gebracht, also glaube ich wohl nicht stark genug, wie beschämend" - das Leiden wird also perpetuiert, wenn nicht sogar durch aufgeladene Schuld- und Schamgefühle verstärkt.
Die körperlichen Todesfälle maskieren die regelmäßigen seelischen Tode.
In gewisser Weise ähnliches ist bekannt geworden z.B. von den Zeugen Johovas, wo eine ganze Reihe medizinischer Verfahren abgelehnt werden, und Eltern dementsprechend ihren Kindern diese Verfahren verweigern.
Auch ich sehe, zumindest sobald ein Schaden feststellbar wird, eine entsprechende Verantwortung (strafrechtlich und moralisch), Geistheilung ist für mich kein legitimer Ersatz für herkömmliche Medizin. Ich will niemandem verwehren, ergänzend darauf zurückzugreifen, wenn es ihm hilft. Wenn aber medizinisch etwas versäumt wurde und Vertreter der Institution mit deren Deckung dafür (mit-)verantwortlich sind, spreche ich auch von einer institutionellen Schuld.
Dem kann ich folgen.
Mein Vorwurf an die Wasserhexen (bzw., wie in Maglors Artikel beschrieben, die Opfer ritueller Menschenschlachtungen in Londoner Kultstätten) ist, daß ihre Praktiken direkt gegen geltendes Gesetz verstoßen und damit nicht mehr unter Religionsfreiheit fallen. Es handelt sich bei den Tätern, wie von dir dargestellt, um Mörder(innen), die genau dies im Dienste eines Kults tun, was auch gegen den Kult geltend gemacht werden muß.
Nur, warum verstößt dann die Suggestion von "Besessenheit" mit nachfolgendem Austreibungsritual, das am Eigenbefinden des Betroffenen nichts ändert, außer es vielleicht verschlechtert, bei gleichzeitigem Nichtverweis an anerkannt wirkame Heilverfahren nicht gegen geltendes Gesetz? Unterlassene Hilfeleistung, Körperverletzung,...?
Das Verschwinden von viel mehr Kindern europaweit ist erschreckend, allerdings gibt es dafür auch eine ganze Reihe von möglichen Ursachen (außer Organraub, Kinderschändung und Prostitution auch Adoptionsentführung, häusliche Gewalt, Unfälle oder die simple Flucht von zuhause), während wir es hier mit einem monströsen Einzelkomplex zu tun haben, der obendrein kaum bezifferbar ist (300-1000/Jahr?), weil diese Kinder nicht aus Europa stammen und direkt zum Zweck der Schlachtung gekauft und eingeschmuggelt werden.
Jeder Fall ist einer zu viel.
Aber warum nicht dort anfangen, wo es leicht möglich wäre? Ein Verzicht auf den Exorzismus - oder eine Abwandlung auf Heilgespräche im Rahmen einer medizinischen oder psychologischen Behandlung - keine Heilung ohne Glauben^^ - täte der christlichen Lehre welcher Konfession auch immer keinen Abbruch.
(Wie im übrigen, aber etwas anderes Thema, auch die nachträgliche Zahlung eines ehrlichen Gehalts an die ehemals zwangsarbeitenden Kinder in kirchlichen Heimen.)
Bei den anderen Kulte sehe ich durchaus auch Licht: Die Mädchenbeschneidung in Westafrika wird zunehmend von den religiösen Leitpersonen als Problem erkannt und entsprechende Anlässe zu initiierenden Aufklärungsveranstaltungen umgebildet, über Medizinleute Amazoniens hörte ich, daß sie sich ihrer Grenzen bewusst sind und ihren Einfluss nutzen, ihre Patienten an medizinische Einrichtungen zu verweisen, es tut sich was.