Ungarischer Rechtsruck

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
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Mo 26. Apr 2010, 15:38 - Beitrag #1

Ungarischer Rechtsruck

http://www.sueddeutsche.de/politik/328/509459/text/

Die nationalkonservative Fidesz-Partei kann künftig mit einer Zweidrittelmehrheit regieren.

...

Kritiker ... hatten im Vorfeld der Stichwahl gewarnt, eine so große Macht dieser Partei gefährde die Demokratie. Ein Ministerpräsident Orban könne, gestützt durch die große Mehrheit, eine autoritäre Staatsverfassung anstreben.

...

Andere Beobachter meinen hingegen, die unumschränkte Macht werde Orban mäßigen und befähigen, endlich die dringend nötigen, lange verschleppten oder mit Unentschlossenheit verspielten Reformen anzugehen. Orban, der bereits von 1998 bis 2002 regierte, hat in Aussicht gestellt, die Korruption zu bekämpfen und die Wirtschaft zu stärken.


mir kommt das kalte Grauen

Lykurg
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Mo 26. Apr 2010, 23:18 - Beitrag #2

Die Furcht vor Orban finde ich nach dem, was ich hörte, übertrieben, auch wenn sein Demokratieverständnis zu wünschen übrig läßt. Erstaunlich und ein deutliches Zeichen fürs Versagen der Sozialisten finde ich aber, daß noch darüber hinaus die rechtsextreme Jobbik-Partei auf 16,7% der Stimmen gekommen ist.

Ebenfalls die Süddeutsche berichtet über die Hintergründe:
Nach seinem knappen Wahlsieg 2006 bekannte der damalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany in einer internen Sitzung offen vor seinen Abgeordneten: Man habe die Bürger über die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes belogen und in der bisherigen Regierungszeit nichts Konstruktives geleistet. Ein Mitschnitt des Auftritts wurde den Medien zugespielt - wochenlang war die "Lügenrede" das einzige Thema in Ungarn. Im Herbst 2006 kam es zu Straßenschlachten, das politische Klima vergiftete sich weiter.

Ipsissimus
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Di 27. Apr 2010, 00:27 - Beitrag #3

"Völkisch orientiert ist auch die rechte Partei Fidesz, die die nächste ungarische Regierung stellen wird. Fidesz verfolgt über die ungarischsprachigen Minderheiten in den angrenzenden Staaten eine "Großungarn"-Politik [4]; die Partei-Ideologie umfasst, wie die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky im Gespräch mit dieser Redaktion bestätigte, einen strukturellen Antisemitismus sowie eine völkische Mythologie ("Lehre von der Heiligen Ungarischen Krone").[5] Zwischen Jobbik und Fidesz gebe es "keine scharfe ideologische Trennlinie", urteilen Kritiker.[6] Magdalena Marsovszky zufolge war Fidesz sogar in die Gründung von Jobbik eingebunden.[7]"

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57780



"Die völkische Rechte ist in Ungarn seit Jahren mit Riesenschritten auf dem Vormarsch. In wohl keinem Land der EU ist blanker Antisemitismus wieder so hoffähig wie dort (siehe KONKRET 8/08), wohl keine europäische Hauptstadt erhebt so offen wie Budapest den Anspruch, gleichsprachige Minderheiten in benachbarten Staaten - im ungarischen Falle eben die "Auslandsungarn" - an den eigenen Staat anzubinden. Selbst die Revision der Pariser Friedensverträge, auf die die heutigen Grenzen Ungarns zurückgehen, ist in dem Donaustaat kein Tabuthema mehr.

Rechtsextreme ungarische Banden ermorden Roma und marodieren mittlerweile sogar in der Slowakei. Jobbik, ihre Partei, hat nun auch bei Wahlen den Durchbruch geschafft. Das vielleicht Erschreckendste aber ist die breite Verankerung des völkischen Irrsinns in Ungarn. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung behaupten, Juden hätten "zu viel Macht auf dem internationalen Finanzmarkt". Zwei Drittel beschweren sich, daß sich die Roma "zu stark vermehren". Nur ein Drittel empfindet die Positionen von Jobbik als "extrem", und zehn Prozent sympathisieren inzwischen völlig offen mit der paramilitärischen Ungarischen Garde."


http://www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php?text=a2

e-noon
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Di 27. Apr 2010, 13:18 - Beitrag #4

Ich finde auch, dass sich gewisse Länder Afrikans oder auch beispielsweise Afghanistan zu stark vermehren. Jedenfalls zu stark für ihre Kapazitäten, was ein allgemeines Sinken des Lebensstandards zur Folge hat (bzw. ein Anheben desselben erschwert). Von dahin bis "ich geh sie jetzt mal alle ermorden" ist es unter Umständen ein ziemlich weiter Schritt.

Iran und andere Länder haben ähnliche Bestrebungen, sich Land "zurückzuholen", ist halt blöd, wenn jetzt ein EU-Land solche Rhetorik verlauten lässt, aber das ist wohl eher Jobbek, die etwa ein Sechstel der Sitze innehaben, als die größere Regierungspartei Fidesz (?).

Und wie ein "Rechtsruck" konkret aussehen wird in einem Land, das vorher von einer sozialistischen Partei regiert wurde, weiß man auch nicht. :confused:

Maglor
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Di 27. Apr 2010, 17:41 - Beitrag #5

Die Fidesz-Partei ist mit Mitglied in der Europäischen Volkspartei (EVP), also auch nur eine Schwester der CDU im Kampf gegen den namenlosen Feind. ;)
Dem üblichen wirtschaftsliberalen Zeitgeist der anderen Konservativen steht die Fidesz-Partei übrigens fern.

Ansonsten sehe keine besondere Bedrohunglage. Hetze und Diskriminierung nationaler Minderheiten und nationaler Größenwahn sind auch in zahlreichen anderen EU-Staaten quasi Alltag. Ob ich jetzt natürlich Rumänien, Italien, Griechenland, Lettland oder Bulgarien als Maßstab für Europa sinnvoll ist, ist eine andere Frage. :crazy:

Ich sehe da keinen wesentlichen Unterschiede und auch keine exorbitanten Bedrohungen für Frieden und Demokratie in Europa, außer natürlich ich sehe in den überragenden Wahlerfolgen der Fidesz-Partei ein gutes Argument für die Abschaffung der Demokratie. Die Ungarn haben sich zumindest entschieden und es nicht anders gewollt. :rolleyes:

Lykurg
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Di 27. Apr 2010, 18:44 - Beitrag #6

Antisemitische und antiziganische Stimmungen und Gewalttaten sind ernstzunehmen, das stimmt natürlich, und eine Partei, die dem Raum gibt, ist nicht besonders gut als europäisches Vorzeigeschild geeignet.

Der Konkret-Artikel allerdings ist eher witzig, klingt stellenweise nach weitergeführtem DDR-Fernsehen: "Die aggressive völkische Politik, deren erste Elemente Budapest in den achtziger Jahren gemeinsam mit Bonn eingeführt hatte, brach in den Neunzigern immer stärker durch." Auch der Vertrag von Trianon war aus ungarischer Perspektive wohl nicht gerade das Gelbe vom Ei. Daß der vierzigjährige Deckel auf dem Topf im Realsozialismus die Sache nicht verbessert hat, wundert mich weniger als den Schreiberling.

Abwarten. Ändern läßt sich ohnehin nicht viel, bei einer so eindeutigen Entscheidung des Souveräns.

Traitor
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Sa 1. Mai 2010, 12:22 - Beitrag #7

Den Eindruck, den ich bisher von Fidesz und Orban habe, ist primär der von Macht-Opportunisten à la Berlusconi und Sarkozy. Ein stark nationalistisches Auftreten ist also wohl allemal zu erwarten, die extremeren Positionen mit Gebietsrückgewinnungen, eindeutiger Ausländerverfolgung und deartigem werden sie aber wohl eher unkommentiert dulden, um sich so Anhängerschaft zu sichern, als sie selbst aktiv zu betreiben.
Einem totalen Verfassungsumbau würde die EU sicher gut einen Riegel vorschieben können. Allerdings sieht man ja an Berlusconi, wie sehr man auch innerhalb eines offiziell gleichbleibenden Systems die politische Kultur vernichten kann, und in einem derart nationalistischem Klima, wie es Ungarn inzwischen zu haben scheint, ist diese Gefahr noch weit größer.

janw
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Do 6. Jan 2011, 20:28 - Beitrag #8

Mittlerweile hat die Regierung ein Gesetz erlassen, das es erlaubt, willkürlich gegen Veröffentlichungen in den Medien vorzugehen.
Seitens der EU wird das als Beschränkung der Pressefreiheit gesehen.
Trotz aller Kritik wird jedoch an der ungarischen Ratspräsidentschaft in der EU festgehalten.

Wie seht Ihr das? Analogie zum Ermächtigungsgesetz? Appeasement seitens der EU, nochmal und nochmal, bis irgendwann...Lager?

Maglor
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Do 6. Jan 2011, 21:23 - Beitrag #9

Die Gefahr scheint mir erstmal nicht so groß. Allein schon aufgrund der offenen Grenzen zu den anderen EU-Staaten und dem Anschluss an das Internet, werden sich in Ungarn keine chinesischen Verhältnisse einführen lassen, italienische sicherlich schon.

Verstösst die ungarische Presse gegen die guten Sitten oder allgemeine Interessen des Staates, drohen nun hohe Geldstrafen. Offizielles Ziel ist auch gegen politische Propaganda vorzugehen. Was die neue Gesetzgebung wirklich mit sich bringt, wird erst die Praxis zeigen.
Von einer totalen Kontrolle kann nicht die Rede. Die schwerwiegendste Wirkung des Gesetzes ist aber die Verflachung der ungarischen Medienlandschaft, sondern dass die ungarischen Medien sich im Sturmlauf versuchen.

janw
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Do 6. Jan 2011, 22:16 - Beitrag #10

Maglor, die äußerst schwammige Umschreibung dessen, was als gesetzeswidrig zu gelten habe in Verbindung mit der Existenzgefährdung durch die Höhe der angedrohten Bußgelder, zudem das einschlägig^^ bekannte Fußvolk der Rechten laufen IMHO auf die schlimmste Wirkung jeder Zensur hinaus, mind control.
Wenn Europa seine Werte, die es sonst gegenüber anderen Mißachter offensiv vertritt, auch wenn diesen Unaufgeklärtheit als mildernder Umstand zugestanden werden könnte, hier nicht in der Tat vertritt, was sollen sie wert sein?

Traitor
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Do 6. Jan 2011, 22:31 - Beitrag #11

Der Auftakt scheint zumindest schonmal nicht so schlimm zu sein: ;)
Das erste Verfahren wurde von der Behörde am 1. Januar 2011 eingeleitet und richtete sich gegen den Radiosender Tilos Rádió. Beanstandet wurde das Abspielen des Songs „It’s on“ von Ice-T.[1][2]

Am 4. Januar leitete die Behörde ein Verfahren gegen den privaten Fernsehsender RTL Klub ein, da dessen Berichterstattung im Oktober 2010 angeblich „reißerisch“ und „für jugendliche Seher schockierend“ gewesen sei.[3]
(Zitiert nach Wikipedia)

Aber ja, an sich ein recht großer Skandal. Leider ist es aber auch zu einfach für europäische Politiker, auf die bösen Ungarn zu zeigen und sich selbst dagegen als die Bewahrer der Pressefreiheit aufzuspielen. Nicht über Gesetze, aber über Durchsuchungen und Prozesse gibt es leichte Tendenzen in Richtung Pressekontrolle ja sogar in Deutschland, Italien ist ja sowieso ein klarer Fall.

Andererseits würde man sich manchmal ja sogar wünschen, die Presse würde für "unausgewogene Berichterstattung" zahlen müssen. Springer könnte gleich dichtmachen. Nur darf soetwas (eigentlich) selbstverständlich nicht vom Staat ausgehen, sondern allerhöchstens ein unabhängiger oder von der Branche gestellter Presserat könnte die Sache übernehmen. Und selbst dann wären die negativen Auswirkungen wohl größer.

Zurück zu Ungarn. Sollte es EU-Sanktionen geben? Symbolische Ausschlüsse wie damals bei Österreich bringen wenig und machen eher den Eindruck einer Pfui-Politik. Eher müssten gemeinschaftliche Mediengesetze erlassen werden, die scharf genug sind, und dann gewöhnliche Vertragsstrafen greifen, wenn denen zuwidergehandelt wird.

Maglor
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So 9. Jan 2011, 21:55 - Beitrag #12

Und von wem soll eine Initiative für Pressefreiheit kommen: Italien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland ...

Nach der Rangliste für Pressefreiheit 2010 von "Reporter ohne Grenzen " teilen sich Ungarn und Tschechien den Rang 23 von 178 Staaten.
Die EU als ganzen hat ihre Führungsrolle bei der Pressefreiheit verloren. Sie ist in den einzelnen Ländern der EU sehr verschieden, einige spielen in der gleichen Liga wie afrikanische und südamerikanische Staaten. Italien steht demnach auf Augenhöhe mit Burkina Faso auf Platz 49. Bulgarien und Griechenland snd auf Platz 70 mit dem Benin, Kenia und den Komoren in guter Gesellschaft. Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen.
Einfacher als eine Initiative für Pressefreiheit, ist eine Initiative gegen Ungarn: Da ist der Feind natürlich leicht auszumachen.

Traitor
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Do 17. Feb 2011, 23:32 - Beitrag #13

Anscheinend hat die reine Meckerkulisse der Rest-EU schon gereicht, um die Ungarn zu einigen Zugeständnissen zu bewegen. Der Ansatz an sich, ein Kontrollgremium und exotische Vergehen wie "unausgeglichene Berichterstattung", scheint aber nicht geändert zu werden, "in allen Punkten" ist also doch etwas euphemistisch formuliert.

Ipsissimus
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Fr 8. Apr 2011, 13:47 - Beitrag #14

http://www.sueddeutsche.de/kultur/ungarn-andrs-schiff-im-gespraech-leute-werden-kaltgestellt-1.1082634

Als Ungarn am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, veröffentlichte der Pianist András Schiff in der Washington Post einen Text, in dem er fragte, ob sein Heimatland angesichts des grassierenden Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus geeignet sei, diesen Posten zu bekleiden, schließlich sei die EU nicht nur eine Wirtschafts- und Handelsunion, sondern verkörpere auch gemeinsame europäische Werte. Daraufhin brach in Ungarn ein Sturm der Entrüstung los. Der Publizist Zsolt Bayer hetzte in der Tageszeitung Magyar Hírlap gegen Schiff, Daniel Cohn-Bendit und den Guardian-Redakteur Nick Cohen, den er als "stinkendes Exkrement" bezeichnete. Er sprach von "diesen Cohns" und schrieb: "Leider ist es nicht gelungen, einen jeden bis zum Hals im Wald von Orgovány zu verscharren." In Orgovány wurden 1920 nach dem Zusammenbruch der kurzlebigen kommunistischen Räterepublik Hunderte, vor allem Juden und als Kommunisten verdächtigte Personen, gefoltert und getötet. András Schiff, der in Italien lebt, gab kurz darauf bekannt, nicht mehr in Ungarn aufzutreten. Glücklicherweise gab er aber gerade wieder in Wien ein Konzert. Grund genug, mit ihm über sein Heimatland, den ungarischen Nationalismus und Zivilcourage zu sprechen.


Saujude und Hochverräter, alles ganz harmlos mit Ungarn. Und das bei einem der besten Pianisten der Welt. Das Interview ist bedrückend

Lykurg
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Fr 8. Apr 2011, 15:20 - Beitrag #15

Wirklich schlimm, ja. Und zu befürchten, daß es weiterhin ignoriert wird, wenn sie sich das schon während der Ratspräsidentschaft so erlauben können... erschreckend, daß die Berliner Veranstaltung abgesagt werden mußte.

Schiffs Spiel habe ich hier im Konzert erlebt - ich verstehe nicht, daß es dort so weit kommen konnte, diesen großartigen Mann zu vertreiben.

janw
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Fr 8. Apr 2011, 20:51 - Beitrag #16

Naja, ist es nicht eher eine gesellschaftsweite Katastrophe, auch dann hinreichend fürchterlich, wenn normale Bürger sich nicht mehr trauen, ihre Meinung zu sagen, um nicht andernfalls beliebig drangsaliert zu werden, als "Kollaborateure der Hochverräter"?


Wie ist aber nun damit umzugehen, daß die Regierung von 2/3 der Wähler gewählt worden ist? Ruhen der EU-Mitgliedschaft, bis die Gesellschaft ihre Grundhaltung geändert hat?

Ipsissimus
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Mo 11. Apr 2011, 11:53 - Beitrag #17

ich verstehe nicht, daß es dort so weit kommen konnte, diesen großartigen Mann zu vertreiben
Ganz einfach, dort ist ein Otterngezücht aus braunem Morast an die Macht gekommen.

Wie ist aber nun damit umzugehen, daß die Regierung von 2/3 der Wähler gewählt worden ist? Ruhen der EU-Mitgliedschaft, bis die Gesellschaft ihre Grundhaltung geändert hat?
Das hängt davon ab, wem wie wichtig die Handelsbeziehungen zu Ungarn sind. Von daher, keine Chance auf eine konzertierte Aktion. Nazi-Analoga sind politikfähig geworden in Europa.

janw
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Mo 11. Apr 2011, 21:37 - Beitrag #18

Zitat von Ipsissimus:Das hängt davon ab, wem wie wichtig die Handelsbeziehungen zu Ungarn sind. Von daher, keine Chance auf eine konzertierte Aktion. Nazi-Analoga sind politikfähig geworden in Europa.

Ipsi, diese Entwicklung sehe ich auch und finde sie furchtbar.
Ich bin nur nicht ganz sicher, ob eine Isolation ein richtiger Weg wäre damit umzugehen, in dem Sinne, daß er irgend etwas in Richtung einer "Ent-Braunung" erreichen würde, oder ob damit nicht eine Stimmung geschürt würde des "jetzt erst recht, und wenn die Welt gegen uns ist", verbunden mit noch drastischerer Unterdrückung der politisch Unbeliebten, die dann noch stärker als bisher als "ferngesteuerte subversive Elemente der bösen Welt da draußen" hingestellt würden.

Mir würde eher so etwas vorschweben, wie Ungarn vom Ratsvorsitz auszunehmen, das Mediengesetz ganz streng als Grundrechtsverstoß zu werten mit Anklage Ungarns in Strasburg, Ausnahme des Landes von bestimmten Förderprogrammen, praktisch allen außer solchen zur politischen Bildung und Integration von Minderheiten.

Ipsissimus
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Do 14. Apr 2011, 12:32 - Beitrag #19

ich denke, mensch muss der Tatsache ins Auge sehen, dass faschistisches Gedanken- und Gefühlsgut in einigen Teilen Europas nie wirklich überwunden worden ist, sondern immer nur unterdrückt wurde.

Wenn ich mir die Auseinandersetzung mit den Neo-Nazis in Deutschland anschaue, kann ich auch nur sagen: SO wird zementiert, was überwunden werden soll. Eine ernstzunehmende öffentliche Diskussion über die Inhalte neofaschistischer Politik, in der diese Inhalte auf den Punkt kommend auch bezeichnet und erläutert würden, findet nicht statt; statt dessen die stereotype Versicherung, dass dort das absolute Böse lauert ... na gut, früher war das so, heute hat AQ diese Rolle übernommen. Sowas führt dazu, dass diejenigen, die ohnehin überzeugt sind, sich in ihrer Überzeugung bestätigt fühlen, und die anderen sich noch enger zusammenrotten und noch weniger einen Scheiß darum scheren, was die Guten von ihnen wollen.

Ähnliches vermute ich auch für Ungarn und einige andere Länder, nicht nur Osteuropas, und teilweise in erheblich höherem Ausmaß. Verdrängen, auf sich beruhen lassen statt aufarbeiten wird uns noch teuer zu stehen kommen, befürchte ich. Spätestens, wenn die Armut so richtig um sich greift.

janw
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Do 14. Apr 2011, 13:57 - Beitrag #20

Hm, soll vielleicht gar nicht überwunden werden, weil gemeinsamer Feind ein so probates Mittel?

Das Problem ist IMHO, daß die Diskussion über die Inhalte faschistischer Politik schon daran scheitert, daß sie in abgeschwächter Form auch von Konservativen bemüht werden. Sarrazin und jetzt Friedrich schüren ja durchaus die Fremdenangst.

Vielleicht glaubte man auch zu sehr an den immerwährenden Wohlstand als Abschirmung gegen das Unaussprechliche.

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