Autismus-Asperger Syndrom

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Ipsissimus
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Mo 17. Jan 2011, 13:12 - Beitrag #41

Ich denke, das vorrangige Problem eines "Aspergers" wird darin bestehen, dass er eine derartige Diagnose vor dem Hintergrund und als Verlängerung einer "Karriere" der Infragestellung seiner grundsätzlichen geistigen Mündigkeit erlebt. Ich bezweifele daher, dass die Rationalität, von der du im letzten Absatz sprichst, dieselbe Haltung meint, von der ein "Asperger" ausgeht.

009
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Mo 17. Jan 2011, 19:03 - Beitrag #42

Upps, mir ist da tatsächlich und schlicht nur das nicht entwicht!

janw
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Mo 17. Jan 2011, 21:01 - Beitrag #43

Bedürfte nicht eigentlich der einer Diagnose, der einer solchen bedarf, um anderers Sosein nicht als solches anerkennen zu müssen?^^

e-noon
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Mo 17. Jan 2011, 21:24 - Beitrag #44

Und wer wäre das? Ich kann Unhöflichkeit als Unhöflichkeit anerkennen und sie trotzdem unhöflich, damit unangenehm finden.

Ich denke, das vorrangige Problem eines "Aspergers" wird darin bestehen, dass er eine derartige Diagnose vor dem Hintergrund und als Verlängerung einer "Karriere" der Infragestellung seiner grundsätzlichen geistigen Mündigkeit erlebt.
Nein, das, denke ich, ist stark vom Kontext abhängig. Dir würde das im Zweifelsfall so ergehen, meine ich aus deinen Beiträgen herauszulesen, bei mir wäre das genaue Gegenteil der Fall. Mir ging es immer schon so, dass ich für eine klare Diagnose dankbar war, egal, was es betraf; und welche unserer beiden Herangehensweisen die häufigere ist, finde ich schwierig, auch nur zu vermuten. Naheliegenderweise ist mir meine Herangehensweise plausibler und näher und dir vermutlich die deine.

Wenn der Fall so schwer ist, dass die geistige Mündigkeit permanent infrage gestellt wird, dann würde ich eine Diagnose als umso dringender gesucht und umso erleichternder empfinden.

Maglor
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Mo 17. Jan 2011, 23:05 - Beitrag #45

Der Witz beim Asperger ist, dass es sich eigentlich nur einen schwach ausgeprägten Autismus handelt. Im Grunde eine Diagnose für alle, die ein auf autistische Weise ein bisschen komisch sind, aber noch zu einem halbwegs geregeltem Leben in der Lage sind.
Ja, ein aus der Norm fallen, ist da schon vorhanden. Dieser Personenkreis kann dann in die genormte Asperger-Schublade geschoben werden.
Ursachen sind unbekannt, Heilungsmethoden auch.
Was bringt es dann noch? Ansonsten eine tolle Sache Asperger, ADHS, Borderline ... für jeden etwas. Irgendwas ist immer schuld.

@e-noon Wenn du klare Diagnosen magst, ich kann dir welche geben. :crazy:

e-noon
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Mo 17. Jan 2011, 23:21 - Beitrag #46

Immer her damit :D

In Dir haben wir ja eine Innenperspektive in besonderer Hinsicht, nicht nur wurde bei dir ein starker Fall von Maglorismus diagnostiziert, sondern du hast die (Bezeichnung der) Anomalie selbst geprägt! Wie fühlst du dich damit?

Ich sollte inhaltlich noch irgendwas zum Thema beitragen, oder? Also, die soziale Interaktion scheint mir der Hauptpunkt zu sein:

Da das Autismusspektrum beim Asperger-Syndrom nicht endet, sondern sich weit in die Normalität – zum Beispiel bis in die „ganz normale“ Schüchternheit oder Eigenbrötlerei – hinein erstreckt, wurde für Erscheinungsbilder mit schwach ausgeprägten autistischen Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen der Begriff „Broader Autism Phenotype“ (BAP) – umgangssprachlich auch „Schattensyndrom“ – geprägt.[11]


Beeinträchtigt ist insbesondere die Fähigkeit, nonverbale und parasprachliche Signale bei anderen Personen intuitiv zu erkennen und intuitiv selbst auszusenden. Das Kontakt- und Kommunikationsverhalten von Asperger-Autisten erscheint dadurch „merkwürdig“ und ungeschickt und wie eine milde Variante des frühkindlichen Autismus (Kanner-Syndrom)


Während "Spezialinteressen" wie hier beschrieben allerhöchstens einen zusätzlichen Wink geben, aber meiner Meinung nach keinesfalls diagnoseauslösend sein können und dürfen:
Typischerweise haben sie jedoch „Spezialinteressen“, die inhaltlich oder hinsichtlich ihrer Intensität ungewöhnlich erscheinen.[1] Diese Interessen liegen oft in technischen oder naturwissenschaftlichen Gebieten, wie Informatik, Mathematik, Physik, Biologie oder Astronomie; andere Betroffene beschäftigen sich leidenschaftlich mit Musik oder dem Auswendiglernen verschiedenartigster Fakten.[43

Maglor
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Mo 17. Jan 2011, 23:31 - Beitrag #47

Zitat von e-noon:In Dir haben wir ja eine Innenperspektive in besonderer Hinsicht, nicht nur wurde bei dir ein starker Fall von Maglorismus diagnostiziert, sondern du hast die (Bezeichnung der) Anomalie selbst geprägt! Wie fühlst du dich damit?

Nichts anderes zeichnet mich mehr als Experten auf als eben dieses.
Aber die Tradition ist eine andere. Syndrome werden nicht nach Patienten benannt, sondern nach ihren Entdeckern und Erfindern. Daher werde ich die tief greifende Störung e-noons, die ich in ihrem edel einfältigen Geist entdeckt habe, auch nach mir benennen: Das Maglor-Syndrom. :crazy:

e-noon
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Mo 17. Jan 2011, 23:39 - Beitrag #48

Dann aber bitte auch mit Definition! Wie sollen wir sonst darüber streiten, ob ich vom Maglor-Syndrom betroffen bin oder nicht?
Naja, zwei Symptome gibt es ja schon:
- tiefgreifende Störung
- edel einfältiger Geist

Zur Diagnose gut/schlecht fällt mir noch ein, dass wohl die meisten Asperger sich von sich aus beim Arzt oder Therapeuten melden und nicht dort eingeliefert werden. Insofern sollte die Suche nach einer Diagnose beim Asperger (nicht beim Autisten) wohl von ihm (viel seltener ihr) intrinsisch motiviert sein.

Ipsissimus
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Di 18. Jan 2011, 10:59 - Beitrag #49

e-noon, die Innenperspektive eines Menschen von sich selbst und die Außenperspektive, der er unterliegt, sind zwei sehr verschiedene Paar Schuhe, das ist dir schon klar, oder? Wenn du selbst eine Persönlichkeitsstruktur aufweist, die bereitwillig jeder Verfügung der Außenperspektive folgt, hast du vielleicht kein Asperger, aber jede Menge anderer Probleme, von denen ich mir beinahe sicher bin, dass sie bereits in den Tiefen irgendeines Lehrbuchs zu einem netten Syndrom zusammengefasst wurden^^

Asperger hat man nicht, Asperger ist man. Und die Feststellung läuft damit darauf hinaus, dass man eine Krankheit ist.

Milena
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Di 18. Jan 2011, 11:05 - Beitrag #50

dass man eine Krankheit ist.

..das höre ich zum ersten mal und das klingt äusserst schrecklich...und ich würde es dabei belassen, dass mensch einfach mensch nur ist, mit allem drum und dran und fertig aus...
ich wollte nur ein benehmen eines menschen verstehen und ihn nicht negativ betiteln, sondern über das und jenes benehmen diskutieren...Bild

Ipsissimus
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Di 18. Jan 2011, 11:16 - Beitrag #51

ich weiß ja, Schätzle, dass das bei dir der Fall ist, dass du nur verstehen willst. Aber in vielen Fällen geht das Interesse der Umgebung weit über das Verstehenwollen hinaus. Und dann wird es sehr schnell beliebig heikel.

e-noon
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Di 18. Jan 2011, 12:31 - Beitrag #52

Ich weiß es nicht, vielleicht haben wir einfach nur völlig unterschiedliche Wahrnehmungen in Bezug auf psychische Krankheiten. Ich fand den gesamten Themenkomplex immer äußerst faszinierend, ca. die Hälfte meines Freundeskreises hat entweder einen an der Waffel oder studiert Psychologie :D Und als völlig normal würde ich mich selbst auch nicht sehen. Mein Bruder hat ADHS, einige meiner Freunde auch, die Schwester einer Freundin hatte Bulimie, die Mutter einer Freundin ein Helfersyndrom... und ich würde mich über eine Diagnose wie "ADHS" und ein bisschen Ritalin im Moment auch sehr freuen, dann hätte ich eine plausible Begründung dafür, warum ich es erst Donnerstag Nacht schaffen werde, meinen Essay für Freitag fertigzuschreiben, und vielleicht auch schon Abhilfe. Da "Autismus" in sämtlichen Schattierungen von "absolut unfähig zu Eigenständigkeit" bis zu "etwas schüchtern" vorkommt, ist das eigentlich sogar eine Diagnose, mit der man sehr wenig eingeschränkt ist, die man in leichten Fällen sogar getrost völlig ignorieren kann. Super!

e-noon, die Innenperspektive eines Menschen von sich selbst und die Außenperspektive, der er unterliegt, sind zwei sehr verschiedene Paar Schuhe, das ist dir schon klar, oder?
Ja... wie kommst du darauf, das könnte mir nicht klar sein? Meine Überlegung fußte darauf, dass die meisten Aspergerbetroffenen wohl kaum so schwerwiegende Störungen aufweisen, dass man sie zwingt, zum Arzt zu gehen. Die meisten derer, die mit der Diagnose konfrontiert werden, sind somit vermutlich Menschen, die sich mit der Bitte um Diagnose und Rat an einen Therapeuten gewandt haben (oder Partner von Menschen, die sich für Psychologie interessieren ^^). Wenn jemand sich also mit der Bitte um Diagnose an einen Therapeuten wendet, seine Symptome beschreibt und dann der Therapeut nach eingehender Untersuchung meint, es könne sich um Asperger handeln... wo wäre dann das Problem, sowohl für die Außenwelt, als auch für den Patienten?

Ipsissimus
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Mi 19. Jan 2011, 13:27 - Beitrag #53

Ja... wie kommst du darauf, das könnte mir nicht klar sein?
weil du diese "Krankheiten" begrifflich verwendest, als seien die damit proklamierten Sachverhalte so eindeutig gegeben, wie bei einem Apfel oder einer Tafel Schokolade. Du stellst z.B. ADHS, Bulimie und Helfersyndrom in eine Linie (und erweckst dabei den Eindruck, du habest dabei die Vorstellung einer Eindeutigkeit wie z.B. bei einer exogenen Psychose). Das Problem dabei ist, dass der Sprachgebrauch suggeriert, eine Eindeutigkeit der Sachlage sei gegeben, zumindest eindeutig in dem Sinne, als sei klar, DASS in jedem Fall eine Sachlage gegeben sei. Aus meiner Sicht ist das eben nicht klar. Wenn ich rothaarige, nicht mehr jungfräuliche Frauen zwischen 22 und 26 als Hexen definiere, sind die zwar im Sinne dieser Definition Hexen. Ein Sachverhalt ist damit aber immer noch nicht verbunden. Oder noch deutlicher, der Sinn der Definition liegt in der Diffamierung, nicht in der Darstellung eines Sachverhalts.

Ein Asperger empfindet, wie jeder andere Mensch auch, lange Zeit nicht sich als seltsam ... erst wenn ihm lange genug vermittelt wird, dass er merkwürdig sei, erliegt er irgendwann der Suggestion

Milena
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Mi 19. Jan 2011, 13:52 - Beitrag #54

erst wenn ihm lange genug vermittelt wird, dass er merkwürdig sei, erliegt er irgendwann der Suggestion

...aber das ist doch quatsch ipsischatz...^^
ich habe mit einer autistin (sag ich mal:stark ausgeprägte form) gearbeitet und da liess sich nichts suggerieren, weil das überhaupt nicht anstand....wir wollen dem menschen nichts klarmachen...sondern einfach ein genehmes miteinander, ein unterdiearmegreifen, wenn notwendig vermitteln...um mehr ging es doch nicht, und
e-noon hat schon richtig erkannt mit:
Da "Autismus" in sämtlichen Schattierungen von "absolut unfähig zu Eigenständigkeit" bis zu "etwas schüchtern" vorkommt, ist das eigentlich sogar eine Diagnose, mit der man sehr wenig eingeschränkt ist, die man in leichten Fällen sogar getrost völlig ignorieren kann.

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Mi 19. Jan 2011, 14:01 - Beitrag #55

ich beziehe mich dabei auch nicht auf Autismus insgesamt, Süße :love2: sondern wirklich nur auf so heikle Grenzfälle wie Asperger, ADHS, Borderline, bei denen es auch medizinisch umstritten ist, ob es sich überhaupt um Krankheiten handelt, oder nur um die Zusammenfassung von Symptomen, die aber eben nicht systematisch miteinander verbunden sind (wie dies bei einer echten Krankheit der Fall wäre). "Richtiger" Autismus, da stimme ich dir zu, ist ohne Frage eine so weitgehende Beeinträchtigung der Überlebensfähigkeit, dass die Auffassung einer Krankheit mehr als berechtigt ist - diese Kinder würden ohne spezielle Bemühungen und in "freier (gesellschaftlicher) Wildbahn" einfach sterben.

e-noon
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Mi 19. Jan 2011, 14:33 - Beitrag #56

Ipsi, wie schon gesagt, mich haben psychische Krankheiten schon immer fasziniert, und den meisten davon stehe ich sehr positiv gegenüber. Es ist mir auch völlig klar, dass sich eine solche Krankheit nicht so klar definieren lässt wie eine Grippe oder eine Streptokokkeninfektion; aber da bei mir die Begriffe keinesfalls negativ gefärbt sind, wende ich sie einfach viel eher und auch umgangssprachlich an, als du das tun würdest, da du sie als "Urteil" über einen Menschen empfindest, während für mich Begriffe wie "Helfersyndrom" einfach für bestimmte Symptome stehen, die sich natürlich ändern lassen und somit mehr Beschreibung als Urteil darstellen. Wenn beispielsweise die Mutter meiner Freundin selbiger (22-jähriger, gesunder, intelligenter) Freundin regelmäßig bis um 3 Uhr nachts bei den Hausaufgaben hilft, dann um 5 Uhr morgens ohne Not wieder aufsteht, um ihrem Mann die Brote zu schmieren, zwischendurch nicht mal zum Duschen kommt, weil sie dem Freund meiner Freundin, der sich bei ihnen eingenistet hat, irgendwas hinterhertragen muss, dann nennen wir das bei uns Helfersyndrom. Ob das klinisch ist, was ein klinisches Helfersyndrom überhaupt beinhaltet, weiß ich nicht, es ist mir auch egal, es geht hier nur um einen kernigen Begriff, der das, was besagte Mutter tut, zusammenfasst. Damit ist noch nicht einmal die Forderung zur Änderung verbunden; wir sehen zwar, dass es dieser Frau nicht gut tut (Augenringe bis zum Boden etc.), aber solange sie der Meinung ist, das sei nötig, wird sie wohl auch nicht ablassen.

Außerdem ist für mich eine Diagnose viel eher eine Entschuldigung als ein Urteil, gar ein abwertendes. Wenn ich jemandem sagen kann "Entschuldigung, wenn ich mich seltsam verhalte, ich habe Asperger", klingt das doch viel besser als "Entschuldigung, wenn ich mich seltsam verhalte, ich bin sehr schüchtern und linkisch." Letzteres wäre wohl bei mir als Jugendlicher der Fall gewesen, Sachen wie "so und so lange in die Augen sehen, auf keinen Fall ohne zu blinzeln und den Blick schweifen zu lassen anstarren" musste ich mir erst von anderen angucken und denke jetzt noch häufig darüber nach, während ich mich mit jemandem unterhalte, habe auch häufig das Gefühl, dabei noch immer vieles falsch zu machen, aber deutlich weniger als früher. Hätte mir da jemand die Sorge genommen und mir solche Regeln bewusst gemacht, wäre es vielleicht leichter gewesen (ohne Feedback kann man ja nie sicher sein... und mit der Begründung "Asperger" nach Hilfe zu fragen, klingt für mich weiterhin seriöser, als mit der Begründung "ich bin linkisch und schüchtern").

Außerdem musste mir nie jemand einreden, ich sei komisch... das Gefühl stellte sich in sozialen Situationen einfach ein. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ein Asperger das eher nicht hat, weil auch das Erkennen sozialer Unstimmigkeiten ihm schwerfällt; er stellt vielleicht irgendwann fest, dass er wenige soziale Kontakte hat, aber warum, ist ihm nicht klar. Auch dabei könnte eventuell die Diagnose helfen, natürlich immer vorausgesetzt, es ist die richtige Diagnose und man weiß damit umzugehen.

janw
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Mi 19. Jan 2011, 14:36 - Beitrag #57

Vielleicht gibt es da doch noch einen dritten Weg, vielleicht brauchen manche Leute solch eine Etikettierung, um sich einem Menschen besser zuwenden zu können, an dem ihnen etwas merkwürdig erscheint.
Sei ein Mensch oft müde und im Vergleich zu anderen weniger produktiv, könnte manch Betrachter hierin Nachlässigkeit und Desinteresse vermuten und froh sein, hierzu nicht veranlasst zu sein, wenn ein diagnostisches Etikett als Erklärung vorliegt.
Ist ein reales Beispiel aus meinem näheren Umfeld.

Zitat von e-noon:Und als völlig normal würde ich mich selbst auch nicht sehen. Mein Bruder hat ADHS, einige meiner Freunde auch, die Schwester einer Freundin hatte Bulimie, die Mutter einer Freundin ein Helfersyndrom... und ich würde mich über eine Diagnose wie "ADHS" und ein bisschen Ritalin im Moment auch sehr freuen, dann hätte ich eine plausible Begründung dafür, warum ich es erst Donnerstag Nacht schaffen werde, meinen Essay für Freitag fertigzuschreiben, und vielleicht auch schon Abhilfe.

Nun, daß die Schwestern Lehrerinnen eine Utilitaristin geschaffen haben, ist schon bemerkenswert^^

Als Frau hättest Du aber durchaus andere Möglichkeiten, die nichtfertigstellung des Essays zu entschuldigen...

e-noon
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Mi 19. Jan 2011, 19:10 - Beitrag #58

Vielleicht gibt es da doch noch einen dritten Weg, vielleicht brauchen manche Leute solch eine Etikettierung, um sich einem Menschen besser zuwenden zu können, an dem ihnen etwas merkwürdig erscheint.

Das wohl auch. Ich behaupte weiterhin, dass es eine Zahl >/= 1 von Personen gibt, die sich mit einer Diagnose wohler fühlen als ohne, aber abgesehen davon kann es natürlich auch für andere Menschen hilfreich sein, zu wissen, dass der andere einen gerade nicht bewusst vor den Kopf stößt, sondern in absoluter Ermangelung der Fähigkeit, sein Verhalten als falsch anzusehen, und das nicht aufgrund mangelnden Willens, sondern wegen einer Krankheit, die sich eben so äußert. Bei Behinderungen, die ganz extrem in das Leben einer Person eingreifen, Erblindung etwa, macht es ja auch einen immensen Unterschied, ob man beispielsweise angerempelt wird, weil der andere einen provozieren will, oder weil er blind ist und einen nicht gesehen hat - ich denke, die Reaktionen auf die zwei verschiedenen Situationen könnten unterschiedlicher nicht ausfallen.

Sei ein Mensch oft müde und im Vergleich zu anderen weniger produktiv, könnte manch Betrachter hierin Nachlässigkeit und Desinteresse vermuten und froh sein, hierzu nicht veranlasst zu sein, wenn ein diagnostisches Etikett als Erklärung vorliegt.

Ähnliche Beispiele lassen sich wohl auch für anderes finden, wurden auch schon von Makeda auf der ersten Seite genannt:
Ich habe es so kennen gelernt, dass es manchmal für Asperger schwieriger ist, relativ sponntane Ausflüge oder treffen mit Freunden zu vereinpaaren. Wobei dieses auch Tages bzw. Wochenabhängig ist.

Manchmal stehen solchen entscheidungen für Ausenstehende nur kleinigkeiten im Weg. [...]
Wichtig für mich an dieser Stelle ist, dass einem klar ist, dass es für denjenigen keine Kleinigkeit ist.

Ist ein reales Beispiel aus meinem näheren Umfeld.

janw
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Mi 19. Jan 2011, 21:04 - Beitrag #59

Zitat von e-noon:Das wohl auch. Ich behaupte weiterhin, dass es eine Zahl >/= 1 von Personen gibt, die sich mit einer Diagnose wohler fühlen als ohne, aber abgesehen davon kann es natürlich auch für andere Menschen hilfreich sein, zu wissen, dass der andere einen gerade nicht bewusst vor den Kopf stößt, sondern in absoluter Ermangelung der Fähigkeit, sein Verhalten als falsch anzusehen, und das nicht aufgrund mangelnden Willens, sondern wegen einer Krankheit, die sich eben so äußert. Bei Behinderungen, die ganz extrem in das Leben einer Person eingreifen, Erblindung etwa, macht es ja auch einen immensen Unterschied, ob man beispielsweise angerempelt wird, weil der andere einen provozieren will, oder weil er blind ist und einen nicht gesehen hat - ich denke, die Reaktionen auf die zwei verschiedenen Situationen könnten unterschiedlicher nicht ausfallen.

Du vermengst echte Krankheiten, die für den Betroffenen als körperliche Leiden erkennbar und unüberwindlich bestehen oder als schwere geistige Behinderungen einer internen Reflektion und Begreifbarkeit nicht zugänglich sind, mit Syndromen verhaltenstechnischer Grenzgängerigkeit.
Das Problem ist hier, daß die Zuweisung eines Krankheitsbegriffes gleichzeitig die Zuweisung eines Mechanismus bedeutet, dem Betroffener unüberwindbar ausgeliefert sei - was für diesen nichts weiter bedeutet, als diesem Mechanismus unterworfen zu sein, ohne Entrinnen.
"Nimm dein Bett und geh!" ist wohl eine der stärksten Beschreibungen des Problems.

Maglor
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Mi 19. Jan 2011, 21:17 - Beitrag #60

An der Stelle eröffnet sich wieder das bekannte Dauerthema, ob den der Mensch wohl einen freien Willen haben könnte oder nicht.
Wenn man nun beginnt offensichtlich nicht akut psychisch kranke Menschen, je nach Charaktertyp ein Syndrom zuzuordnen, impliziert man, dass sie eben keinen hätten, sondern krank seien - am besten unheilbar.
Sicher, so haben sie auch ihre Schuldigkeit getan. Geholfen ist damit keinem, außer den Hypochondern, die endlich eines neue Möglichkeiten gefunden haben, sich selbst für verrückt zu verkaufen.

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