Bounty bei der Bundeswehr^^

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 27. Jan 2011, 03:52 - Beitrag #41

Lykurg, ich gebe Dir auch durchaus recht, was den Vergleich mit Costa Rica betrifft, ich sehe da auch noch andere Probleme - ein deutscher Sonderweg im europäischen Sicherheitssystem^^? Das Menschenbrechen und Kämpfen anderen überlassen?
Andererseits wäre vielleicht die (zumindest hypothetische) Tatsache, daß zukünftige Kriege vor allem digital geführt werden, an Rohstoffmärkten und vielleicht durch Datenmanipulationen, eine gewisse Arbeitsteilung sinnvoll - wäre mal ein anderes Thema.

Die Piratenbekämpfung halte ich für ein ganz, ganz gefährliches und vorsichtig anzuwendendes Argument: Piraterie widerspricht internationalem Seerecht und ist demzufolge IMHO eine Angelegenheit der internationalen Gemeinschaft, also entsprechender UN-Organisationen.
Vielleicht kommt ja der Anwalt der in Hamburg Angeklagten mal auf so einen Gedanken...

Nicht zuletzt sind es auch europäische Fischtrawler, die den somalischen Fischern keine andere Wahl lassen...

Unabhängig davon denke ich wie Ipsi, daß die Entfernung des Kapitäns an sich geboten war. Ich finde nur, daß Guttenberg eben dieses "für den Zeitraum der Ermittlungen" zu seinem eigenen Schutz und ohne Sanktionswert von Anfang an hätte vermitteln müssen. Nicht erst gewunden zwei Tage später auf die Frage eines Journalisten.
IMHO auch ein Beispiel für schlechte Führung.
Wie heißt es doch in Militärkreisen oft: Der Fisch fängt an vom Kopf...

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 27. Jan 2011, 10:43 - Beitrag #42

OT: die Operation Atalanta erfolgt im direkten Auftrag der UNO. Da die UNO nicht über eigene Truppen verfügt, ist dies das übliche Vorgehen, wobei spannend hieran tatsächlich ist, daß die EU diesen Auftrag übertragen bekam und hier zum ersten Mal als Staatenbund auch im Militärwesen herangezogen wird. Wenn Deutschland als ein führendes EU-Land sich dem entzöge, wäre das schon sehr eigenartig.

Ich denke, daß er unter erheblichem Handlungsdruck stand - es sind schon des öfteren Minister über eine oder eine halbe Affäre gestolpert, Guttenberg hat es gerade mit dreien zu tun... (Gorch Fock, Unfall? in Afghanistan, Postgeheimnis)

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 27. Jan 2011, 12:44 - Beitrag #43

... von einem großen, einwohnerreichen und wirtschaftsstarken Land wie Deutschland erwartet die Weltgemeinschaft einen Beitrag zur Konfliktprävention ...
die Weltgemeinschaft? Nun ja, wenn die Weltgemeinschaft aus den ungefähr 20 Staaten besteht, die ähnliche wirtschaftliche Interessen und Problemlagen aufweisen wie die Deutschen. Ich wüßte nicht, dass Länder wie der Kongo oder Laos oder viele andere je einen Beitrag Deutschlands erhofft hätten, der über die Gabe von Geld hinaus ginge^^ was sicherlich auch ein Beitrag ist, aber eben nicht der militärische, um den es hier geht

Fanvarion, Waffen- und Ausrüstungsdrill mag ja noch angehen, obwohl das deutlich effektiver geht - viele Menschen blockieren auch innerlich einfach nur noch, wenn sie derart unter Druck gesetzt werden. Was eben nicht mehr angeht, ist die Art, wie mit ihnen umgegangen wird - ob ihnen das letztlich gut tut oder nicht, das zu entscheiden obliegt ausschließlich den Betroffenen. Und davon abgesehen passieren bei der Bundeswehr dermaßen viele Schweinereien, dass die "bedauerlichen Einzelfälle" längst und schon seit je Systemcharakter haben, als Teil dessen, um was es wirklich geht, des Brechens des Willens der Rekruten und einfachen Soldaten. Ich weiß nicht, ob du Offizier/Unteroffizier bist oder warst, dann hast du natürlich eine andere Perspektive darauf, aber glaub mir, unter denen, die nur einfache Deppen vom Dienst waren, herrscht keinerlei Uneindeutigkeit hinsichtlich dessen, was ihnen da zugemutet wird/wurde. Ein Glück, dass die simpler gestrickten unter diesen Deppen die Sache mit murrendem Schweigen hinnehmen. Die etwas weniger simpel gestrickten Deppen haben es da nicht so einfach.

Die US-Army hat wenigstens noch den Mut, genau das genau so auch darzustellen. Nur dass das dort abgetan wird, weil die Leute so drauf sind, dass eine Willensbrechung nichts Bemerkenswertes ist. In Deutschland wäre das etwas anders, wenn sich die Leute vollinhaltlich darüber bewusst wären, was genau "der Bund" mit ihren Söhnen und zunehmend auch Töchtern anstellt^^

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 27. Jan 2011, 13:29 - Beitrag #44

Zitat von Ipsissimus: die Weltgemeinschaft? Nun ja, wenn die Weltgemeinschaft aus den ungefähr 20 Staaten besteht, die ähnliche wirtschaftliche Interessen und Problemlagen aufweisen wie die Deutschen. Ich wüßte nicht, dass Länder wie der Kongo oder Laos oder viele andere je einen Beitrag Deutschlands erhofft hätten, der über die Gabe von Geld hinaus ginge^^ was sicherlich auch ein Beitrag ist, aber eben nicht der militärische, um den es hier geht
Das kann man so sehen. Allerdings haben die Piraten auch Schiffe mit Hilfsgütern in ihre Gewalt gebracht]Durch die Piraterie sind die Lebensmittelpreise für die somalische Bevölkerung um 20 bis 30 Prozent gestiegen, da nur noch wenige Frachtschiffe bereit sind, die somalischen Häfen anzulaufen. Quelle[/QUOTE]

Ich finde es auch schwierig, sie als 'arme, perspektivlose Fischer' darzustellen. Einige von ihnen sind es vielleicht einmal gewesen, aber inzwischen handelt es sich bei den Beteiligten um mit Kriegswaffen ausgerüstete Kriminelle, die inzwischen teilweise viele hundert Seemeilen vor der Küste operieren - und zu den Hintermännern, die Millionenerlöse einstecken, gehören die lokalen Warlords und Waffenhändler. An der notleidenden Bevölkerung geht das vorbei bzw. verschärft diese noch.

Darüber hinaus vertreten die Staaten, die ein Interesse an der Beseitigung des Piratenproblems geäußert haben und deswegen vor der Küste Somalias mit Kriegsschiffen präsent sind (oder waren), einen sehr großen Teil der Weltbevölkerung und die unterschiedlichsten politischen Systeme: derzeit neun EU-Staaten, Norwegen, USA, Rußland, Türkei, China, Japan, Indien, Iran (!), Saudi-Arabien, mehrere weitere arabische Staaten; sogar die Schweiz (!!) diskutierte über die Entsendung von Soldaten.

---

@Semi-Thema: Wäre zu hoffen, daß das ganze etwas ehrlicher verlaufen kann, wenn die Freiwilligenarmee da ist. Daß Willensbrechung irgendwo dazugehört, wird sich hier allerdings wohl kaum allgemeingesellschaftlich propagieren lassen.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 27. Jan 2011, 13:58 - Beitrag #45

Ich lese diese Berichte über Übergriffe bei der Bundeswehr immer mit einem gewissen Gefühl der Verwunderung, gespeist durch verschiedentliche Berichte über die Verhältnisse anderswo, oft genug in Kontrast zu den unsrigen gestellt, die ja eben ganz anders seien, und durch verschiedentliche Beobachtungen an Soldaten in der Öffentlichkeit. Freitags in der Bundesbahn trifft man besser keine Schaffnerin an...
Es fühlt sich nicht gut an, wenn die eigenen Mutmaßungen über die Gefärbtheit der Berichterstattung durch die Wirklichkeit noch überholt werden...

Zitat von Lykurg:@Semi-Thema: Wäre zu hoffen, daß das ganze etwas ehrlicher verlaufen kann, wenn die Freiwilligenarmee da ist. Daß Willensbrechung irgendwo dazugehört, wird sich hier allerdings wohl kaum allgemeingesellschaftlich propagieren lassen.

Ich bin bezüglich der Freiwilligenarmee ein wenig skeptisch, entweder wird sie zum Anziehungspunkt aller Nichtwirtgewordenen^^ die selbstverständlich von der Willensbrechung ausgehen oder deren Willen schon in der Jugend gebrochen wurde, dann wird das business as usual idT "ehrlicher", oder es gelingt, weiterhin alle gesellschaftlichen Gruppen - alle? Nein, eine kleine Gruppe widersetzt sich...^^;) einzubinden, dann wird es spannend.
Interessant wäre mal zu wissen, wie sich das Miteinander von deutschen und anderen Soldaten gestaltet - Kulturschock?^^

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Do 27. Jan 2011, 21:05 - Beitrag #46

Mit dem Beitrag Das falsche Lob für Guttenberg zeigt das Bildblog, wie die Bild den SPD-ler Rainer Arnold sinnentstellend zitiert, um den Anschein zu erwecken, er hätte bezüglich der Enzhebung des Kapitäns Guttenberg zugestimmt.

Wie ich selber gestern live bei den Statements nach der sitzung des Verteidigungsausschusses sah, kritiserte Arnold in Wahrheit Guttenberg und meinte, er hätte den Kapitän schon früher, bei den ersten handfesten Vorwürfen beurlaubt und eine zügige Sachaufklärung angestrebt.

Wieder einmal hat das agieren der Bild für mich nichts mehr mit Journalismus zu tun, sondern ist ein letztlich schon plum-dreister Versuch durch verdrehen der Tatsachen die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mo 7. Feb 2011, 21:30 - Beitrag #47

Leider nur unter Bezug auf die Bild, insofern schon etwas fragwürdig, aber immerhin mit einem als Eingeständnis der Korrektheit der von der Bild aus Unterlagen zitierten Falten zu werteten Zitat der Kieler Staatsanwaltschaft berichtet die Süddeutsche von der - wie die Untersuchungen wohl nun ergaben - zum aufentern nicht ausreichenden Borddienstfähigkeit [merkt Euch das Wort für Scrabble!], weswegen das hochschicken der Soldatin in die Takelage offenbar eindeutig geltenden Regeln der Bundeswehr für die Gorch Fock widersprach.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Mo 7. Feb 2011, 21:58 - Beitrag #48

Das borddienstverwendungsunfähige Übergewicht kommt bestimmt von dem heftigen Drill oder doch eher von den Äquatortaufen, Trinkspielen und groben Unfug. ;)
Hätte man die Soldatin natürlich auf ihr Gewicht hingewiesen, wäre das sexuelle Belästigung gewesen.
Würde nun einer behaupten, es sei kein Zufall sei, dass die 2008 und 2010 aus der Takelage gestürzten Gorch-Fock-Kadettinnen weiblich waren, wäre das natürlich nichts anderes als Chauvinismus.

Ein Schelm würde auch darauf verweisen, dass der abberufene Kapitän Norbert Schatz zum Zeitpunkte des Unfalls gar nicht an Bord und der neue Kapitän Brühn, ja der alte ist und aus dem gleichen Gorch-Fock-Nebel um althergebrachte Seemannsbräuche aufgetaucht ist, der seinen Vorgänger bzw. Nachfolger zum vorläufigen Verhängnis wurde, daher gleichermaßen befangen und besudelt.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mo 7. Feb 2011, 22:45 - Beitrag #49

Zitat von Maglor:Hätte man die Soldatin natürlich auf ihr Gewicht hingewiesen, wäre das sexuelle Belästigung gewesen.


Vielleicht deshalb die anfänglichen Irritation, ob sie zu klein gewesen sei oder nicht - das hat man frauenverstehend unsexistisch ggf. so gemeint, sie sei zu klein für ihr Gewicht - darum zweifelten manche dann folgerichtig am zu klein, weil es wohl keine generelle Mindestgröße gibt.
Nun es geistig durchdringen zu wollen, in weiweit die Parameter Größe, Gewicht, Körperbau männlicher und weiblicher Art die Befähigung zum aufentern beeinflussen, erscheint mir aber etwas sehr abstrakt theoretisch abgehoben. Aber nicht minder reizvoll.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 7. Feb 2011, 23:25 - Beitrag #50

Naja, ich kann mir schon vorstellen, daß die Abstände der Querseile in den Wanten eine gewisse Mindestgröße erfordern, um ein Durchrutschen zu verhindern.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Sa 12. Feb 2011, 13:08 - Beitrag #51

Für das Übergewicht gibt es mittlerweile eine andere Erklärung. Nach ihrem Tod in Brasilien wurde der Leichnam zur Konservierung in Formaldehyd eingelegt, wobei er 20 Kilogramm aufsog, die bei der Obduktion in Deutschland mitgewogen wurde.
Das ist natürlich eher eine Aussage über die Qualität zeitgenössischer Pressemeldungen und die breite Inkompetenz der "rückhaltlosen Aufklärer" als über die sogenannten "Zustände" auf der Gorch Fock.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 12. Feb 2011, 13:25 - Beitrag #52

Ich frage mich dabei allerdings, ob das Körpergewicht im Obduktionsbericht inklusive der Konservierungsstoffe angegeben wurde, ohne darauf hinzuweisen. Vielleicht hat der Pathologe das nicht bemerkt? Bild Sonst natürlich journalistisches Versagen, eine unterschätzte Todesursache.

Die Forderung, die Gorch-Fock-Besatzung solle sofort nach Hause fliegen, finde ich überzogen. Warum nicht die Selbstversenkung anordnen...^^

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
So 13. Feb 2011, 02:04 - Beitrag #53

Es gibt, wie gerade der als erster aufgefundener Artikel der Welt zeigt erhebliche Zweifel daran, dass diese Behandlung des Leichnams eine Zunahme von 20kg erklären kann. Wieviel auf diesem Wege erklärlich ist, ist eine Frage die Undertaker Tom vom Bestatterweblog gewiss kompetent beantworten könnte und wohl würde. Nur reichen bei mir Antrieb/Lust/Zeit/Prioritäten gerade nicht ganz dazu, ihn danach zu fragen...

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 14. Mär 2011, 12:25 - Beitrag #54

http://www.stern.de/politik/deutschland/vorwuerfe-nicht-haltbar-ermittlung-entlastet-ex-kapitaen-der-gorch-fock-1663181.html

offenbar ist ein schuldhaftes Verhalten des Kapitäns und der Stammbesatzung nicht oder nur in vernachlässigbarem Ausmaß gegeben. Nun ja, dann ist ja alles bestens^^ andererseits, ich gewinne zumindest anhand des Berichts den Eindruck, dass die Untersuchung eher nach dem Motto "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" verlaufen ist.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 14. Mär 2011, 15:21 - Beitrag #55

...was dann gerade ein Grund wäre, den Kapitän für die Dauer der Untersuchung zu beurlauben. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, daß die Wahrnehmung bestimmter Zustände und Verhaltensweisen auf unterschiedliche Menschen sehr unterschiedlichen Eindruck macht und manche als normal empfinden, was für andere skandalös ist - so auch die Frage, ob die Ausbildung auf der Gorch Fock 'unzumutbar' hart ist, und ob bestimmte Äußerungen gegenüber weiblicher Besatzung "nur so'n Spruch" ist oder aber sexistisch. Es dürfte auch für Außenstehende schwierig sein, sich darin zurechtzufinden. Um so wichtiger sind unabhängige Untersuchungen im Verdachtsfall, und gängige Formen, sich zu beschweren (Wehrbeauftragter etc.)

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 15. Mär 2011, 11:43 - Beitrag #56

Um so wichtiger sind unabhängige Untersuchungen im Verdachtsfall, und gängige Formen, sich zu beschweren (Wehrbeauftragter etc.)
tja, und da liegt der Hase ein bisschen im Pfeffer, oder? Wenn Militärangelegenheiten von einer Militärinstitution überprüft werden, kann man nicht so ganz richtig von unabhängiger Untersuchung sprechen, und die Möglichkeit der Beschwerde bei einem Wehrbeauftragten ist sicher ein wichtiges Instrumentarium, oder sagen wir, wäre es, wenn darauf relevante Reaktionen desselbigen ersichtlich wären. ich habe statt dessen eher das Gefühl, der Wehrbeauftragte versteht sich in dieser Hinsicht als Archivar und Datenbanker.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Di 15. Mär 2011, 15:00 - Beitrag #57

Zitat von Lykurg:...was dann gerade ein Grund wäre, den Kapitän für die Dauer der Untersuchung zu beurlauben.

Sicher, aber dann muss man dies auch richtig machen - so entstand der Eindruck, Schatz sei regelrecht abgesetzt worden, was erst einige Tage später richtiggestellt wurde. Ganz schlechte Personalführung, die draußen bis zum Arbeitsgericht führen könnte.

Ich kann mir aber auch gut vorstellen, daß die Wahrnehmung bestimmter Zustände und Verhaltensweisen auf unterschiedliche Menschen sehr unterschiedlichen Eindruck macht und manche als normal empfinden, was für andere skandalös ist - so auch die Frage, ob die Ausbildung auf der Gorch Fock 'unzumutbar' hart ist, und ob bestimmte Äußerungen gegenüber weiblicher Besatzung "nur so'n Spruch" ist oder aber sexistisch. Es dürfte auch für Außenstehende schwierig sein, sich darin zurechtzufinden. Um so wichtiger sind unabhängige Untersuchungen im Verdachtsfall, und gängige Formen, sich zu beschweren (Wehrbeauftragter etc.)

Ich denke, es ist eine schwierige melange...ein Schiff ist eine eigene Welt, IMHO deutlich eigener als eine Truppe an einem Standort irgendwo an Land, zu der ein Kadette stoßen mag. Der Kontrast von Vorstellungen mit der Realität, die Ungewohntheit von Aufgaben und Methoden, nicht zuletzt auch ein - zumindest denkbarer - höherer Individualisierungsgrad der Kadetten, die sich von vorneherin "weniger sagen lassen" als früher, auch eine veränderte körperliche Fitness und Fertigkeit, werden IMHO sicher zu den Problemen beigetragen haben, und die ihnen zugrunde liegende individuelle Mischung der Faktoren könnte die "Einzelfallheit" der Probleme erklären.
Damit wäre dann aber auch eine Aussage über die Ausbilder verbunden, nämlich daß diese sich offenbar dieser zugrunde liegenden Probleme nicht in der Weise bewusst sind, daß sie entsprechend proaktiv darauf eingehen würden.
Womit nach meinem Verständnis ein schwer wiegender Mangel festgestellt wäre.
Die Feststellung in dem Bericht, daß die Offiziersebene stärker in Erscheinung treten müsse, ist nach meinem Verständnis ebenso nicht weniger als eine fundamentale Kritik am System.
Wie weit das letzttlich Schatz anzulasten wäre, wäre die nächste Frage.

Ipsi, eine Vielzahl an verschiedenen Fällen als Einzelfälle aufzudröseln, kann natürlich Krähenart sein, es konnte aber auch das System darunter in Erscheinung treten. Ich habe aber eher weniger Hoffnung, daß das angestrebt, noch daß dieser Weg entsprechend verfolgt würde.

fanvarion
Good Member
Good Member

 
Beiträge: 437
Registriert: 04.01.2004
Sa 26. Mär 2011, 21:46 - Beitrag #58

Zitat von Ipsissimus:Fanvarion, Waffen- und Ausrüstungsdrill mag ja noch angehen, obwohl das deutlich effektiver geht - viele Menschen blockieren auch innerlich einfach nur noch, wenn sie derart unter Druck gesetzt werden. Was eben nicht mehr angeht, ist die Art, wie mit ihnen umgegangen wird - ob ihnen das letztlich gut tut oder nicht, das zu entscheiden obliegt ausschließlich den Betroffenen. Und davon abgesehen passieren bei der Bundeswehr dermaßen viele Schweinereien, dass die "bedauerlichen Einzelfälle" längst und schon seit je Systemcharakter haben, als Teil dessen, um was es wirklich geht, des Brechens des Willens der Rekruten und einfachen Soldaten. Ich weiß nicht, ob du Offizier/Unteroffizier bist oder warst, dann hast du natürlich eine andere Perspektive darauf, aber glaub mir, unter denen, die nur einfache Deppen vom Dienst waren, herrscht keinerlei Uneindeutigkeit hinsichtlich dessen, was ihnen da zugemutet wird/wurde. Ein Glück, dass die simpler gestrickten unter diesen Deppen die Sache mit murrendem Schweigen hinnehmen. Die etwas weniger simpel gestrickten Deppen haben es da nicht so einfach.


Hallo Ippissimus,

Ja du hast recht das dies ausschließlich die Betroffenen entscheiden. Leider werden aber immer die 5 % Zitiert die Probleme hatten.

Das Brechen des Willens von Soldaten hängt leider von den vor Ort befindlichen Menschen ab.
Ich hatte keinen Menschenbrechenden Offizier. Ich hatte einen sehr guten Major, Obersleutnant und div. Feldwebel Dienstgrade. Ein einziger Stabsunteroffzier hatte einen kleinen Knall.

Die einfachen Deppen brauchen immer bzw. sehr häufig einen der ihnen den Weg weist. Egal ob bei der Bundeswehr, Zivildienst, im Beruf oder sonstwo.

Und Ippissimus ich war kein Offziers bzw. Unteroffziersanwärter, sondern ein "einfacher Depp vom Dienst" für ein paar Monate. Meine Sichtweise ist durch vernüftige Leute bei der Bundeswehr geprägt worden. Wobei ich den Beruf des Soldaten auch nicht zu meinen Traumberufen zähle. Mit Köpfchen und Verstand konnte man sein Leben bei der Bundeswehr zumindestens in Ruhe abreiten.

Meine Meinung ist aber das man sich vorher Gedanken machen muss was man will. Quertreiben aus Prinzip mag ich nicht. Begründetes Quertreiben schon eher. Aber was ist schon "Begründetes Quertreiben" :rolleyes: .

Gruß fanvarion

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Sa 2. Jul 2011, 05:44 - Beitrag #59

Offenbar wird der Kommandeur der Gorch Fock, Kapitän Schatz, durch den nun fertigen Untersuchungsbericht schwer belastet, wie zB n-tv vermeldet:
In einem ersten zusammenfassenden Bericht "über die Vorkommnisse an Bord des Segelschulschiffs" habe das Ministerium gravierende Mängel bei der Dienstaufsicht "über einen längeren Zeitraum hinweg" sowie "sonstiges Fehlverhalten" der Schiffsführung ausgemacht.

[...]

Das Verteidigungsministerium kritisiert nun in seinem vorläufigen Bericht, dass Mängel in der Schiffsführung den vorgesetzten Dienststellen nicht aufgefallen seien. Dies sei offensichtlich auch Resultat einer mangelnden Dienstaufsicht "über einen längeren Zeitraum hinweg". Als schweren Mangel betrachtet das Ministerium in erster Linie das Fehlen konkreter schriftlicher Vorgaben bezüglich der Segelvorausbildung.
Der Kommandant habe sich nicht um die personelle Ausgestaltung der Segelvorausbildung gekümmert, heißt es weiter im Bericht. Schatz habe es versäumt, "eine Organisation an Bord zu etablieren, die dafür Sorge trägt, dass alle Dienstgradgruppen eine umfassende Ausbildung und Einweisung für die entsprechenden Aufgaben durch die Vorgesetzten erhalten". Am 07. November 2010, dem Tag des tödlichen Unfalls der Kadettin, seien zwei unerfahrene Vorgesetzte für die Ausbildung am Großtopp zuständig gewesen.

[...]

In einer beigefügten eigenen Bewertung stellt auch Vizeadmiral Axel Schimpf fest, dass der Kommandant durch sein Führungsverhalten "nicht für widerspruchsfreie, verlässliche und klare Vorgaben an Bord gesorgt" habe.

Vorherige

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste