Europa und Amerika sind nach den andauernden Kampfhandlungen im Irak und in Afghastan ziemlich kriegsmüde. Die Lehren aus dem Bosnienkrieg und dem Golfkrieg von 1991 dürfte wohl sein, dass es mit einem Luftkrieg allein nicht getan ist, wenn man wirklich etwas erreichen möchte und nicht nur die Eskaltion vorantreiben will. Auf kurz oder lang müssten Bodentruppen folgen. Gaddafis hat in einer Mischung aus Klugheit und Wahnsinn darauf verwiesen, dass "sie" in Vietnam und Algerien bereits Frankreich besiegt habe und "ihnen" in Libyien erneut gelingen würde Europa in die Kniee zu zwingen, weil "sie" eben bereit sind als Märtyrer zu sterben. Gadaffi hat das Problem des "Westens" erkannt: Dort gibt es keine echten Männer mehr.
Ein wichtiges Argument das niemand zu nennen wagt: Libyen bleibt wahrscheinlich kein Einzelfall, sondern könnte bald schon einen Präzedenzfall darstellen. Zurzeit ist das zwar der einzige Bürgerkrieg den der tunesische Gemüsehändler entzündet hat, aber die Revolution kennt keine Grenzen, das Feuer breitet sich weiter aus. Sollte die Lage in Bahrein, Algerien, dem Jemen ... ebenfalls eskalieren, wüsste jeder, was zu tun ist.
Libyens umgestürtze Nachbarlander Tunesien und Ägypten sind schwer mit sich selbst beschäftigt. Der noch aufrechte Teil der "Umma" kehrt ebenfalls vor der eigenen Haustür. Fraglich ist auch, ob die anderen arabischen Staaten technisch überhaupt dazu in der Lage sind, ein Flugverbot zu überwachen und durchzusetzen. Die anderen Länder sind weit entfernt und verfügen über keine Flugzeugträger und militärische Stützpunkte in der Umgebung. (Es ist wohl nichts als die Wahrheit, dass die Flugbasen der USA in Italien, Griechenland und Ägypten näher am Geschehen liegen, als Marroko, Mauretanien oder gar der Iran.)
Ansonsten gibt es eigentlich keine "Umma". Sie ist eine besondere Art der Einbildung. Klar ist, dass die Prinzen vom Golf Gadaffi seit Jahrzehnten hassen, weil er einen Revolutionsführer ist und die Rebellen haben auch keinen Prinzen an ihre Spitze gestellt.
Entscheidender Punkt scheint mir, dass die Forderung von der libyschen Rebellenregierung selbst kommt. Frankreich hat diese bereits anerkannt.
Noch immer klingt George Bushs II. Vision einer Demokratie im Orient nach und Obama Kairo-Rede ist erst recht nicht verjährt. Der Demokratie in der islamischen wurde über Jahre gefordert, auch mit Waffengewalt. Jetzt kommt die Forderung ja von der Rebellen-Regierung selbst. Wie kann man jetzt kneifen ohne endgültig das Gesicht zu verlieren? Politik wird nicht mit Betroffenheitreden, sondern mit Blut und Eisen gemacht. Ein Schulterschluss mit der Rebellion wäre die Chance Morgen- und Abendland brutalstmöglich zu verbrüdern. Ob da am Ende wirklich Demokratie entsteht, vielleicht warten wir ja auch die Paralamentswahlen in Libyen und schicken ein paar Wahlbeobachter in Kriegsgebiet.
Und selbst wenn keine Demokratie entsteht, so dürfte ein Sturz des Gadaffi-Regimes zur Stabilisierung des ganzen Kontinents beitragen. Sind Bürgerkriege in Afrika ohne zutun Libyens überhaupt noch möglich oder würden sie dann eben mit Stöcken und Macheten ausgetragen?
Nicht zu verachten ist natürlich das Versprechen des Nationalrat der Rebellen, dass bei zukünftigen Öl-Geschäften militärische Verbündete der Rebellen berücksichtigt werden. Also im Grunde die Art von neokolonialem Krieg, die wir immer wollten.
