Libyen

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
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Fr 4. Mär 2011, 13:25 - Beitrag #1

Libyen

wie schätzt ihr die Situation dort ein? Schaffen es die Aufständischen, setzt sich Gaddafi noch mal durch? Wie bewertet ihr die Haltung der EU und des Westens allgemein?

Einer Umfrage an Tankstellen zufolge (vor ein paar Tagen im Deutschlandfunk einen Bericht darüber gehört) unterstützen die meisten Bundesbürger den Aufstand gegen Gaddafi, sind aber nicht bereit, dafür höhere Benzinpreise hinzunehmen. Es kommt mir ein bisschen so vor, als sei das ein gutes Bild für das Taktieren, das ich in den politischen Äußerungen westlicher Politiker zu erkennen glaube. Einerseits ist da der erhobene Zeigefinger mit Anklage beim Internationalem Gerichtshof, andererseits, es könnte sein, dass Gaddafi doch wieder gewinnt, und dann möchte man den Zugriff auf das libysche Öl dann doch nicht verspielen.

Verliert in Libyen der Widerstand, weil es uns im Prinzip gleichgültig ist, wer dort herrscht, solange unsere Ölversorgung stabil bleibt? Ich vermute, dieser Eindruck wird sich derzeit in Libyen immer stärker ausprägen.

Lykurg
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Fr 4. Mär 2011, 17:03 - Beitrag #2

Ich halte für unwahrscheinlich, daß Gaddafi sich wieder durchsetzt, trotz Söldnertruppen und Luftüberlegenheit - dafür hat er schon einen zu großen Teil des Landes inklusive Armee und deren Waffen gegen sich. Der Kampf um Tripolis und Sawija macht eher den Eindruck eines Rückzugsgefechts, und die Bezahlung seiner Söldner (bisher täglich in bar) müßte zwangsläufig irgendwann zu Liquiditätsengpässen führen (gerade ist in Großbritannien ein Schiff, das mit 115 Mio € nach Tripolis unterwegs war, sichergestellt worden).

Die UNO handelt schon so deutlich und scharf wie selten sonst; den Ausschluß aus dem Menschenrechtsrat und die Anklage in Den Haag hat es noch nie so schnell gegeben. Daß man sich aber mit direktem militärischen Eingreifen zurückhält, liegt neben Desinteresse der Amerikaner an einem weiteren Kriegsschauplatz auch an der Instabilität des arabischen Blocks. Niemand im Westen wird riskieren, dort als fremder Eindringling wahrgenommen zu werden und einen Zusammenschluß der Länder (oder der Afrikanischen Union, in der Libyen ja auch zentrale Bedeutung hat) gegen sich aufzubringen, wenn die Sache 'von selbst' gut läuft. Die Verhängung eines Flugverbots wäre völkerrechtlich schon eine direkte militärische Aggression.

Darüber hinaus machten auch Stimmen aus Libyen teilweise deutlich, daß man besser beraten ist, sich da rauszuhalten - 'die Amerikaner sollen uns nicht unsere Revolution klauen', meinte einer, und wer weiß, wie sich der Volkszorn dann plötzlich weiterentwickelte. Angesichts der massiven Geheimdienstpanne (kein westliches Land war auf die Aufstände in Nordafrika vorbereitet) wäre man wahrscheinlich auch mit der Planung eines größeren Eingreifens und nachfolgenden Ordnungsaufgaben dort völlig überfordert.

janw
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Sa 5. Mär 2011, 14:40 - Beitrag #3

Ich hab mich vor ein paar Tagen gefragt, wie es wohl wäre, wenn Europa gegen Libyen vorgehen würde, vielleicht mit US-Unterstützung.
Mir kam dann der Bosnien-Krieg in den Sinn - der wurde seinerzeit damit begründet, Europa könne nicht zusehen, wie in seinem "Vorgarten"/"Hinterhof" eine Art Völkermord stattfinde.
Das Problem wäre in diesem Sinne aber die Frage, wie weit man in Nordafrika ebenso von einem "Vorgarten" sprechen kann, als Voraussetzung für direkte Betroffenheit.
Das Problem ist IMHO letztlich aber, daß Europa selbst zu tief verstrickt ist durch jahrzehntelanges Hofieren Gaddafis und Unterstützen seines Regimes durch Waffenlieferungen, nicht zuletzt dadurch, daß er auf europäisches Betreiben hin Flüchtlinge am Erreichen des Mittelmeres gehindert hat - daß diese dann in der Wüste verreckt sind, war den betreffenden Stellen in Europa bekannt.
Es wäre also ein Kampf gegen den, den man gestern noch gerne begrüßt und dem man gerne die Aufgaben überlassen hat, mit denen man selber nichts zu tun haben wollte, dazu gegen Waffen, die man ihm selbst geliefert hat.

Dazu die Ungewissheit, was dann kommen würde - eine Zersplitterung in Stammesgebiete? Eine Regierung der nationalen Einheit, gestützt durch das Militär? Wer würde die Ölquellen kontrollieren? Wer die Flüchtlinge aufhalten...?

Ich könnte mir vorstellen, daß man von Seiten der EU abwartet, bis die US-Schiffe in der Region eintreffen, mit denen dann vielleicht etwas unternommen wird, wenn sich das Problem nicht schon erledigt haben wird...

Maglor
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Sa 5. Mär 2011, 16:54 - Beitrag #4

Libyen ist der Vorgarten Europas, spätestens seit Gründung der Mittelmeerunion. Von eine "jahrzehntelangen Hofieren" Gadaffis durch die Europäer und die Amerikaner kann kaum die Rede sein. Das Regime wird seit nicht einmal 10 Jahren nicht mehr als feindlicher Schurkenstaat betrachtet, das Land erst seit wenigen Jahren hoffiert.
Und wenn künftige nordafrikanische Regime nicht mehr dazu in der Lage sind die Drecksarbeit für die Festung Europa zu erledigen, indem sie die Flüchtigen des ganzen Kontinents in Drahtkäfige ensperren, wird das an Europa nicht spurlos vorbei gehen und die ungewollten Menschen müssen dann eben von italienischen Sicherheitskräften zurückgetriebenen und eingesperrt werden oder bereits im Mittelmeer ersaufen.

Gaddafi hat bereits verloren. Die Opposition kontrolliert bereits mehrere Großstädte mit eigenen übergelaufenen Streitkräften. Eine eigene Regierung wurde gebildet. Mehr und mehr Teile des alten Regime verlassen das sinkende Schiff. Das Ausland hat ihm dem Rücken zu gekehrt und plant bereits ihm den Rest zu geben. Anders als Ben Ali und Mubarak hat Gaddafi eine Vision. Er verschwindet nicht einfach mit den Goldbarren im Handgepäck nach Saudi-Arabien. Früher oder später wird am Strick enden, wenn er sich nicht selbst zuvorkommt. Es ist für ihn bereits vorbei, die Frage ist nur noch, wie viele Leben Gadaffi noch mitnehmen wird.
Ich denke da an die Bilder, wo der der libysche Mob einen mutmaßlichen schwarzafrikanischen Söldner lynchen. Es gibt für diese Menschen kein Pardon und kein Zurück. Fallen sie in die Hände des Feindes sind sie des Todes. Gehen zurück in die Heimat, das Land gegen das sie sich mit Gadaffis Hilfe verschworen haben, droht ihn gleiches. (z. B. den Tuareg aus dem Niger, da darf gern über die Auswirkungen auf die Uranförderung spekuliert werden!) Ich fürchte den libyschen Bomberpiloten droht ein ähnliches Schicksal.
Umgekehrt droht den Aufständischen die volle Härte des Regimes, erst durch die Flugzeuge und bei endgültiger Niederlage vielleicht durch Folterkeller und Co. Die Fronten sind verhärtet. Es gibt für beide Seiten kein Zurück.

Die Bezeichnung Völkermord ist noch fern der Realität. Es bleibt abzuwarten, wie weit sich bei der finalen Schlacht ein finales Schlachten einstellt. Die libysche Gesellschaft ist zersplittert in unterschiedliche Völker, Stämme und Clans. Gadaffi hat die Förderung der echten Araber immer besonders betont und die Berber ein wenig untergebuttert. Bedeutender ist wahrscheinlich der Ost- Westkonflikt. Der Wohlstand der Ölfelder in Ostlibyen diente viele Jahrzehnte zur finanziert dekadenter Projekte um die Hauptadt Tripolis, zufällig Gadaffis Heimat. Gründe für Rache, Plünderung und Separatismus gibt es genug.

Ipsissimus
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Di 15. Mär 2011, 17:55 - Beitrag #5

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,751119,00.html

man weiß eben, wer seine wirklichen Freunde sind^^

Lykurg
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Di 15. Mär 2011, 18:33 - Beitrag #6

Furchtbar, daß er wieder die Oberhand gewinnt - und was für ein Schicksal Bengasi droht. Und Deutschland wäre dann direkt mitverantwortlich dafür... Von ihm gelobt zu werden ist wirklich eine Schmähung. Ich weiß nicht, was da in Westerwelle gefahren ist, wo bleiben europäische Werte? Wohl ungefähr da, wo sie bei den geduldeten Massakern in Ruanda, Sarajevo etc. waren: Irgendwo auf der Strecke. Bild

Schlimm finde ich aber auch, daß RTL ihm ein Interview gibt. Als ob ein ihm höriges Staatsfernsehen nicht schon Podium und schlimm genug wäre, muß sich RTL nun auch dafür hergeben, ihm als europäisches Sprachrohr zu dienen. Was kommt als nächstes, die Gastkolumne in Bild? Daß seine Versprechungen, eventuell doch weiter mit Deutschland zu handeln, ungefähr so vertrauenswürdig sind wie die gegenüber den Rebellen, liegt auf der Hand - aber sowieso kann das in meinen Augen kein Grund sein, seine Verbrechen durchgehen zu lassen.

Die Flugverbotszone ist notwendig - und indirektes Eingreifen in den Bürgerkrieg mittels materieller Unterstützung. Das Streben nach Freiheit darf nicht verraten werden.

Maglor
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Di 15. Mär 2011, 20:10 - Beitrag #7

Die Deutschen sind eben die besten. Von deutschen Polizisten und Soldaten hat Gadaffis Polizei ihre billige Tricks gelernt. Von Deutschland lernen, heißt siegen lernen.
Und am Ende sollen es wieder sie wilden Söldner mit den krausen Haaren an allem Schuld gewesen sein ... dabei sollte eigentlich jeder wissen, dass die teuersten, vielleicht auch die besten Söldner Gadaffis aus deutschen Landen angeworben wurden.
Nachrichten von vorgestern sind eigentlich viel interessanter als die Gegenwart.
Zitat von ":Selbst wenn deutsche Polizisten und Soldaten den Auftrag hatten, den Sicherheitsapparat des libyschen Diktators zu schulen, habe Berlin damit nichts zu tun, sei doch das Schulungsprogramm ausschließlich auf die „private Aktion eines kommerziellen Anbieters“ zurückgegangen.
„Umgehende und lückenlose Aufklärung“ fordert nun der Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Eine Aufklärung erfolgte natürlich nie. Die Affäre wurde vergessen. Wenigstens dürfen wir hoffen, dass die libysche Polizei bei ihrem Vorgehen gegen irren Al-Kaida-Junkys sich an die deutschen Methoden erinnern wird.

janw
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Di 15. Mär 2011, 22:13 - Beitrag #8

Zitat von Lykurg:Furchtbar, daß er wieder die Oberhand gewinnt - und was für ein Schicksal Bengasi droht. Und Deutschland wäre dann direkt mitverantwortlich dafür... Von ihm gelobt zu werden ist wirklich eine Schmähung. Ich weiß nicht, was da in Westerwelle gefahren ist, wo bleiben europäische Werte? Wohl ungefähr da, wo sie bei den geduldeten Massakern in Ruanda, Sarajevo etc. waren: Irgendwo auf der Strecke. Bild

Ich halte nicht viel von Westerwelle, aber die Außenpolitik steht vor einem Dilemma auf mehreren Ebenen. Zum einen die Grundsatzfrage, (ab) wann ein Eingreifen in andere Hoheitsgebiete gerechtfertigt ist, zum anderen, wie weit man bereit ist, einem zu erwartenden sich verselbständigenden Geschehen zu folgen.
Europäische Werte mögen es angemessen erscheinen lassen, als Begründung für ein Eingreifen zu dienen, aber wäre das nicht dann auch eine Form von Werte-Kolonialismus - und sollten diese dann auch entsprechend angewandt werden, wenn sich eine neue Regierung nicht als Demokratie nach europäischem Muster formieren sollte?
Wenn die benachbarten Länder ein Eingreifen so sehr befürworten, warum rüsten sie nicht selber?

Die Flugverbotszone ist notwendig - und indirektes Eingreifen in den Bürgerkrieg mittels materieller Unterstützung. Das Streben nach Freiheit darf nicht verraten werden.

Ist aber ein Angriff auf einen souveränen Staat nicht Krieg? Wären der Giftgasangriff auf die Kurden in Irak oder die Massaker in Darfur nicht auch ein Grund gewesen, Irak und Sudan dann, zu der Zeit, anzugreifen? Statt mit Saddam gute Geschäfte zu machen? Oder sieht die Welt jetzt nur anders aus, weil es um einen Anrainer des mare nostrum geht?
Ich frage so, nicht weil ich gegen eine Intervention wäre, sondern weil ich nach einer Begründung suche, die trägt. Die vor allem nicht die Grundlage liefert für zukünftiges beliebiges Zuschlagen - als nächstes in der Elfenbeinküste, billige Schokolade als nationales Interesse?

Padreic
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Di 15. Mär 2011, 23:18 - Beitrag #9

Flugverbotszone klingt immer so harmlos - de facto beginnt das aber wohl erstmal mit einem Bombardement auf die FLAKs und wenn Gaddafis Truppen das Flugverbot nicht einhalten, werden eben auch Flugzeuge abgeschossen. Es ist auf jeden Fall ein kriegerischer Akt. Ich habe keine Ahnung, wie die Lage in Libyen aussieht, ob mit einer Flugverbotszone die Revolution siegen würde. Wenn ja, würde ich sie wohl begrüßen; wenn es unklar ist, sieht es schon anders aus...

Lykurg
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Di 15. Mär 2011, 23:52 - Beitrag #10

janw, mir ist klar, was das bedeuten würde - für die Zerstörung der Flakstellungen vermutlich deutsche Tornados, anschließend Überwachungsflüge, eventuell Luftgefechte. Ein Flugverbot durchzusetzen, ist ein kriegerischer Akt (und sonst braucht man es gar nicht erst zu verhängen). Aber zum einen hat sich die arabische Liga dafür ausgesprochen, wenn der UN-Sicherheitsrat es beschließt und kein Bodeneinsatz stattfindet, was meines Erachtens beides sinnvolle Bedingungen sind. Und zum anderen finde ich es schwer erträglich, zu dulden, daß Gaddafis Luftwaffe Angriffe gegen die Zivilbevölkerung seines Landes durchführt.

Als im ersten Golfkrieg 1992 US-Truppen die Irakis aus Kuwait vertrieben und fast bis Bagdad zurückgeschlagen waren, probten die Schiiten und Kurden den Aufstand. Man hat sich damals zurückgezogen, sie im Stich gelassen, und Saddam Hussein hat sie massakriert. Das kommt dem Westen heute schwer zu stehen: Damals fielen die Köpfe einer irakischen Opposition, außerdem führte es zu einem schwerwiegenden und anhaltenden Vertrauensverlust. Die Rebellen bitten um Hilfe, die arabische Welt spricht sich zu ihren Gunsten aus, und einige von Gaddafis Greueltaten sind ans Licht gekommen. Die Flugverbotszone wird den Rebellen, so wie es aussieht, nicht schaden, aber höchstwahrscheinlich nützen - und sei es auch nur, daß sie die Zivilisten schützt.

Wenn humanitäre Gründe für einen Einsatz nicht ausreichen, bleibt tatsächlich nur ein Abwarten wie in Ruanda oder Sarajevo. Wahrscheinlich ist es für die Geschäfte sogar günstig, vorausgesetzt daß man die Sache anständig unter den Teppich kehrt.

Ipsissimus
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Mi 16. Mär 2011, 12:09 - Beitrag #11

http://www.stern.de/politik/ausland/bahrain-opposition-spricht-von-vernichtungskrieg-1664113.html

nur um Bahrain nicht zu vergessen

Von ihm gelobt zu werden ist wirklich eine Schmähung
Von ihm gelobt zu werden wäre eine Schmähung, wenn wir dieses Lob nicht verdienen würden. So ist sein Lob nur die Bestätigung eines kleinen häßlichen Faktums, das wohl auf der Ebene von PR-Maßnahmen in die Irrelevanz interpretiert werden wird.

Im Grunde zeigt dieses gesamte Szenario nur, dass der Umgang mit Despoten entlang von Maximen erfolgt, die auf den ersten Blick undurchschaubar wirken mögen, tatsächlich aber nur den Wirkmechanismen von Macht folgen. Wenn die Vereinigten Nationen jemals aus ihrer vornehmen Rolle eines Alibi-Lieferanten heraus wollen, müssen sie sich diesbezüglich ernsthaft was einfallen lassen. In Libyen ist mal wieder eine Chance an die Wand gefahren worden. Sehr viele werden sie nicht mehr bekommen. Nicht dass USA, EU und andere überzeugender agieren würden

janw
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Mi 16. Mär 2011, 14:14 - Beitrag #12

Lykurg, ich finde es auch schwer erträglich, und mir ballen sich die Fäuste.
Und dann lese ich, daß in Bahrain dasselbe in klein passiert unter tätlicher Mitwirkung der modern-aufstrebenden Emirate wie Dubai und sonst uns so lieber Länder wie Kuweit und Oman.
Müssten wir da nicht auch...oder ist das einfach nur etwas zu weit entfernt?
Wie halten wir es mit dem Regime von Than Shwe in Birma, das eine Friedensnobelpreisträgerin in Hausarrest hält und seine von einem Wirbelsturm überrollte Küstenbevölkerung hilflos sich selbst überlassen hat?

Sicher, "etwas Übel zu bekämpfen ist immer noch besser als gar keines", aber wie weit und um den Preis welcher Konsequenzen?

Die Vereinten Nationen müssen sich definitiv etwas einfallen lassen. Nur wie, wenn sie letztlich von Staaten gesteuert werden, für die Rechte offen erklärt Verfügungsmasse sind, wie Russland, China und die USA?


Ipsi, ich weiß nicht, ist das ein Zustand, den es auszuhalten gilt, als Ausdruck der leidvollen Existenz? Zeit für Stoiker?^^

Malte279
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Mi 16. Mär 2011, 15:59 - Beitrag #13

Bei den Ereignissen in der gesammten arabischen Welt und jetzt besonders in Libyen muss ich an viele Kommentare denken, die nach dem 11. September, während des Karikaturenstreits und auch sonst fast immer gefallen sind wenn die Unterschiede zwischen der sogenannten "islamischen Welt" und dem sogenannten "Westen" gefallen sind. In diesem Zusammenhang hieß es oft, dass der "islamischen Welt" eine Art französischer Revolution fehle um einer demokratischen Ordnung dort die nötige Anerkennung und Stabilität zu verschaffen. Nun ist eine Revolution da und der "Westen" scheint unsicher zu sein ob sie "französisch" genug ist um sie wirklich zu unterstützen.
Außerdem scheint der Zeitpunkt vielen "westlichen" Nationen sehr ungünstig. Hätten diese Weltverbesserer in islamischen Ländern damit nicht warten können bis man mit dem Projekt "Schaffung von demokratischen Utopias im Irak und Afghanistan" fertig ist? Auch wäre es rücksichtsvoll von diesen Revolutionären gewesen wenn sie abgewartet hätten, bis das militärische Engagement "westlicher" Staaten in anderen Ländern es nicht mehr zu einer noch größeren Belastung machen würde wenn sie sich jetzt in Libyen einmischen. Überhaupt, vielleicht hätten sie darauf warten sollen, bis sämtliche westlichen Staatshaushalte (besonders mit Blick auf die Finanzkriese der letzten Jahre) ausgeglichen sind und man verzweifelt nach Beschäftigungsmöglichkeiten für die Angehörigen der Streitkräfte sucht? Also bitte, sie sollen ihre Revolution machen (eine französische selbstverständlich) aber gefälligst dann wenn es auch in die Terminkalender der "westlichen" Staaten passt.
Neben diesem für die westlichen Staaten so ungünstigen Zeitpunkt zu dem man sich sehr ungern in einen potentiel langen Konflikt in Libyen einmischen will glaube ich kommt auch noch eine gewisse Unsicherheit hinzu was genau man unterstützen würde wenn man die Revolutionäre unterstützt. Man weiß, dass Gadaffi ein vollkommen verrückter Terrorist ist, der sich aber in den vergangenen Jahren bei seienen terroristischen Aktivitäten auf die eigene Bevölkerung beschränkt hat, was im "Westen" tolerierbar ist solange er zugleich Lippenbekenntnisse gegen die Terroristen macht die sich nicht ausschließlich gegen das eigene Volk richten und außerdem noch Öl liefert. Das hört sich nicht eben positiv an? Aber da weiß der "Westen" zumindest was Sache ist und das man ihn gerne los werden würde, aber was weiß der "Westen" im Gegensatz dazu zu den Revolutionären die ihn ersetzen würden? Im Grunde nichts.
Ich glaube der "Westen" ist mit seiner Unterstützung für die Revolution neben den bereits genannten Gründen vor allem so zurückhaltend, weil er nicht weiß was er da unterstützen würde. Es gibt keine "Zentralfigur" der Revolution (zumindest keine von der ich bisher gehört hätte) an die sich der "Westen" wenden könnte und wärend sich das vielleicht angenehm demokratisch anhört (statt wenn wir einen putschenden Militärdiktator als Ansprechpartner hättten) ist es doch zugleich auch sehr verwirrend. Im Grunde weiß man über die Revolutionäre wenig mehr als dass sie überwiegend sehr jung sind. Aber heißt das dann das hier eine Generation kommt, die unter anderem durch das Internet "verwestlicht" wurde und diese vielgepriesene Demokratie gerne auch in ihren eigenen Ländern etablieren möchte? Oder (so vermute ich denken manche Politiker) sind es nicht vielleicht doch die selben jungen Leute die während des Karikaturenstreits Botschaften angegriffen und Flaggen verbrannt haben und am ende noch irgendetwas iranisches etablieren wollen?
Ich fürchte das viele im "Westen" sehr genau wissen was sie nicht wollen und gleichzeitig sehr verunsichert darüber sind was es ist, dass die Revolutionäre wollen. Bislang jedenfalls scheint Europa gegenüber der Revolution in Libyen weniger entschlossen zu sein als es Teile der "islamischen Welt" es während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren, als der damalige Sultan von Marokko als erstes Staatsoberhaupt überhaupt die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten anerkannte und seine Häfen amerikanischen Schiffen öffnete (aber ich komme vom Thema ab).
Fest steht, dass Menschen sterben weil Gadaffi sie uneingeschränkt aus der Luft bombardieren kann und nach den großen Erfolgen der Revolution in den ersten Tagen sieht es jetzt immer düsterer aus. Das die mediale Aufmerksamkeit jetzt sehr stark auf die Katastrophe in Japan gerichtet ist hilft der Revolution in Libyen auch nicht gerade. Der "Westen" aber übersieht glaube ich einen wichtigen Punkt (oder ignoriert ihn zumindest), nämlich dass die weitgehende Passivität vielleicht die schlechteste Haltung ist, die er im Augenblick einnehmen kann, da er sich hiermit alle zu Gegnern macht. Durch die rhetorische Forderung dass er "weg müsse" (zu einem Zeitpunkt als es so aussah als könnten die Revolutionäre alleine ihn "wegmachen") hat man es sich mit dem geschätzten Partner Gadaffi soweit verscherzt, dass nicht eben mit einer ungestörten Wiederaufnahme der wenn nicht harmonischen so doch manchmal unterhaltsamen (schafft die Schweiz ab!) Beziehungen nach der Niederschlagung der Revolution und Massenmord an ihren Teilnehmern zu rechnen ist. Wenn es den Revolutionären aber doch gelingen sollte auf sich gestellt zu siegen, so wird sich eine zukünftige Regierung und eine ganze Generation junger Menschen in der "islamischen Welt" an die Zurückhaltung westlicher Staaten erinnern als um ihre Hilfe und Unterstützung (Flugverbotszone) gebeten worden war. Welche Auswirkungen das auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung haben würde lässt sich nicht genau vorhersagen.
Es ist klar, dass das Einrichten einer Flugverbotszone nichts weniger als eine westliche Beteiligung an dem Krieg bedeuten würde. Mir ist Krieg von Grund auf zuwider, aber gleichzeitig ist der Krieg in Libyen ein Fakt (ob mit westlicher Beteiligung oder nicht) und die Hoffnung wäre, dass eine westliche Beteiligung ihn letzten Endes zu einem früheren und weniger blutigen Ende führen könnte (gesichert ist es nicht) und vor allem eine Reihe weiterer Konflikte in der Zukunft verhindern würde, die zumindest sehr wahrscheinlich sind wenn der Gadaffi Clan an der Macht bleibt. Wie aber die Ereignisse im Irak und in Afghanistan zeigen kann man nicht einen "kurzen Krieg" und Aufbau einer neuen Regierung mal ebenso planen und davon ausgehen dass es so kommt wie man es gern hätte. Die Sorge vor einem weiteren langen Konflikt mit unabsehbaren Folgen ist es wahrscheinlich mehr noch als die Unsicherheit darüber wer genau diese Revolutionäre sind (und wofür sie stehen) die den "Westen" in eine Handlungsunfähigkeit treibt, die jedoch ebenso eine falsche Entscheidung (durch fehlen irgendeiner Entscheidung) sein kann wie eine Entscheidung zu einem militärischen Eingreifen.

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Mi 16. Mär 2011, 16:39 - Beitrag #14

Eine sehr luzide Darstellung der Problemlage :-)

Dieser Punkt kommt in der Diskussion wirklich zu kurz, ist aber denke ich von erheblicher Bedeutung:
Zitat von Malte279:Der "Westen" aber übersieht glaube ich einen wichtigen Punkt (oder ignoriert ihn zumindest), nämlich dass die weitgehende Passivität vielleicht die schlechteste Haltung ist, die er im Augenblick einnehmen kann, da er sich hiermit alle zu Gegnern macht. Durch die rhetorische Forderung dass er "weg müsse" (zu einem Zeitpunkt als es so aussah als könnten die Revolutionäre alleine ihn "wegmachen") hat man es sich mit dem geschätzten Partner Gadaffi soweit verscherzt, dass nicht eben mit einer ungestörten Wiederaufnahme der wenn nicht harmonischen so doch manchmal unterhaltsamen (schafft die Schweiz ab!) Beziehungen nach der Niederschlagung der Revolution und Massenmord an ihren Teilnehmern zu rechnen ist. Wenn es den Revolutionären aber doch gelingen sollte auf sich gestellt zu siegen, so wird sich eine zukünftige Regierung und eine ganze Generation junger Menschen in der "islamischen Welt" an die Zurückhaltung westlicher Staaten erinnern als um ihre Hilfe und Unterstützung (Flugverbotszone) gebeten worden war. Welche Auswirkungen das auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung haben würde lässt sich nicht genau vorhersagen.

Es könnte sogar noch weiter gehen - wem etwas wirklich wichtig ist, der handelt, Handlung ist Ausdruck von Stärke, Ausdruck von Macht, die nicht nur proklamiert, mächtig zu sein, Europa könnte als toter Mann erscheinen.

Da ist gewiss etwas dran, man könnte nur auch die Staaten der Arabischen Liga oder die Nachbarn fragen, welchen Beitrag sie zu leisten bereit wären. Gut, Tunesien hat mit den Flüchtlingen vollauf zu tun, aber Ägypten? Wie sieht es aus mit der Umma?
Wären sie bereit zu einer gemeinsamen Aktion?

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Mi 16. Mär 2011, 16:47 - Beitrag #15

ist das ein Zustand, den es auszuhalten gilt, als Ausdruck der leidvollen Existenz? Zeit für Stoiker?^^
kommt drauf an^^ wenn du Stoiker bist, dürfte das wohl so sein^^ für den Zenpraktiker ist es eine Spielwiese wie alle anderen auch^^

tatsächlich fehlt einfach nur jedes umfassendere Konzept, das nicht auf der Anbiederung gegenüber Macht beruht. Ruhe ist aus Sicht der Machthaber hier wie dort allemal die erste Bürgerpflicht, und ob Widerständler als Revolutionäre, Aufrührer, Rebellen, Verbrecher, Terroristen oder Freiheitskämpfer aufgefasst werden, hängt beinahe ausschließlich davon ab, wie gut wir mit deren Machthabern können, und das wiederum von den Unbilden und Willkürlichkeiten der politischen Großwetterlage, hauptsächlich also davon, wie garantiert die reibungslose Abwicklung unserer Geschäftsinteressen vonstatten gehen kann. Hätten unsere Politiker nicht noch die ein oder andere Rechnung mit Gaddafi offen, dürfte mit Recht bezweifelt werden, ob sie sich so unvorsichtig zum Charakter seiner Regierung geäußert hätten, wie am Beispiel Bahrains ersichtlich ist, mit dem unsereins offenbar keine Rechnung offen hat.

Wir dürfen gespannt sein, wo Desertec hingebaut werden wird.

Lykurg
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Mi 16. Mär 2011, 19:47 - Beitrag #16

Malte, deine pointierte Frage, ob die Revolution in Libyen 'französisch' genug ist, finde ich sehr treffend. Vergleichend dazu war die Jasminrevolution in Tunesien, wo die Demonstranten sehr schnell wörtlich "Liberté, Égalité, Fraternité" forderten, eine direkte Wiederkehr von 1789 (bisher ohne 1792) und dem Westen von daher spontan sympathisch genug, um sie vorbehaltslos zu unterstützen; andererseits eben auch die Lage so klar und schnell entschieden, daß ein paar solidarische Kommentare völlig genügten und noch nicht einmal Wirtschaftssanktionen beschlossen werden mußten.

Zu den von dir genannten Punkten kommt natürlich noch die Abhängigkeit vom libyschen Öl und die Sorge, unter einer neuen Regierung und noch viel schlimmer in einem langandauernden Bürgerkrieg würden Flüchtlingsmassen nach Europa gelangen, die Gaddafi bislang durch seine schiere Präsenz (und natürlich brutale Gewalt, aber da guckt man ja nicht so genau hin bei einem bekanntermaßen schlecht reputierten Verbündeten) verhinderte.

Deine Skepsis gegenüber den Rebellen, über die sehr wenig bekannt ist, ist sicher auch ein wesentliches Motiv für das Zögern des Westens (immerhin steht etwa ein ehemaliger Justizminister des Landes an der Spitze der 'Übergangsregierung', deren reale Bedeutung allerdings fraglich ist und mit jeder Stunde kritischer wird). Andererseits ist Gaddafi ein seit vier Jahrzehnten blutig herrschender Kleptokrat, der sehr offen als Drahtzieher hinter den Anschlägen von Lockerbie und Berlin (La Belle) angenommen wird, in der Region Kriege angezettelt und antiwestliche bzw. antiisraelische Organisationen massiv unterstützt hat. Viel schlimmer kann es meines Erachtens nicht kommen, abgesehen von zusammengebrochenen Staaten wie Somalia und Afghanistan, ein solches Schicksal halte ich aber angesichts der Ölvorräte (ok, Niger & Nigeria...) und der Nähe zu Europa für weniger wahrscheinlich.
Wenn es den Revolutionären aber doch gelingen sollte auf sich gestellt zu siegen, so wird sich eine zukünftige Regierung und eine ganze Generation junger Menschen in der "islamischen Welt" an die Zurückhaltung westlicher Staaten erinnern als um ihre Hilfe und Unterstützung (Flugverbotszone) gebeten worden war. Welche Auswirkungen das auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung haben würde lässt sich nicht genau vorhersagen.
Immerhin hatten sie explizit eine Flugverbotszone, aber keinen Bodeneinsatz gefordert, um sich 'ihren Aufstand nicht wegnehmen zu lassen'. Das spricht einerseits für eine gewisse Skepsis gegenüber dem Westen, zeigt andererseits aber auch, daß das Versagen des Westens möglicherweise nicht ganz so schwer wahrgenommen würde wie immerhin denkbar. Ein sehr schwaches Bild ist es trotzdem, und eine schlimme Schuld, wenn Gaddafi siegt.

Maglor
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Mi 16. Mär 2011, 20:31 - Beitrag #17

Europa und Amerika sind nach den andauernden Kampfhandlungen im Irak und in Afghastan ziemlich kriegsmüde. Die Lehren aus dem Bosnienkrieg und dem Golfkrieg von 1991 dürfte wohl sein, dass es mit einem Luftkrieg allein nicht getan ist, wenn man wirklich etwas erreichen möchte und nicht nur die Eskaltion vorantreiben will. Auf kurz oder lang müssten Bodentruppen folgen. Gaddafis hat in einer Mischung aus Klugheit und Wahnsinn darauf verwiesen, dass "sie" in Vietnam und Algerien bereits Frankreich besiegt habe und "ihnen" in Libyien erneut gelingen würde Europa in die Kniee zu zwingen, weil "sie" eben bereit sind als Märtyrer zu sterben. Gadaffi hat das Problem des "Westens" erkannt: Dort gibt es keine echten Männer mehr.

Ein wichtiges Argument das niemand zu nennen wagt: Libyen bleibt wahrscheinlich kein Einzelfall, sondern könnte bald schon einen Präzedenzfall darstellen. Zurzeit ist das zwar der einzige Bürgerkrieg den der tunesische Gemüsehändler entzündet hat, aber die Revolution kennt keine Grenzen, das Feuer breitet sich weiter aus. Sollte die Lage in Bahrein, Algerien, dem Jemen ... ebenfalls eskalieren, wüsste jeder, was zu tun ist.

Libyens umgestürtze Nachbarlander Tunesien und Ägypten sind schwer mit sich selbst beschäftigt. Der noch aufrechte Teil der "Umma" kehrt ebenfalls vor der eigenen Haustür. Fraglich ist auch, ob die anderen arabischen Staaten technisch überhaupt dazu in der Lage sind, ein Flugverbot zu überwachen und durchzusetzen. Die anderen Länder sind weit entfernt und verfügen über keine Flugzeugträger und militärische Stützpunkte in der Umgebung. (Es ist wohl nichts als die Wahrheit, dass die Flugbasen der USA in Italien, Griechenland und Ägypten näher am Geschehen liegen, als Marroko, Mauretanien oder gar der Iran.)
Ansonsten gibt es eigentlich keine "Umma". Sie ist eine besondere Art der Einbildung. Klar ist, dass die Prinzen vom Golf Gadaffi seit Jahrzehnten hassen, weil er einen Revolutionsführer ist und die Rebellen haben auch keinen Prinzen an ihre Spitze gestellt.

Entscheidender Punkt scheint mir, dass die Forderung von der libyschen Rebellenregierung selbst kommt. Frankreich hat diese bereits anerkannt.
Noch immer klingt George Bushs II. Vision einer Demokratie im Orient nach und Obama Kairo-Rede ist erst recht nicht verjährt. Der Demokratie in der islamischen wurde über Jahre gefordert, auch mit Waffengewalt. Jetzt kommt die Forderung ja von der Rebellen-Regierung selbst. Wie kann man jetzt kneifen ohne endgültig das Gesicht zu verlieren? Politik wird nicht mit Betroffenheitreden, sondern mit Blut und Eisen gemacht. Ein Schulterschluss mit der Rebellion wäre die Chance Morgen- und Abendland brutalstmöglich zu verbrüdern. Ob da am Ende wirklich Demokratie entsteht, vielleicht warten wir ja auch die Paralamentswahlen in Libyen und schicken ein paar Wahlbeobachter in Kriegsgebiet. ;)
Und selbst wenn keine Demokratie entsteht, so dürfte ein Sturz des Gadaffi-Regimes zur Stabilisierung des ganzen Kontinents beitragen. Sind Bürgerkriege in Afrika ohne zutun Libyens überhaupt noch möglich oder würden sie dann eben mit Stöcken und Macheten ausgetragen?
Nicht zu verachten ist natürlich das Versprechen des Nationalrat der Rebellen, dass bei zukünftigen Öl-Geschäften militärische Verbündete der Rebellen berücksichtigt werden. Also im Grunde die Art von neokolonialem Krieg, die wir immer wollten. :crazy:

Malte279
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Do 17. Mär 2011, 00:33 - Beitrag #18

Deine Skepsis gegenüber den Rebellen...
Da muss ich dringend klarstellen, dass es nicht meine Skepsis ist die ich beschrieben habe. Zwar weiß ich nicht welche Neuordnung den Revolutionären in Libyen vorschwebt aber das eine bekannte Ziel, dass Regime Gadaffis abzuschütteln, halte ich für positiv genug um es zu unterstützen.
Viel schlimmer als mit dem Regime Gadaffi kann es ja kaum werden und der "Westen" hat schon übel genug an Glaubwürdigkeit eingebüßt indem er sich derart mit dem bekennenden Terroristen arrangiert hat ohne weiter nachzufragen was er innerhalb seiner Landesgrenzen tut.
Was das libysche Öl angeht sollte ein Punkt nicht ganz übersehen werden. Der "Westen" braucht sicherlich das libysche Öl, aber umgekehrt braucht auch Libyen das westliche Geld, Waren etc. keine von beiden Parteien kann, unabhängig davon wer die Hebel der Macht in der Hand hat, einfach so die Beziehungen abbrechen ohne dadurch nicht selber schwere einschnitte hinzunehmen. Möglicherweise würde sogar Gadaffis Regime in sehr absehbarer Zeit "von selbst" zusammenbrechen wenn die Einnahmequelle Öl für das Land für einige Monate versiegen würde (aber das ist erstmal spekulativ).

Ipsissimus
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Do 17. Mär 2011, 01:40 - Beitrag #19

aber umgekehrt braucht auch Libyen das westliche Geld, Waren etc.
Libyen braucht dieses Geld zweifellos, aber braucht es auch der Gaddafi-Clan? Bei allen ehrenwertem Ansinnen, Diktatoren-Gelder international zu sperren und dem jeweiligen Land wieder zu übereignen, wie oft werden unsere modernen Diktatoren bei so etwas zuschauen, ehe sie ihre Gegenmaßnahmen getroffen haben? Das eine Mal, wenn es den ersten trifft, dürfte nicht allzuweit von der Faktizität liegen. Was haben wir dann? Ein Land, das in Armut und Chaos versinkt, und einen Clan, der in freier Wahl entweder seinen Wohlstand in irgendeinem Refugium genießt (Lukaschenko soll dem Clan ja bereits Asyl angeboten haben) oder die nötigen Söldnertruppen aus seinem - und sei es noch so sehr zusammen geraubtem - Privatvermögen finanziert. Sieht auch nach recht nah an der Wirklichkeit aus.

Ich wäre da also nicht so optimistisch. Gadaffi hat jederzeit die "nach mir die Sintflut"-Option offen. Ich bezweifele, dass er aus Liebe zu seinen Kindern darauf verzichten wird, sollte es aus seiner Sicht notwendig werden. Wobei es derzeit wohl nicht notwendig ist, er scheint über relevante Unterstützung zu verfügen, während die Opposition mit besorgten Worten des Westens abgespeist wird.

Ipsissimus
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Sa 19. Mär 2011, 00:20 - Beitrag #20

und nun? Ich bin gespannt^^ zwei Schlangen versuchen, sich gegenseitig zu hypnotisieren^^

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