Atomausstieg

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Padreic
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Sa 26. Mär 2011, 01:19 - Beitrag #21

Auch wenn ich mit der Berichterstattung der Zeit nicht 100%ig zufrieden bin, sind immer wieder interessante Punkte enthalten. Da der Artikel anscheinend nicht im Netz erhältlich ist, will ich ein paar der interessanten Punkte aus dem Artikel "Man muss nur wollen" zusammenfassen:
1) Wenn es bzgl. Stromproduktionsreserven nur um Spitzenlasten geht, kann man auch Kühlhäuser ihre Kühlung mal 15 Minuten abstellen lassen oder Stahlproduktion eine Stunde aussetzen.
2) Während Brüderle sagt, man bräuchte 3600km neues Hochspannungsnetz für einen Umstieg auf alternative Energien, sagt eine Studie aus seinem Ministerium, man bräuchte nur 500km.
3) CO2-Emissionen von zusätzlichen Kohle- und Gaskraftwerken würden für den Gesamt-CO2-Ausstoß der EU nicht ins Gewicht fallen, weil der ohnehin gedrosselt ist - nur die CO2-Zertifikate würden teurer werden. D.h. das CO2-Argument verlagerte sich zu einem potentiellen Kostenargument.

Bevor ich auf die einzelnen Antworten eingehe, will ich auch noch einen anderen Punkt ansprechen. Es wird immer viel davon gesprochen, wie viele Überkapazitäten wir haben und dass es ja auch offenbar kein Problem ist, mal eben 7 AKWs abzuschalten... ich glaube, Japan wäre jetzt froh über große Überkapazitäten. Überkapazitäten sind auch eine Sicherung der Stromversorgung. Wenn wir z. B. 30% unseres Stromverbrauchs durch Solarenergie decken würden, ohne wesentliche Überkapazitäten zu haben, und ein Jahr ohne Sommer käme, wäre das wohl für unsere Stromversorgung eher unangenehm.... natürlich ist es ein sehr unwahrscheinliches Ereignis, aber ein durchaus auftretendes; man sollte zumindest irgendeine Art Plan haben für so etwas.

@janw:
Zu den "Leukämieclustern": auch wenn es da verschiedene Ansichten geben mag, gibt es es meiner Kenntnis nach, keine überzeugende Erklärung oder gar einen Beweis dafür, dass sie auf Radioaktivität durch ein AKW zurückzuführen sind. Es ist, soviel ich weiß, nicht klar, ob geringe bis mittlere Dosen an Radioaktivität wesentlich zur Leukämie beitragen - auch per Tschernobyl konnte außerhalb des Kreises der Liquidatoren keine durch Radioaktivität erhöhte Leukämierate nachgewiesen werden, so viel ich weiß. Außerdem sind das in Deutschland so kleine Anzahlen von Fällen, das es auch Zufall sein könnte...Signifikanz ist kein Beweis für irgendetwas.

Zu den Auswirkungen von geringen Mengen radioaktiver Strahlung gibt es ebenfalls recht unterschiedliche Meinungen....von wirklichen Beweisen für eine schädliche Wirkung habe ich jedenfalls noch nirgendwo gehört. Wenn es solche gibt, sollte man aber wohl mit Kohlekraftwerken und erhöhter natürlicher Radioaktivität durch Radonquellen anfangen.
Bei Meldungen wie "es ist radioaktives Wasser in den Rhein geleitet worden" kann man wenig entgegnen, so lange nicht klar ist, wie viel Radioaktivität da im Spiel ist. Es hört sich für mich aber so an, als ob da niemand wirklich zu Schaden gekommen wäre...

Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen: es gibt immer wieder fragwürdiges Verhalten von Polizei und Politik, früher wohl noch mehr als früher (siehe z. B. Schah-Demo). In den letzten Jahren ist mir im Bezug auf Atomkraft aber keines bekannt.
Industrie operiert immer wieder mit gefährlichen Sachen. Und sei es eine Feuerwerkskörperfabrik. Bei Atomkraft ist es wohl noch eine andere Dimension, aber deswegen sind hier ja auch die Kontrollen so viel stärker. - die Zeit glänzt da auch wieder in ihrer Berichterstattung, indem sie die Anzahl der meldepflichtigen Störfälle bei den vorhandenen Atomkraftwerken angibt, ohne zu sagen, dass die allerallermeisten der INES-Stufe 0 entsprechen, also "keine oder nur sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung" haben. Die Anzahl der meldepflichtigen Störfälle ist eben auch deshalb so hoch, weil alles relevante gemeldet werden muss.

Eine etwas zynische Betrachtung, wie ich finde.
Man kann auch die Betrachtungsweise andersherum zynisch (oder hysterisch?) finden - Tote durch konventionelle Ursachen kommen halt vor, aber wenn jemandem radioaktives Wasser in die Stiefel läuft, ist das schlimmer, als wenn mehrere bei einer Ölexplosion sterben. Tote sind Tote, Leidende sind Leidende. Natürlich gibt es bei Radioaktivität eine "Dunkelziffer" - aber tatsächliche Tote sehe ich als schlimmer an, als Leute, die möglicherweise geschädigt wurden...durch Kohlestaub etc. gibt es übrigens natürlich auch eine "Dunkelziffer".
Was ich eher verstehe, ist die Angst vor einer großen Anzahl von Toten und Verletzten bei einer nuklearen Katastrophe a la Tschernobyl. Das hängt natürlich dann sehr davon ab, für wie wahrscheinlich man so etwas hält. Ich persönlich halte es für extrem unwahrscheinlich - zumindest die Steuerstäbe sollte man in jedem Fall noch reinbekommen....

Wenn in Wiederaufbereitungsanlagen illegal große Mengen von Radioaktivität in die Umwelt abgegeben werden, muss man eben mit hohen Strafen arbeiten; das reduziert solche Problematiken im Normalfall.
Genauso sehe ich es beim Uranabbau: die Strahlenbelastung, die dort für die Bevölkerung in die Arbeiter besteht, ist erschreckend hoch und auch die gesamte Umweltzerstörung. Ich schätze jedoch, dass das keine unvermeidbaren Sachen sind, wenn man das doppelte der Abbaukosten investieren würde oder meinetwegen auch das Dreifache. Das würde für die Stromproduktionskosten nur verschwindend ausmachen. Um so etwas durchzusetzen, fordert man eben bestimmte Auflagen, widrigenfalls man halt von dieser Uranmine nichts mehr bezieht.
Was in der Asse abgelaufen ist, finde ich übrigens auch unglaublich....

Dass nur, weil in Deutschland der Atommüll produziert wurde, er auch zwangsweise in Deutschland gelagert werden muss, sehe ich nicht so. Es geht ja nicht darum, ihn in irgendwelche Kolonien Deutschlands auf den Marktplatz zu schütten....wenn man zu dem Schluss kommt, dass der lange Transport kein ernsthaftes Problem ist, halte ich die Idee für gar nicht so schlecht, Atommüll in ohnehin kontaminierten Gebiet zu lagern, falls es da geeignete Möglichkeiten gibt.

Es besteht übrigens eine Haftpflichtversicherung der AKW-Betreiber von 2,5 Milliarden, was so extrem wenig gar nicht ist, plus eine Haftung per kompletten Vermögen.

@e-noon:
Zur Bevölkerungsdichte rund um Tschernobyl möchte ich anmerken, dass kaum weiter als Tschernobyl selbst die Stadt Prypjat liegt/lag, die immerhin fast 50.000 Einwohner zählt und quasi als Arbeiterstadt für das Kernkraftwerk entstanden ist. Auch interessant ist, dass der Rest des Kernkraftwerks nach dem Unfall weiterbetrieben wurde....
Zu den hohen Todeszahlen bei Tschernobyl (Greenpeace geht sogar von eher 90.000 aus, gesichert sind mindestens 60...) trug natürlich auch bei, dass die Gegend um das Kernkraftwerk nicht so schnell evakuiert wurde, wie man erwarten könnte und auch Jod-Tabletten nur in geringen Umfang gegeben wurde. Genauer gesagt wurde z. B. Prypjat erst 36 Stunden nach dem Unglück evakuiert - dadurch, dass man den Bewohnern sagte, sie seien nur für 3 Tage weg, konnte man die Evakuierung aber dafür in 2,5 Stunden durchführen...man muss auch sagen, dass aufgrund günstiger Windverhältnisse, die stärkste Kontaminierung der Stadt erst nach der Evakuierung stattfand. Trotzdem hätte man vermutlich durch schnellere Evakuierungen und mehr Jod viele Todesfälle verhindert können.

Ein Import von Atomkraft aus Frankreich bei gleichzeitigem Atomausstieg in Deutschland? Ob man kein Problem damit hat, hängt sicherlich davon ab, aus welchen Gründen man einen Atomausstieg vollziehen will.

Im Prinzip gebe ich dir aber natürlich vollkommen recht, dass es zusätzlich beruhigend wäre, wenn eine 20km-Zone um ein Atomkraftwerk nur relativ dünn besiedelt wäre.

@Lykurg: die GenerationIV-Reaktoren hören sich in der Tat interessant an. Meinetwegen könnte man auch bis 2030 alle Prä-Konvoi-Reaktoren abschalten und dann GenerationIV bauen ;). Aber 2030 ist natürlich noch in weiter Ferne und man weiß nicht genau, wie gut die technische Realisierung von alledem klappt. Und vor allem ist es eine langfristige Geschichte, die leider nicht als Argument Pro oder Contra eines baldigen Atomausstiegs taugt ;).

fanvarion
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Sa 26. Mär 2011, 21:23 - Beitrag #22

Zitat 009
Das mit den "Kosten" scheint mir zumindest bei Braunkohle so eindeutig nicht, da für die in D übliche Gewinnung per Tagebau auch massive Eingriffe in die Umwelt nötig sind: ganze Orte umsiedeln und auflösen, wie westlich Kölns bis zu 300m tiefe Löcher graben, dort und im angrenzenden Gebiet das Grundwasser absenken.
Zu 100% von den Bergbaubetreibenden finanziert und nicht subventioniert. Deutschland ist das Braunkohleland schlechthin. Wir haben so viel Braunkohle das wir noch ein paar dutzend Jahrzehnte Strom erzeugen könnten.
Zitat Lykburg
Kohlebergbau ist schrecklich (Arbeitsbedingungen, Krankheiten, Grubenunglücke...) und fordert jährlich um ein vielfaches höhere Opferraten als die Nuklearindustrie. Was Verseuchung betrifft, die Folgen von Quecksilber- und Dioxinvergiftungen sind auch recht langanhaltend... und sehr viel direkter bemerkbar in Form von massenhaft auftretenden Todesfällen und schweren Erbgutschädigungen.

Übrigens ist die radioaktive Strahlung in einem 80 km-Umkreis von Kohlekraftwerken um den Faktor 30 höher als im Umkreis von Kernkraftwerken (wegen Uran und Thorium in der verbrannten Kohle). Würde mich interessieren, wie sich das in der Leukämierate niederschlägt.
Hallo Lykburg
Es ist schon interessant, dass du Amerikanische Steinkohlekraftwerke (inkl. Amerikanischer Steinkohle) mit deutscher Braunkohle vergleichst.
Zum zweiten Vergleiche mal den Deutschen Steinkohlebergbau und Braunkohlebergbau mit dem der anderen Länder. Dann wirst du feststellen, dass der deutsche Bergbau besser ist als der von dir genannten Übertreibungen.

Zitat padreic
3) CO2-Emissionen von zusätzlichen Kohle- und Gaskraftwerken würden für den Gesamt-CO2-Ausstoß der EU nicht ins Gewicht fallen, weil der ohnehin gedrosselt ist - nur die CO2-Zertifikate würden teurer werden. D.h. das CO2-Argument verlagerte sich zu einem potentiellen Kostenargument.
Wenn wir in Deutschland unsere CO2 Emissionen senken ist das ungefähr der Tropfen auf dem Kieselstein. Aber durch sich anpassende Technik werden wir diesen noch senken können.

Atomkraft:
Ich denke, das wir über die Atomkraft über kurz oder lang loswerden. Wir aber erst die Möglichkeit der Energiespeicherung bzw. die Energieweiterleitung verbessern müssen.

Gruß fan

009
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So 27. Mär 2011, 01:32 - Beitrag #23

Zitat von fanvarion:Zu 100% von den Bergbaubetreibenden finanziert und nicht subventioniert. Deutschland ist das Braunkohleland schlechthin. Wir haben so viel Braunkohle das wir noch ein paar dutzend Jahrzehnte Strom erzeugen könnten.


Die Bergbaubetreiber (in NRW mit RWE auch zugleich die Stromerzeiger) legen diese danna ber auf die Stromkunden um; insofern die Frage, aucf die ich aktuell keine sichere Antwort/belastbare Fakten habe: ist Braunkohlenstrom ggf. wegen der höheren Kisten für die Gewinnung der Braunkohle teurer?
Und wenn Kosten mal nicht im enegen Sinne direkte finanzielle Kosten meint, fallen m.E. schon recht stark die ganzen Löcher in der Gegend und vor allem die zwangsweisen Umsiedelungen, somit in vielen Fällen eine gewiss nicht ganz untragische Vertreibung aus der dann vernichteten Heimat ins Gewicht.

Lykurg
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So 27. Mär 2011, 12:01 - Beitrag #24

Zitat von Padreic:3) CO2-Emissionen von zusätzlichen Kohle- und Gaskraftwerken würden für den Gesamt-CO2-Ausstoß der EU nicht ins Gewicht fallen, weil der ohnehin gedrosselt ist - nur die CO2-Zertifikate würden teurer werden. D.h. das CO2-Argument verlagerte sich zu einem potentiellen Kostenargument.
Das Argument der 'Zeit' verstehe ich nicht - sicher würde es zu einer Verteuerung der Zertifikate führen, aber dessen ungeachtet doch auch zu einer Vermehrung. Zwar würde es die Anstrengungen befördern, den CO2-Ausstoß zu verringern, aber daß er deswegen gleichbliebe, ist meines Erachtens Augenwischerei - es sei denn, man rechnet längerfristig mit dem Neubau von AKWs in europäischen Nachbarländern, mehr oder weniger explizit für den Stromexport nach Deutschland. Das ist vielleicht eine vernünftige Lösung, aber weder sicherer noch billiger, nur ein Ruhekissen für die Volksseele...

Mit der Anmerkung an mich hast du natürlich recht, derartiges ist zur Zeit illusorisch und ohnehin handelt es sich um Studien. Als Argument meinte ich höchstens: schade, daß der hiesige Forschungsquasistop es verhindert, an so schönen Dingen mitzuentwickeln und hiesige Sicherheitsstandards von vornherein in die Konzipierung einzubringen. Ich wünschte, daß die öffentliche Meinung noch einmal drehte, aber ich fürchte, die dafür notwendige noch größere Krise will ich auch nicht erleben.

Zitat von fanvarion:Hallo Lykburg
Es ist schon interessant, dass du Amerikanische Steinkohlekraftwerke (inkl. Amerikanischer Steinkohle) mit deutscher Braunkohle vergleichst.
Zum zweiten Vergleiche mal den Deutschen Steinkohlebergbau und Braunkohlebergbau mit dem der anderen Länder. Dann wirst du feststellen, dass der deutsche Bergbau besser ist als der von dir genannten Übertreibungen.
fanvarion, bitte schreib doch jeweils "Lykurg".
Ich habe nicht von Braunkohle gesprochen, sondern einfach von 'Kohlekraftwerken'. Es gibt in Deutschland derzeit wesentlich mehr Steinkohle- als Braunkohlekraftwerksstandorte]hier[/url] und hier). Darum geht es mir aber überhaupt nicht, meinetwegen brauchst du auch keinen Deutschlandbezug zu suchen, die zentrale und mE überraschende Aussage war für mich: Von einem [Stein-]Kohlekraftwerk wird im Normalbetrieb mehr Radioaktivität freigesetzt als von einem Kernkraftwerk. Die von mir angegebene Quelle unterscheidet nicht zwischen Braun- und Steinkohle, entsprechend kann ich mich nicht dazu äußern. Zugegebenermaßen weiß ich auch nicht, ob deutsche Steinkohle möglicherweise einen geringeren Thorium- und Urangehalt als amerikanische Steinkohle hat, allerdings stammt meines Wissens ohnehin ein Großteil der hier verfeuerten Steinkohle aus Australien.
Der von mir verwendete Begriff "Kohlebergbau" hätte aber deutlich machen können, daß ich an Steinkohle dachte, bei Braunkohle hätte ich von Tagebau gesprochen. Sicher sind die Zustände in deutschen und australischen Minen viel besser als etwa in chinesischen oder ukrainischen, trotzdem sollten auch Zustände andernorts bei einem Vergleich der Energieformen mit eingerechnet werden (Atomkraftgegner verweisen ja auch jedesmal auf Tschernobyl, Harrisburg und ab jetzt Fukoshima, obwohl die Störfälle sich nicht in Deutschland und nicht mit deutschen Reaktortypen ereignet haben). Ich sehe daher nicht, daß ich übertrieben hätte.
Bei Braunkohle ist eher die großflächige Verschandelung und Verwüstung von Landschaften zu beklagen, außerdem natürlich die CO2-Bilanz. In jedem Fall sind das für mich die wirklich eilig abzulösenden Energieträger, kurzlebiger als das sollten nur noch Öl- und Gaskraftwerke sein. Ein paar Aspekte bringt die englische Wikipedia...
Zitat von Lignite:Because of its low energy density, brown coal is inefficient to transport and is not traded extensively on the world market compared with higher coal grades. [...] Carbon dioxide emissions from brown coal fired plants are generally much higher than for comparable black coal plants
Hier ein Vergleich über den CO2-Ausstoß verschiedener Formen der Energiegewinnung. Wobei ich den letzten Satz der Pressemitteilung angesichts der Zahlen schon witzig finde. Bild

janw
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So 27. Mär 2011, 14:24 - Beitrag #25

Zitat von Lykurg:Das Argument der 'Zeit' verstehe ich nicht - sicher würde es zu einer Verteuerung der Zertifikate führen, aber dessen ungeachtet doch auch zu einer Vermehrung. Zwar würde es die Anstrengungen befördern, den CO2-Ausstoß zu verringern, aber daß er deswegen gleichbliebe, ist meines Erachtens Augenwischerei - es sei denn, man rechnet längerfristig mit dem Neubau von AKWs in europäischen Nachbarländern, mehr oder weniger explizit für den Stromexport nach Deutschland. Das ist vielleicht eine vernünftige Lösung, aber weder sicherer noch billiger, nur ein Ruhekissen für die Volksseele...

Die Zertifikate-Geschichte ist so angelegt, daß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in bestimmten Grenzen neue Zertifikate ausgegeben werden, danach wird sie gedeckelt.
Das Ziel ist, Rechte zum CO2-Ausstoß gewissermaßen als endliche Ressource zu gestalten, deren Nachgefragtheit sich in ihrem Preis ausdrückt.

Eine nennenswerte CO2-Vermeidung durch neue Kernkraftwerke wird von zahlreichen Experten als nicht machbar angesehen, im global relevanten Maßstab würde das mehrere hundert neue Kraftwerke erfordern, mit entsprechenden Investitionsmitteln, wobei auch die Uranvorräte dazu wohl nicht lange ausreichen würden.

Mit der Anmerkung an mich hast du natürlich recht, derartiges ist zur Zeit illusorisch und ohnehin handelt es sich um Studien. Als Argument meinte ich höchstens: schade, daß der hiesige Forschungsquasistop es verhindert, an so schönen Dingen mitzuentwickeln und hiesige Sicherheitsstandards von vornherein in die Konzipierung einzubringen. Ich wünschte, daß die öffentliche Meinung noch einmal drehte, aber ich fürchte, die dafür notwendige noch größere Krise will ich auch nicht erleben.

Nun, da ja die ins Auge gefassten Reaktortypen noch nicht real existieren bzw. funktionieren, könnte die Phase des Energiesparens und Umstiegs auf erneuerbare Energien als Brückenphase genutzt werden ;)
Und als Gegenleistung an die Kernenergiebefürworter könnte man ja einen entsprechen langfristig angelegten Forschungscluster in Deutschland anlegen.

Ich hatte auch eher an den Steinkohlenbergbau gedacht...
Der kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein, von katastrophalen Bedingungen in China über Berge versetzend in usa (Appalachen) und wohl einigermaßen erträglich in Australien und einigem dazwischen.
Braunkohle hat als Nachteil den hohen Wassergehalt aus natürlicher Feuchtigkeit und organischen Substanzen, der bei der Verbrennung mit verdampft werden muss.
Die Emissionen von Uran und Thorium sind natürlich ein Problem, aber im Unterschied zu Jod werden diese immerhin nicht inkorporiert.
Es wäre mal interessant, das mit der Radioaktivität z.B. im Erzgebirge zu vergleichen, wo diese Substanzen in den Gesteinen vorkommen. Dort hat man bauliche Sanierungen vorgenommen, um die Belastungen durch Radon zu reduzieren.

Ipsissimus
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So 27. Mär 2011, 15:03 - Beitrag #26

gibt es eigentlich irgendwo hieb- und stichfeste wissenschaftliche Untersuchungen, validiert nach wissenschafltichen Kriterien und mit Falsifikationskriterien versehen, die beweisen, dass CO2 auch nur das geringste mit unseren Umweltproblemen zu tun hat? Oder ist das ein moderner Mythos, der Karriere gemacht hat? Ich weiß, dass alle so tun, als sei das bewiesen. Wo wurde es bewiesen? Auf mich wirkt das wie ein Ablenkungsversuch.

Padreic
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So 27. Mär 2011, 15:51 - Beitrag #27

@Lykurg: wie Jan schon sagte: wenn nur bis zu einer bestimmten Grenze CO2-Zertifikate angeboten werden, muss jemand anders mehr verbrauchen, wenn wir weniger verbrauchen - für uns ist es dann aber dementsprechend teurer. Die negativen Auswirkungen finden sich aber natürlich in der Zukunft: werden die Zertifikate teurer, ist es schwerer, die Deckelung der Zertifikate in Zukunft herabzusenken.

@Ipsissimus: so etwas lässt sich natürlich nicht 100%ig beweisen. Dazu bräuchten wir ein vollständiges Verständnis von Klimaprozessen, was wir bisher nicht haben. Es ist aber sicherlich nicht einfach erfunden, es gibt wohl einiges was dafür spricht und es scheint auch die Mehrheitsmeinung unter Wissenschaftlern zu sein. Für Details ist aber vermutlich ein eigener Thread die bessere Wahl. Nur eines hier: wenn die CO2-Problematik nur fiktiv ist, kann ich einen Ausbau von Kohlekraftwerken nur befürworten.

janw
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So 27. Mär 2011, 15:57 - Beitrag #28

Nun, es gibt eine deutliche Korrelation zwischen dem Anstieg der CO2-Gehalte und dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur, und es gibt Rechenmodelle, die darstellen, welche Folgen bei einem weiteren Temperaturanstieg zu erwarten sind und wozu erhöhte CO2-Einträge in bestimmte Ökosysteme führen werden.
Die Ergebnisse der ersten Modellrechnungen treten heute bereits teilweise ein, z.B. eine Verlagerung der 0°-Isotherme in den Hochgebirgen und in der Arktis, Verstärkungen von tropischen Stürmen werden noch diskutiert, da ist die Zeitreihe wohl noch zu kurz, um andere Zyklen auszuschließen.
Im Zuge der Temperaturveränderungen kommt es zu Veränderungen von Meeresströmungen und zur Verlagerung von Zonen des Aufeinandertreffens von Strömungen.
Es ist eine Versauerung des Meerwassers festzustellen, die mit für Schäden an Korallenriffen verantwortlich gemacht wird.
Experimente mit Modell-Ökosystemen unter kontrollierten Klimabedingungen lassen sich mit Beobachtungen in der Natur parallelisieren, z.B. eine erhöhte Produktivität von Kulturpflanzen bei gleichzeitig zunehmendem Wasserbedarf.

Angesichts eines komplexen Geschehens mit zahlreichen sich teilweise verstärkenden oder rückkoppelnden Faktoren und Effekten wird IMHO ein anderer Beweis nicht zu erzielen sein, zumindest nicht vor Eintreten des maximalen Szenarios. Und das enthält einige nicht so berückende Inhalte...

Bleibt natürlich z.B. die Frage, ob das CO2 wirklich alles aus Verbrennungsvorgängen stammt oder nicht vulkanischen Ursprungs ist.
Meines Wissens gibt es dazu aber Isotopenuntersuchungen, die gegen lezteres sprechen - iirc spielt das sogar schon als Korrekturfaktor in den C14-Datierung hinein - und es wäre schon sehr zufällig, daß der Vulkanismus ausgerechnet seit der industriellen Revolution mehr CO2 ausstoßen sollte.

Skeptischer bin ich schon, was Betrachtungen zu Methan betrifft, Thema Wiederkäuer als Klimakiller. Da denke ich, daß die Rinder und Schafe die ausgerotteten Wild-Wiederkäuer etwa zahlenmäßig ersetzen, und Moore werden auch mehr methan emittiert haben früher - oder das gleicht sich heute durch Emissionen aus Permafrostböden aus.

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