1) Wenn es bzgl. Stromproduktionsreserven nur um Spitzenlasten geht, kann man auch Kühlhäuser ihre Kühlung mal 15 Minuten abstellen lassen oder Stahlproduktion eine Stunde aussetzen.
2) Während Brüderle sagt, man bräuchte 3600km neues Hochspannungsnetz für einen Umstieg auf alternative Energien, sagt eine Studie aus seinem Ministerium, man bräuchte nur 500km.
3) CO2-Emissionen von zusätzlichen Kohle- und Gaskraftwerken würden für den Gesamt-CO2-Ausstoß der EU nicht ins Gewicht fallen, weil der ohnehin gedrosselt ist - nur die CO2-Zertifikate würden teurer werden. D.h. das CO2-Argument verlagerte sich zu einem potentiellen Kostenargument.
Bevor ich auf die einzelnen Antworten eingehe, will ich auch noch einen anderen Punkt ansprechen. Es wird immer viel davon gesprochen, wie viele Überkapazitäten wir haben und dass es ja auch offenbar kein Problem ist, mal eben 7 AKWs abzuschalten... ich glaube, Japan wäre jetzt froh über große Überkapazitäten. Überkapazitäten sind auch eine Sicherung der Stromversorgung. Wenn wir z. B. 30% unseres Stromverbrauchs durch Solarenergie decken würden, ohne wesentliche Überkapazitäten zu haben, und ein Jahr ohne Sommer käme, wäre das wohl für unsere Stromversorgung eher unangenehm.... natürlich ist es ein sehr unwahrscheinliches Ereignis, aber ein durchaus auftretendes; man sollte zumindest irgendeine Art Plan haben für so etwas.
@janw:
Zu den "Leukämieclustern": auch wenn es da verschiedene Ansichten geben mag, gibt es es meiner Kenntnis nach, keine überzeugende Erklärung oder gar einen Beweis dafür, dass sie auf Radioaktivität durch ein AKW zurückzuführen sind. Es ist, soviel ich weiß, nicht klar, ob geringe bis mittlere Dosen an Radioaktivität wesentlich zur Leukämie beitragen - auch per Tschernobyl konnte außerhalb des Kreises der Liquidatoren keine durch Radioaktivität erhöhte Leukämierate nachgewiesen werden, so viel ich weiß. Außerdem sind das in Deutschland so kleine Anzahlen von Fällen, das es auch Zufall sein könnte...Signifikanz ist kein Beweis für irgendetwas.
Zu den Auswirkungen von geringen Mengen radioaktiver Strahlung gibt es ebenfalls recht unterschiedliche Meinungen....von wirklichen Beweisen für eine schädliche Wirkung habe ich jedenfalls noch nirgendwo gehört. Wenn es solche gibt, sollte man aber wohl mit Kohlekraftwerken und erhöhter natürlicher Radioaktivität durch Radonquellen anfangen.
Bei Meldungen wie "es ist radioaktives Wasser in den Rhein geleitet worden" kann man wenig entgegnen, so lange nicht klar ist, wie viel Radioaktivität da im Spiel ist. Es hört sich für mich aber so an, als ob da niemand wirklich zu Schaden gekommen wäre...
Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen: es gibt immer wieder fragwürdiges Verhalten von Polizei und Politik, früher wohl noch mehr als früher (siehe z. B. Schah-Demo). In den letzten Jahren ist mir im Bezug auf Atomkraft aber keines bekannt.
Industrie operiert immer wieder mit gefährlichen Sachen. Und sei es eine Feuerwerkskörperfabrik. Bei Atomkraft ist es wohl noch eine andere Dimension, aber deswegen sind hier ja auch die Kontrollen so viel stärker. - die Zeit glänzt da auch wieder in ihrer Berichterstattung, indem sie die Anzahl der meldepflichtigen Störfälle bei den vorhandenen Atomkraftwerken angibt, ohne zu sagen, dass die allerallermeisten der INES-Stufe 0 entsprechen, also "keine oder nur sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung" haben. Die Anzahl der meldepflichtigen Störfälle ist eben auch deshalb so hoch, weil alles relevante gemeldet werden muss.
Man kann auch die Betrachtungsweise andersherum zynisch (oder hysterisch?) finden - Tote durch konventionelle Ursachen kommen halt vor, aber wenn jemandem radioaktives Wasser in die Stiefel läuft, ist das schlimmer, als wenn mehrere bei einer Ölexplosion sterben. Tote sind Tote, Leidende sind Leidende. Natürlich gibt es bei Radioaktivität eine "Dunkelziffer" - aber tatsächliche Tote sehe ich als schlimmer an, als Leute, die möglicherweise geschädigt wurden...durch Kohlestaub etc. gibt es übrigens natürlich auch eine "Dunkelziffer".Eine etwas zynische Betrachtung, wie ich finde.
Was ich eher verstehe, ist die Angst vor einer großen Anzahl von Toten und Verletzten bei einer nuklearen Katastrophe a la Tschernobyl. Das hängt natürlich dann sehr davon ab, für wie wahrscheinlich man so etwas hält. Ich persönlich halte es für extrem unwahrscheinlich - zumindest die Steuerstäbe sollte man in jedem Fall noch reinbekommen....
Wenn in Wiederaufbereitungsanlagen illegal große Mengen von Radioaktivität in die Umwelt abgegeben werden, muss man eben mit hohen Strafen arbeiten; das reduziert solche Problematiken im Normalfall.
Genauso sehe ich es beim Uranabbau: die Strahlenbelastung, die dort für die Bevölkerung in die Arbeiter besteht, ist erschreckend hoch und auch die gesamte Umweltzerstörung. Ich schätze jedoch, dass das keine unvermeidbaren Sachen sind, wenn man das doppelte der Abbaukosten investieren würde oder meinetwegen auch das Dreifache. Das würde für die Stromproduktionskosten nur verschwindend ausmachen. Um so etwas durchzusetzen, fordert man eben bestimmte Auflagen, widrigenfalls man halt von dieser Uranmine nichts mehr bezieht.
Was in der Asse abgelaufen ist, finde ich übrigens auch unglaublich....
Dass nur, weil in Deutschland der Atommüll produziert wurde, er auch zwangsweise in Deutschland gelagert werden muss, sehe ich nicht so. Es geht ja nicht darum, ihn in irgendwelche Kolonien Deutschlands auf den Marktplatz zu schütten....wenn man zu dem Schluss kommt, dass der lange Transport kein ernsthaftes Problem ist, halte ich die Idee für gar nicht so schlecht, Atommüll in ohnehin kontaminierten Gebiet zu lagern, falls es da geeignete Möglichkeiten gibt.
Es besteht übrigens eine Haftpflichtversicherung der AKW-Betreiber von 2,5 Milliarden, was so extrem wenig gar nicht ist, plus eine Haftung per kompletten Vermögen.
@e-noon:
Zur Bevölkerungsdichte rund um Tschernobyl möchte ich anmerken, dass kaum weiter als Tschernobyl selbst die Stadt Prypjat liegt/lag, die immerhin fast 50.000 Einwohner zählt und quasi als Arbeiterstadt für das Kernkraftwerk entstanden ist. Auch interessant ist, dass der Rest des Kernkraftwerks nach dem Unfall weiterbetrieben wurde....
Zu den hohen Todeszahlen bei Tschernobyl (Greenpeace geht sogar von eher 90.000 aus, gesichert sind mindestens 60...) trug natürlich auch bei, dass die Gegend um das Kernkraftwerk nicht so schnell evakuiert wurde, wie man erwarten könnte und auch Jod-Tabletten nur in geringen Umfang gegeben wurde. Genauer gesagt wurde z. B. Prypjat erst 36 Stunden nach dem Unglück evakuiert - dadurch, dass man den Bewohnern sagte, sie seien nur für 3 Tage weg, konnte man die Evakuierung aber dafür in 2,5 Stunden durchführen...man muss auch sagen, dass aufgrund günstiger Windverhältnisse, die stärkste Kontaminierung der Stadt erst nach der Evakuierung stattfand. Trotzdem hätte man vermutlich durch schnellere Evakuierungen und mehr Jod viele Todesfälle verhindert können.
Ein Import von Atomkraft aus Frankreich bei gleichzeitigem Atomausstieg in Deutschland? Ob man kein Problem damit hat, hängt sicherlich davon ab, aus welchen Gründen man einen Atomausstieg vollziehen will.
Im Prinzip gebe ich dir aber natürlich vollkommen recht, dass es zusätzlich beruhigend wäre, wenn eine 20km-Zone um ein Atomkraftwerk nur relativ dünn besiedelt wäre.
@Lykurg: die GenerationIV-Reaktoren hören sich in der Tat interessant an. Meinetwegen könnte man auch bis 2030 alle Prä-Konvoi-Reaktoren abschalten und dann GenerationIV bauen

