Staat ohne Regierung?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
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Di 29. Mär 2011, 14:49 - Beitrag #1

Staat ohne Regierung?

Schon öfters ist die Frage angeklungen, ob das System der Regierungsbildung durch Koalitionen ein richtiger Weg ist, in dem Sinne, daß er den Wählerwillen umsetzt und allgemein gut ist für das Land.
Ich möchte einmal die Frage aufwerfen, ob und wie ein Staat ohne Regierung funktionieren könnte, ohne eben aufzuhören, zu funktionieren.

Maglor
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Di 29. Mär 2011, 19:56 - Beitrag #2

Schau dich doch mal in Europa um.
z. B. Belgien
Focus
29.03.2011 – Bisher hatte der Irak den „Weltrekord“ in Sachen Regierungsbildung gehalten. Vor zwei Jahren brauchte der Irak 289 Tage, um nach der Wahl eine Regierung zu bilden. Dieser „Weltrekord“ wurde nun von Belgien eingestellt. Am Dienstag war in Brüssel der 289. Tag nach der Wahl in Belgien erreicht.

Belgien funktioniert noch immer wie gewohnt.
Ansonsten ist in Belgien noch immer keine Regierung in Sicht. Ob die Belgier das unregierte Somalia noch einholen können? :crazy:

janw
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Di 29. Mär 2011, 20:09 - Beitrag #3

An Belgien hatte ich auch gedacht. Aber bedeutet, daß alles immer so weiter läuft, ohne neuen Haushalt, ohne notwendige Änderungen von Gesetzen, ohne Wiederbesetzung zeitlich befristeter Stellen usw. wirklich ein Funktionieren des Staates?

Ipsissimus
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Di 29. Mär 2011, 20:31 - Beitrag #4

was sollte es sonst bedeuten?

janw
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Di 29. Mär 2011, 20:49 - Beitrag #5

Nun, in meinen Augen gehört zum funktionieren auch die Möglichkeit, auf Änderungen in der Welt zu reagieren. Irgendwann werden alle laufenden Projekte abgearbeitet sein, zugleich neue Probleme auftauchen, zu deren Lösung aber staatliches Geld gebraucht wird. Wer macht das Gesetz dazu und bringt es ins Parlament ein?

Ipsissimus
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Di 29. Mär 2011, 21:24 - Beitrag #6

niemand, und das Geld kommt von der Bürokratie, wenn man schon nicht so weise ist, eine Räterepublik zu etablieren

Traitor
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Di 29. Mär 2011, 21:33 - Beitrag #7

Gesetze kann es ja problemlos ohne Regierung geben, oder tagt bei ihnen slange auch das Parlament nicht? Haushalt wird schon etwas schwieriger, weil sich bei Allopposition sicher niemand verpflichtet fühlt, einen vorzuschlagen. Bei Stellenbesetzung habe ich gar keine Ahnung, wie das abgesehen von endlos kommissarischer Ministeriumsführung laufen würde, aber vermutlich können sich die oberen Verwaltungsebenen auch sehr gut selbst versorgen.

"Keine Koalition" muss ja auch noch nicht "keine Regierung" heißen, und "keine Regierung" noch lange nicht "Räterepublik". Ich fände es durchaus mal spannend, komplett im Rahmen unserer repräsentativ-parlamentarischen Demokratie nur mit wechselnden, thematisch passenden Mehrheiten zu arbeiten. (Ob das besser für das Land wäre als lahmere, aber halbwegs stabile Koalitionen, sehe ich aber sehr skeptisch.)

e-noon
Sterbliche
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Di 29. Mär 2011, 22:14 - Beitrag #8

Was spricht eigentlich prinzipiell dagegen, dass die größte Minderheit regiert?

Die Sache mit Belgien ist schon skurril; wer entscheidet denn in Belgien derzeit beispielsweise, ob man sich am Libyeneinsatz beteiligt?

Maglor
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Mi 30. Mär 2011, 18:59 - Beitrag #9

Die belgische Luftwaffe fliegt bereits über Libyen. Entschieden hat das Parlament.
Im übrigen hat Belgien noch eine kommisarische Regierung, die aus der letzten gewählten Regierung besteht.

Ähnlich war es bei den "hessischen Verhältnissen" nach der Ypsilanti-Abweichung. Fast ein Jahr regierte Roland Koch einfach kommissarisch das Land weiter, da keine Mehrheit zustande kam.
Eine durchaus interessante Phase: Die Arbeit des Parlaments ging ungehindert weiter, neue Gesetze usw. Nur mussten immer wieder neue Mehrheiten für jede Entscheidung gesucht werden. Niemand konnte sich zurücklehnen. Das alte Muster der meckernden und blockierenden Oppositionspartei, die sich ruhig in die Hängematte legen konnte, war kurzzeitig außer Kraft gesetzt. Ebenso gab es keine klischeehaft reagierende Koalition mit Beißreflexen. Teilweise setzte die kommisarische CDU-Regierung die Beschlüsse einer rot-rot-grünen Landtagsmehrheit, gelegentlich auch welche von anderen Mehrheiten durch.
Das dürfte die Art Gewaltenteilung gewesen sein, die Montesquieu beschrieb. Die Trennung von Exekutive und Legislative, nicht die Trennung von Rechts und Links. ;)

Lykurg
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Do 31. Mär 2011, 01:14 - Beitrag #10

Faszinierende hessische Zustände - und daß Belgien den Einsatz beschlossen hat, ist idT bemerkenswert.


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