Auslautverhärtung

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e-noon
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Do 17. Mär 2011, 22:57 - Beitrag #21

Ich behaupte weiter das Gegenteil. Als Kompromiss lässt sich vielleicht festhalten, dass es immer noch einen Unterschied zwischen "Rad" und "Rat" bzw. "weg" und Weg" und "weck!" (Imperativ von "wecken") geben kann; kann, nicht muss. Dennoch bewegt sich ein "g" in "Weg" ganz weit weg vom "g" in "Wege"; es ist (im Deutschen?) einfach nicht drin, ein "g" am Wortende sauber auszusprechen, ohne auf das Anhängen eines Schwas zurückzugreifen, was das Wort aber dann in den Ohren eines Muttersprachlers unkorrekt macht (machen sollte).

Italiener machen das gerne, sowohl im Englischen, als auch im Deutschen, einfach überall mal ein Schwa dranhängen; das zeigt, wie schwierig es ist, überhaupt ein Wort mit einem reinen Vokal wie ktp, gdb zu beenden, wenn in der eigenen Sprache das Wort stets im Vokal endet.

Ipsissimus
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Do 17. Mär 2011, 23:00 - Beitrag #22

Bühnenlautung ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Konsonanten und Vokale in ihrem vollen, auch positionsabhängigen idealen Lautgehalt wiedergegeben werden. Ich müsste das vorsprechen, wenn du es noch nie gehört hast, ist es schwierig zu beschreiben. "Bühnenlautung" ist jedenfalls ein offizieller Sprachstandard, nicht nur der spleenige Slang von ein paar Schaustellern. Vielleicht ein bisschen dem britischen RP zu vergleichen, das bekanntlich auch alle Engländer verstehen, aber nur knapp 3 Prozent sprechen. Bühnenlautung wird von noch weniger Menschen gesprochen, aber von eigentlich allen als extrem deutlich empfunden.

Traitor
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Do 17. Mär 2011, 23:15 - Beitrag #23

@e-noon: Wenn du in einem Gespräch nicht per Kontext herausfinden könntest, ob dein Gegenüber gerade Rad oder Rat gesagt hat, und nachfragst, würdest du vermutlich auch als Reaktion: "Ich meinte [Rad/Rat], Entschuldigung, habe nicht deutlich gesprochen" mit diesmal klarerem Auslaut erwarten. Aber das erschiene dir dann nicht wie mir als korrekte gegenüber geschlampter Aussprache, sondern als gekünstelt übertriebene gegenüber eigentlich richtiger?

Und die italienische Macke mit dem Schluss-e ist doch per Definition kein Schwa mehr, da als einzelner Laut klar raushörbar, oder?

@Ipsi: Klingt so grob beschrieben eigentlich nach dem, was ich mir auch unter einem sauberen Hochdeutsch vorstelle. Vielleicht liegt da der Grund, dass ich vom Standard-Hochdeutsch anderes erwarte als andere hier.
Was ist denn dann Standard-Hochdeutsch? (Davon abgesehen, dass es das nicht gibt, wie Maglor korrekt anmerkte...) Hannoversch ist es entgegen der weitläufigen Meinung schonmal nicht. ;)

Ipsissimus
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Do 17. Mär 2011, 23:37 - Beitrag #24

nur mal am Beispiel eines "t". Du kannst es sprechen, fast ohne den Mund zu spreizen. Bei vollem Lautgehalt ist der Mund dabei so weit wie möglich gespreizt. Oder das "r" kannst du sprechen, fast ohne ein Rollen. Oder du kannst noch das letzte verstaubte Stimmband stark vibrieren lassen.

Maglor
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Do 17. Mär 2011, 23:42 - Beitrag #25

Die eine Wikipedia sagt:

/p t k/ werden nicht aspiriert; aspirierte [pʰ tʰ] kommen nur als Cluster /ph th/ vor (ebenso [kʰ] ausser in Chur und Basel); /b d g/ sind immer stimmlos. Es ist nicht geklärt, worin der Unterschied zwischen /p t k/ und /b d g/ liegt. Traditionell wird er als ein Unterschied zwischen Fortes und Lenes verstanden (daher auch die Schreibweisen [p t k] – [b̥ d̥ ɡ̊]). Daneben gibt es jedoch auch die Meinung, dass es sich um einen Unterschied in der Quantität handle (konsequent notiert als [pp tt kk] – [p t k]).[1]


Die andere Wikipedia sagt:
Es isch klar, das je nach Sprach en anderi Mischig vo dene Parameter der Unterschid zwüsche Fortis u Lenis usmacht. Im Französische ligt der Unterschid praktisch numen i der Stimmhaftigkeit; i der dütsche Standardsprach oder im Änglische ligt er vor allem i der Aschpiration; im Alemannische ligt er i der Lengi (was e guete Teil vom alemannischen Akzänt im Französisch usmacht).

Hochdeutsch im Wortsinne hat daher keine Auslautverhärtung wie in der Standardsprache, sondern einen dubiosen anderen Unterschied. Mangels Kenntnis der Eingeboren kann ich nur auch die unscharfe Theorie verweisen.
[x] [kx] statt [k]
[ph] statt [p]
[th] statt [t]
oder so

Zitat von Traitor:Und die italienische Macke mit dem Schluss-e ist doch per Definition kein Schwa mehr, da als einzelner Laut klar raushörbar, oder?

Viele e-s im Deutschen sind eigentlich Schwas, also [ə]]. In dies[U]er Zeile habe ich sie unterstrichen.
Ein Schwa ist raushörbar, ist daher immer Phon. Phonem ist es eben nicht immer. Wird ein Schwa als [e] ausgesprochen, kann das die Bedeutung verändern, z. B.: Allee u. alle

e-noon
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Do 17. Mär 2011, 23:50 - Beitrag #26

Zitat von Traitor:@e-noon: Wenn du in einem Gespräch nicht per Kontext herausfinden könntest, ob dein Gegenüber gerade Rad oder Rat gesagt hat, und nachfragst, würdest du vermutlich auch als Reaktion: "Ich meinte [Rad/Rat], Entschuldigung, habe nicht deutlich gesprochen" mit diesmal klarerem Auslaut erwarten. Aber das erschiene dir dann nicht wie mir als korrekte gegenüber geschlampter Aussprache, sondern als gekünstelt übertriebene gegenüber eigentlich richtiger?

Konkret würde ich mir bei Rat "Entschuldigung, ich meinte Ra-T" erwarten, und dieses überdeutliche wäre dann, allein schon aufgrund der zu erwartenden Zweisilbigkeit, nicht korrekt]Rad[/I] eine schnellere Aussprache des Vokals, vermutlich noch den Verweis auf Fahrrad, aber keine ernsthaften Versuche, "d" wie "t" auszusprechen.

Und die italienische Macke mit dem Schluss-e ist doch per Definition kein Schwa mehr, da als einzelner Laut klar raushörbar, oder?

Jein. Die Definition von Schwa als "kein einzelner Laut klar raushörbar" ist mir neu, kann aber eine Unterbedeutung darstellen. Für mich bezeichnet ein Schwa das verkümmerte "e" am Ende von Deutschen Wörtern, im Englischen kommt es natürlich häufiger vor. "Macke" würde ich zum Beispiel /'makə/ transkribieren (keine Garantie), about als /ə'baʊt/. Vom Hören her würde ich sagen, dass das Italienische Anhängsel eindeutig ein solches Schwa ist. "Ist die Pizza fertig?" würde zu /istə die pizza fertigə/, wobei das "g" dann explizit ein g bliebe, worauf ich meine These stütze, dass reines "g" am Wortende ohne Vokalzusatz gar nicht geht.

@Ipsi: Klingt so grob beschrieben eigentlich nach dem, was ich mir auch unter einem sauberen Hochdeutsch vorstelle. Vielleicht liegt da der Grund, dass ich vom Standard-Hochdeutsch anderes erwarte als andere hier.
Könnte schon ein Grund sein ^^ Eine Bühnenaussprache hat für mich nichts mit Standard-hochdeutsch zu tun, sondern ist, wie das gerollte R in vielen Opern und die Trennung von t und d in "Ist//die" in Singstücken, meiner Meinung nach eine Bühnenadaption der Standardaussprache.

Edit: @Maglor: Was hat Schweizerdeutsch damit zu tun? :confused:
Zu Deutsch heißt es jedenfalls:

Zitat von Wikipedia:[Auslautverhärtung] ist kein Merkmal aller Sprachen, sondern existiert nur in bestimmten einzelnen Sprachsystemen, beispielsweise im Deutschen und im Türkischen, nicht aber im Englischen. So wird etwa das deutsche Wort Rad entgegen der Schreibung wie Rat /ra(ː]

Beispiele sind:

Zitat von Wikipedia: * reiben [ˈ] vs. rieb [ˈriːp]
* Süden [ˈzyːdən] vs. Süd(ost) [zyːt]
* schweigen [ˈʃvaɪ̯gən] vs. schwieg [ˈʃviːk]
* Lose [ˈloːzə] vs. Los [ˈloːs]
* brave [ˈbraːvə] vs. brav [ˈbraːf]

Traitor
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So 20. Mär 2011, 22:05 - Beitrag #27

@Maglor: "Hochdeutsch" im Sinne von "gehobenes Deutsch" oder im Sinne von "Deutsch aus hohen Landen" sind natürlich nochmal ganz verschiedene Dinge, aber der Verwechslung dürfte hier eh niemand aufgesessen seinn.

Viele e-s im Deutschen sind eigentlich Schwas, also [ə]. In dieser Zeile habe ich sie unterstrichen.

Ich dachte, im Deutschen fielen nur die endständigen e unter Schwa, weil sie noch irgendeinen besonderen Hauch dran hätten. Was macht ein Schwa denn dann noch aus, was nicht einfach nur ein "unbetontes e" ist?

@e-noon: Warum sollte der Vokal in Rad kürzer sein als in Rat? Beim Fahrrad gibt es die Tendenz, die eigentliche Pause an der Wortbestandteilgrenze ins Gegenteil zu verkehren, also das rr zum Doppelkonsonant zu machen und damit beide a zu verkürzen. Aber das Rad an sich sollte genauso lang sein wie der Rat und der Unterschied nur in der Härte von t und d liegen - oder eben verschwinden, wenn man die angleicht.

Zum Schwa: nicht raushörbar ist sicher übertrieben, dein "verkümmert" trifft es schon ganz gut, das Italiener-e in "iste" ist aber doch fast schon betont, das ist doch diese typische Singsangstimme, am Wortende wieder hochzugehen.

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Mo 21. Mär 2011, 19:43 - Beitrag #28

Warum sollte der Vokal in Rad kürzer sein als in Rat?

Könnte an meinem Dialekt liegen, hier wird "Rad" schonmal gerne zu "Ratt", "Rat" hingegen nie.

Zum Schwa: nicht raushörbar ist sicher übertrieben, dein "verkümmert" trifft es schon ganz gut, das Italiener-e in "iste" ist aber doch fast schon betont, das ist doch diese typische Singsangstimme, am Wortende wieder hochzugehen.
Im Englischen kann Schwa nicht betont sein, im Deutschen weiß ich das gar nicht. Das "ö" in "öfter" klingt für mich auch schon fast nach Schwa, in dem Sinne, wie ich es hier verwende, als Laut zwischen verkümmertem e und offenem ö. Deine Beanstandung des mangelnden Angehauchtseins klingt irgendwie sinnvoll, mir hat auch ehrlich gesagt noch niemand eine allgültige Definition des Schwas vorgelegt, ich habe es lediglich angewendet, und auch das nur im Englischen.

Maglor
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Mo 21. Mär 2011, 21:41 - Beitrag #29

Zitat von Traitor:Aber das Rad an sich sollte genauso lang sein wie der Rat und der Unterschied nur in der Härte von t und d liegen - oder eben verschwinden, wenn man die angleicht.

... sollte, sollte, sollte ...
Du sollst den Unterschied hören, nicht lesen. ]Fehlende Auslautverhärtung in Österreich, der Schweiz, Süddeutschland und Teilen Mitteldeutschlands[/URL]
Die Auslautverhärtung ist einer Sonderentwicklung des nördlichen Deutschlands… Allerdings werden auch im Süden auf –t, -p und –k endende Wörter in sorgfältiger Aussprache nach der Schrift hart gesprochen.
Nur in Norddeutschland sind Teig und Teich gleichlautend. ;)

Traitor
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Sa 26. Mär 2011, 20:50 - Beitrag #30

@e-noon: Zwischen dem ö in öfters und dem Schwa in viele liegen aber noch einige andere Abstufungen, etwa das französische eu. Ist aber sicher auch regional verschieden.

@Maglor: Im Gegensatz zu Englisch gibt es im Deutschen eben doch eine ziemlich eindeutige Buchtaben-zu-Laut-Zuordnung. Das Problem ist eher, dass diese klareste Form kaum jemand spricht, sie nur als Ideal beim herausmitteln aller Varietäten übrig bleibt, aber nicht, dass man sie nicht klar ausmachen kann.

e-noon
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Sa 26. Mär 2011, 21:07 - Beitrag #31

Zitat von Traitor:@e-noon: Zwischen dem ö in öfters und dem Schwa in viele liegen aber noch einige andere Abstufungen, etwa das französische eu. Ist aber sicher auch regional verschieden.

Ja, da stimme ich dir zu. Vielleicht ist Schwa immer unbetont, auch im Deutschen, ich weiß es nicht.

aimless
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Mo 18. Apr 2011, 01:12 - Beitrag #32

Im deutschen Phoneminventar tritt der Schwa-Laut nur in unbetonten Nebensilben auf. Durch Lehn- bzw. Fremdwörter wird dies allerdings aufgeweicht.
Übrigens ist der Schwa-Laut kein eigenständiges Phonem, sondern nur ein Allophon (eine Abwandlung/Abstufung) vom Phon [ɛ].

e-noon
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Mi 4. Mai 2011, 18:32 - Beitrag #33

Spannend, gerade im Zuge anderer Recherche gefunden:
In der Orthographie hat sich ein Prinzip entwickelt, das sich sehr wesentlich von der mhd. Verfahrensweise unterscheidet. Man gewöhnte sich daran, die Buchstaben nicht mehr nur nach der Lautqualität zu wählen, sondern auch nach der etymologischen Zusammengehörigkeit von Wortstämmen und nach Bedeutungsunterschieden. So ist die (in der Aussprache noch heute vorhandene) mhd. Auslautverhärtung in der Schrift beseitigt worden, damit der Wortstamm in allen Flexionsformen und Ableitungen gleich geschrieben werden konnte: mhd. gap - gaben, nhd. gab - gaben; mhd. tac - tage, nhd. Tag - Tage [...]


Quelle:
Von Polenz, Peter. Geschichte der deutschen Sprache. Walter De Gruyter, Berlin, New York: 1978.

Lykurg
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Mi 4. Mai 2011, 18:38 - Beitrag #34

Richtig, als Phänomen läßt sich das aus Handschriften bestätigen, ohnehin, wenn man weiter zurückgeht, starke Dialektspuren und Lautschriftlichkeit, was das Verständnis nicht immer ganz einfach macht.

Traitor
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Do 5. Mai 2011, 21:29 - Beitrag #35

Wie weit ist eigentlich das Verständnis der historischen Entstehung von Konjugationen und Flektionen?
Eigentlich würde ich erwarten, dass es vor der Phase der Auslautverhärtung noch eine unverhärtete Phase gegeben haben muss - schließlich wird sich doch kein mittelalterlicher Bauer gedacht haben "hm, wie bilde ich denn die ersten Person Singular von geben, ach, da tut es doch auch ein ganz anderer Laut, machen wir mal gap draus", sondern es müsste sich irgendwie über eine gab-Zwischenstufe abgeschliffen haben.
Andererseits sind in der lebendigen Sprache die gebeugten Formen ja wesentlich häufiger und damit irgendwie auch grundlegender als die Infinitive, also dürfte obige Bauernfrage sich nie gestellt haben, die gebeugte Form sich einfach so vor sich hin entwickelt haben (natürlich in Richtung einfach sprechbarer Abschleifung), der Infinitiv halb unabhängig davon oder sogar erst nachträglich von Sprachnormierern entstanden sein.
Auf die Substantivbeispiele mit Verhärtung im Singular trifft diese Einschränkung wiederum nicht zu, da müsste es entweder eine Pluralaufweichung gegeben haben oder eben eine prä-verhärtende Singularweichheitsphase.

Vermutlich stößt naive Laien-Linguistik hier aber an ihre Grenzen...

janw
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Fr 6. Mai 2011, 01:47 - Beitrag #36

Nach Lektüre des wikipedia-Eintrages und eines mittelalterlichen Textes bekomme ich gerade den Eindruck, daß das Schwa vielfach fälschlich erkannt wird.
Die englischen Sprachbeispiele betreffen vielfach Lehnwörter aus dem Lateinischen, bei denen schlicht eine Lautanpassung an englische Lautgewohnheiten vorliegt - die zudem regional deutlich unterschiedlich gehandhabt wird, so daß die Verwendung der als Schwa identifizierten Lautung nur eine Variante aus einem breiteren Korridor des Korrekten darstellt.

[quote="e-noon"]Für mich bezeichnet ein Schwa das verkümmerte "e" am Ende von Deutschen Wörtern, im Englischen kommt es natürlich häufiger vor. "Macke" würde ich zum Beispiel /'makə]
Ich denke, das liegt an Deiner Dialektregion. In Franken und Bayern wird das endständige e oft wirklich hell klingend ausgesprochen. Es handelt sich also um eine eigenständige Lautung, die auf das Schwa folgt - welches eben nicht durch ein Zeichen repräsentiert wird.

Bezüglich der Entwicklung seit dem Mittelalter denke ich, daß da vielleicht auch die Dialektherkunft der Autoren zu berücksichtigen ist, die sich im Laufe der Zeit vielleicht diversifiziert hat:
Die Textproduktion und -überlieferung der älteren Texte ist stark an die Klöster gebunden, die zum einen schwerpunktmäßig in bestimmten Regionen lagen, in denen aber zum anderen aufgrund der Zerstörungen im Zuge der Reformation vorrangig die Texte aus den dauerhaft katholischen Regionen und damit der dortige Dialektbestand überliefert sind.
Die ebenfalls im Süden, teils auch im Alpenraum liegende Herkunft der Minnesänger dürfte das IMHO noch verstärken.
Mit der Zunahme weltlicher Überlieferungszentren dürfte dann der Dialektbestand breiter werden, zudem sich mit der Entwicklung von administrativen Strukturen eine Vereinheitlichung entwickelt haben.

Der Text, der für mich hierzu inspirierend war, stammt von Wolfram von Eschenbach zwischen 1170 und 1220.
"Sine clawen durch die Wolken sint geslagen,
er stiget uf mit grozer craft.
ich sihe in grawen tägelich, als er wil tagen,
den tac, der im geselleschaft
erwenden wil, dem werden man,
den ich mit sorgen in verliez.
ich bringe in hinnen, ob ich kan:
sin menegiu tugent mich daz leisten hiez"

"Wahter, du singest daz mir manege vröude nimt
unde meret mine clage.
maere du bringest, der mich leider niht gezimt,
iemer morgens gegen dem tage.
diu solt du mir verswigen gar.
daz biut ich den triuwen din:
des lone ich dir als ich getar.
also belibet hie der selle min."

"Er muoz et hinnen balde und ane sumen sich:
nu gib im urloup, süezez wip.
laze in minnen hernach so verholne dich,
daz er behalte er und den lip.
er gab sich miner triuwe also,
daz ich in braehte ouch wider dan.
ez ist nu tac: naht was ez do
mit druc an brust din kus mirn an gewan."

"Swaz die gevalle, wahter, sinc und la den hie,
der minne braht und minne empfienc.
von dinem schalle ist er und ich erschrocken ie:
so ninder morgenstern uf gienc
uf in, der der her nach minne ist komen,
noch ninder luhte tages lieht,
du hast in dicke mir benomen
von blanken armen, und uz herzen nieht."

Bemerkenswert finde ich das c in Kraft und Klage, besonders aber als Ersatz für das g in sing, empfing und ging.
Auch scheint das r in hier erst später oder in anderer Dialektregion sich ausgebreitet zu haben, hier heißt es noch hie, i und e getrennt gesprochen.
(Wobei ein h nach dem ie wie ih lieht und nieht wohl zu einer Zusammenführung als i führt, oder, Lykurg?)
Nicht zuletzt die p-Endung in urloup, wip und lip, wo heute ein b steht.

Ipsissimus
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Fr 6. Mai 2011, 10:40 - Beitrag #37

das Schwa wird übrigens |schəwa| ausgesprochen, die Bezeichnung stammt aus dem Hebräischen. In dem semitischen und arabischen Sprachen kann das Schwa auch jede mögliche vokalische Färbung annehmen, nicht nur die eines "e", sondern auch a, i, o und u, was meines Wissens nach in dieser Form in europäischen Sprachen nicht auftritt. Möglicherweise haben das e-Schwa der europäischen Sprachen und das allgemein vokalise Schwa der semitischarabischen Sprachen gar nichts miteinander zu tun.

janw
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Fr 6. Mai 2011, 12:22 - Beitrag #38

Letzteres vermute ich auch, Ipsi, in meinen Augen ist es in diesen Sprachen aufgrund der ausschließlich konsonantischen Schrift auch nicht oder nur kaum von echten Vokalen zu trennen und ist wahrscheinlich auch ein wesentliches Ausdrucksmerkmal von Dialekten.

Damit hätten wir den kuriosen Fall, daß eine Eigenheit unserer Sprache durch einen Begriff bezeichnet wird, der eigentlich für einen zwar ähnlichen, aber allogenen Gegenstand gebraucht wird.

Maglor
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Mi 11. Mai 2011, 21:02 - Beitrag #39

Zitat von janw:Bemerkenswert finde ich das c in Kraft und Klage, besonders aber als Ersatz für das g in sing, empfing und ging.

Ersatz? Das ist ein Beispiel für die konsequente mittelhochdeutsche Auslautverhärtung.
Damals sagte man tatsächlich [sink] und [gink], so hart spricht das heute aber wirklich niemand mehr aus.

janw
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Mi 11. Mai 2011, 22:49 - Beitrag #40

Maglor, mit Ersatz wollte ich auf den stattgefunden habenden deutlichen Wandel in der Aussprache hingewiesen haben.
Wie unterscheidet sich denn die Aussprache des Wortes craft vom Wort kus, gibt es da unterschiedlich harte k-Lautungen?

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