Zum Gedenktag der Naqba

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
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Di 17. Mai 2011, 14:00 - Beitrag #1

Zum Gedenktag der Naqba

In diesen Tagen jährt sich die Vertriebung und gewaltsam betriebene Auswanderung eines großen Teils der Palästinenser aus Israel, von den Palästinensern als Naqba bezeichnet.
Eines der dabei zerstörten Dörfer ist dieses:
http://en.wikipedia.org/wiki/Nasir_ad-Din,_Tiberias

Ipsissimus
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Di 17. Mai 2011, 14:40 - Beitrag #2

die Liste der entvölkerten Dörfer und Städtchen ist ziemlich beeindruckend, mir geht das stärker unter die Haut als die reine Zahl: 700000 vertriebene Menschen

http://de.wikipedia.org/wiki/Nakba

janw
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Di 17. Mai 2011, 14:57 - Beitrag #3

Warum fällt mir gerade Erika Steinbach ein?

Lykurg
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Di 17. Mai 2011, 15:28 - Beitrag #4

Vielleicht, weil sie sich im Land der einstmals Vertreibenden ungefähr so beliebt gemacht hat wie führende Lobbyisten der vertriebenen Palästinenser? Dabei sind Frau Steinbachs Methoden viel ziviler, an einer Museumsgründung hatte die PLO nie ein echtes Interesse, soweit ich weiß. ;)

Interessant finde ich die Hinweise auf Parallelen zu den Aufständen in der arabischen Welt. Wenn die Palästinenser tatsächlich friedliche Mittel und Demonstrationen als Weg zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen für sich entdeckten, wäre das großartig. Wie es zur Eskalation kam, wird genau untersucht werden müssen; möglicherweise hat das mit der Beschränkung auf friedliche Mittel noch nicht so recht geklappt; andererseits ist klar, daß die israelische Armee nicht gerade zimperlich mit Steinewerfern umgeht.

Ipsissimus
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Di 17. Mai 2011, 15:49 - Beitrag #5

ja, das ist schon ziemlich bösartig von den Steinwerfern, sich mit Steinen gegen gewaltsame Vertreibung durch schwerbewaffnete Soldaten wehren zu wollen^^ ein Antrag beim Weltsicherheitsrat auf moralische Verurteilung der Israelis hätte da bestimmt mehr gebracht^^

Lykurg
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Di 17. Mai 2011, 16:13 - Beitrag #6

Davon bin ich überzeugt^^ - wieviele UN-Resolutionen gegen Israel sind seit Staatsgründung verabschiedet worden, vier oder fünf pro Jahr? So ungefähr. Dagegen ist die Idee einiger Demonstranten, Steine zu werfen, ja ganz originär und neuartig, sicher sehr vielversprechend. Man sollte ihnen einen Friedensnobelpreis dafür verleihen, ach nein, den bekommt man ja eher für das Veranstalten von Sprengstoffattentaten und Entführungen, vorausgesetzt, man läßt sich nachher für viel Geld einmal die Hand schütteln. Bild

Ich glaube nicht, daß uns das hier weiterbringt. - Darf ich aus deinem Kommentar herauslesen, daß du meinst, eine gewaltsame Eskalation des Konflikts sei wünschenswert und vielversprechend?
:evil:

janw
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Di 17. Mai 2011, 16:19 - Beitrag #7

Lykurg,
Zitat von wikipedia:On April 12, 1948, the 12th battalion of Israel's Golani Brigade captured Nasir ad-Din to cut off Tiberias from major Arab centers to the west (Nazareth and Lubya). The skirmish lasted four hours because the Haganah encountered unexpected local resistance, but eventually most of the inhabitants fled to Tiberias or Lubya — British troops escorted villagers to Lubya. During the battle 22 Arabs were killed, six were wounded, and three were captured.[3] The civilian deaths included seven men, at least one women, and a number of children. Two Haganah troops were also wounded.


Hat es den Indianern an der amerikanischen Ostküste geholfen, daß sie den Neuankömmlingen über den Winter halfen und ihnen zeigten, wovon man sich ernähren konnte?

Lykurg
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Di 17. Mai 2011, 16:32 - Beitrag #8

Ja, ich weiß, janw. Mit der Aufzählung von Opfern dieses Krieges (darunter natürlich auch Zivilisten) können wir Seiten füllen - übrigens mit denen beider Konfliktparteien. Das ist allerdings in jedem Krieg der Fall.

Auf die Indianer habe ich nur gewartet; ich antworte nicht darauf, das hat keinen Sinn.

Ipsissimus
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Di 17. Mai 2011, 17:01 - Beitrag #9

Darf ich aus deinem Kommentar herauslesen, daß du meinst, eine gewaltsame Eskalation des Konflikts sei wünschenswert und vielversprechend?
nein, nein, natürlich nicht^^ eine moralisch hochwertige Bevölkerung lässt die Besetzer ihres Landes erst staatsrechtliche Fakten schaffen und wendet sich dann an einen Rechtsanwalt^^

Lykurg
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Di 17. Mai 2011, 17:08 - Beitrag #10

Danke, ich freue mich über dieses klare Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit und den Wunsch nach einer friedlichen Beilegung! Bild

Maglor
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Di 17. Mai 2011, 20:14 - Beitrag #11

Der Vergleich mit Frau Steinbach und den Heimatvertriebenen ist durchaus angebracht, da die Flucht und Vertreibung der Palästinenser während des 1. Arabisch-Israelischen Krieges von 1948 stattfand.
Ägypten, Transjordanien, Syrien, der Irak und Libanon regierten auf die Staatsgründung Israel mit einer Kriegserklärung. Die Nachbarstaaten waren nicht gewillt den von der UN forcierten Teilungsplan und das später viel zitierte "Exiszenzrecht" Israels zu akzeptieren, sondern planten die Zerschlagung des neu gegründeten Staates, der ein Staat für Juden und Araber sein sollte.
Das ist der wesentliche Hintergrund.
Die während des Krieges geflohenen Araber erlaubte der Staat Israel nicht mehr die Rückkehr in die Heimat. (Am Rückkehrrecht der Flüchtlinge scheitern regelmäßig die Verhandlung zwischen PLO und Israel.) Ihr Land wurde in Besitz genommen. Nicht aus dem damaligen Staatsgebiet geflohene Araber erhielten oder behielten die israelische Staatsbürger.
Ob eine systematische Vertreibung stattfand, ist umstritten, aufgrund der allgemein verhärteten Meinungslage hierzu, wird eine Recherche sicherlich nicht einfach.

Wenn 700.000 Menschen vertrieben ist, das nur eine geringeZahl, beachtet man die demografische Entwicklung. Heute gibt es Millionen Nachfahren der Flüchtlinge, die im wesentlich heimatlos und staatenlos, der Willkür Israels im Gaza-Streifen und Westjordanland ausgeliefert sind oder eben als mehr oder minder rechtlose in arabischen Gastländern Generation für Generation als ihr kümmerliches Dasein Fristen. (Anders als die deutschen Heimatvertrieben nach dem 2. Weltkrieg wurde die Palästinenser nicht als gleichbererechtigte Bürger aufgenommen.)

Wenn nun syrische Bürger oder palästinensische Flüchtlinge mit Wohnsitz in Syrien die Golan-Höhen stürmen, hat das mit der Nakba nichts zu tun. Der betroffene Golan war nie ein Teil Palästinas, sondern ein Teil Syriens - faktisch bis zum faktisch bis zur Besetzung durch Israel im Sechs-Tage-Krieg 1961. (Über die offizielle Einverleibung des Golan ins israelische Staatsgebiet 1981 kann hinweggesehen werden.)

janw
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Di 17. Mai 2011, 20:19 - Beitrag #12

Lykurg, der Friedensnobelpreis ging damals auch an den Schlächter Scharon, zwei Gegenspieler, die sich nichts gegeben hatten und in ihrer aktiven Zeit an Brutalität nichts nahmen.

Der Punkt ist, und deshalb erwähnte ich die Indianer, daß ihre Vertreibung Programm war, wie für einen Teil der Zionisten bzw. jüdischen Siedler die Vertreibung der Palästinenser Teil der Agenda war, für einige waren die Palästinenser Fauna, die Feldhamsterbaue werden eben beim Pflügen zerstört. Einige Wenige strebten danach, die Palästinenser in den zu schaffenden Staat einzubeziehen, sie sogar zurück zu holen.
Weil diese aber in der Minderheit waren, war von vornerherein klar, daß es belanglos war, ob die Palästinenser Widerstand leisten würden oder nicht, und ob dieser sich durch Klagen und durch Wegtragen lassen oder durch Steine Werfen ausdrücken würde - sie würden vertrieben werden, ihre Dörfer zerstört, aus den Akten getilgt - es ist heute gar nicht leicht, ihre Lage genau zu rekonstruieren.
Die Vertreibung war Programm, wie jene der amerikanischen Einwohner. Und Israel ist sogar rechtlich relativ aus dem Schneider, weil ein großer Teil der Vertreibung vor der Staatsgründung, also noch unter dem britischen Mandat stattfand.
Nicht zuletzt könnte man die Vertreibung auch als Folge des Holocaust ansehen, deshalb fiel mir Frau Steinbach ein. Im Vergleich zu den infolge der Benes-Dekrete Vertriebenen hatten die Palästinenser nicht vorher dem GröFaz gehuldigt.

Aber unabhängig davon greift Dein absolutes Bestehen auf Gewaltlosigkeit des Widerstands IMHO da zu kurz, wo Staat Gewalt nach eigenem Gutdünken definiert - bloße Anwesenheit=Gewalt? - und wo Staat das Ziel so oder so verfolgt - letztlich ist es die erste Pflichte jedes Staates, alle Bewohner seines Staatsgebietes zu schützen. Die britische Mandatsmacht und danach Israel haben diese grundlegendste aller staatlichen Pflichten, die Garantie der Menschenwürde, des Lebens und der Unverletzlichkeit der Person durchweg den Palästinensern nicht nur verweigert, sondern aktiv dagegen verstoßen.

In solch einer Situation wird es für den Einzelnen in meinen Augen zu einer Forderung an der Grenze der Zumutbarkeit, sein und das Leben seiner Angehörigen nicht zu verteidigen.
Ich denke, ungefähr darauf will auch Ipsi hinaus.

Maglor
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Di 17. Mai 2011, 20:38 - Beitrag #13

Bleiben wir besser bei den nicht zu leugnenden Tatsachen: Israel hat gewonnen.

janw, du liegst da sicher richtig, dass es eine systematische Vertreibung gab, die von einzelnen israelischen Gruppierungen favorisiert wurde.
Eine Vertreibung von Amtswegen gab es nicht und das macht die Sache kompliziert.
Zu den interessantesten Aspekten der politischen Kultur Israels gehört der Nazi- oder Hitler-Vergleich. Alle sind wie Hitler. So verglich Ben Gurion wegen der Durchführung und Gutheißung Massakers von Nassir ad-Din den israelischen Politiker, Feldherrn und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin mit Hitler, während Begin dieser den Ben Gurion ebenfalls einen Hitler nannte, weil er den Feinden Israels (wohl durch seine Milde) in die Hände angeblich spiele.
Im übrigen ist das die übliche Form, wie Debatten zum Thema geführt werden. Aber soll hier kein Beispiel sein.
Wichtiger ist, dass Völkermordvorwurf direkt von Staatsgründer Ben Gurion geäußert wurde.

Lykurg
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Di 17. Mai 2011, 23:14 - Beitrag #14

janw, da ist leider so einiges am Rande der Tatsachen oder knapp daran vorbei, aber ich kann mir im Moment aus Zeitmangel nicht den ganzen Beitrag vornehmen. Angemerkt sei nur, daß den Friedensnobelpreis auf israelischer Seite nicht der "Schlächter Scharon" erhielt, sondern Jitzhak Rabin, den du natürlich auch gern als Schlächter bezeichnen kannst, wenn du das möchtest, schließlich war er auch mal Soldat.
Im Vergleich zu den infolge der Benes-Dekrete Vertriebenen hatten die Palästinenser nicht vorher dem GröFaz gehuldigt.
Die Hitler-Beziehung einiger Palästinenser und insbesondere des Großmufti von Jerusalem ist eine ziemlich interessante Geschichte, ich denke aber, wir sollten das auf sich beruhen lassen. Darin, daß im Rahmen der Staatsgründung Unrecht geschehen ist, dürften wir uns einig sein, hoffentlich auch darin, daß Israel ein Existenzrecht hat (was ja die Nachbarländer durchaus nicht alle so sehen bzw. sahen). Und hoffentlich auch darin, daß die Aufgabe der israelischen Armee, die Zivilbevölkerung gegen Mörser- und Raketenbeschuß sowie Anschläge zu verteidigen, legitim ist? Die Wahl der Mittel ist selbstverständlich im Einzelnen zu diskutieren und prüfen, und Steine stehen noch auf einer anderen Ebene - immerhin sah man auch wieder Molotowcocktails - aber das wäre mit einiger Vorsicht zu betrachten.

Ipsissimus
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Di 17. Mai 2011, 23:36 - Beitrag #15

Staaten als Zweckgemeinschaften haben imo kein Existenzrecht per se, nur Menschen haben uneingeschränktes Existenzrecht. Staaten sind nur mögliche organisatorische Großeinheiten, mehr nicht. Zum Existenzrecht von Menschen gehört natürlich auch, dass sie über genügend viel Raum verfügen, ihre Existenz in Würde zu gestalten, Raum, der im weitesten Sinne Heimat ist oder werden kann.

Es wäre auch sehr viel mehr zu diskutieren als nur die Wahl der Mittel der israelischen Armee, z.B. die Lebensverhältnisse, in die die Palästinenser von den Israelis gezwungen werden, oder die Siedlungspolitik. Und über Zusammenhänge von Unterdrückung und Widerstand, etwas, das ist der großen Weltpolitik nicht viele verstehen wollen.

janw
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Mi 18. Mai 2011, 01:56 - Beitrag #16

Zitat von Lykurg:janw, da ist leider so einiges am Rande der Tatsachen oder knapp daran vorbei, aber ich kann mir im Moment aus Zeitmangel nicht den ganzen Beitrag vornehmen. Angemerkt sei nur, daß den Friedensnobelpreis auf israelischer Seite nicht der "Schlächter Scharon" erhielt, sondern Jitzhak Rabin, den du natürlich auch gern als Schlächter bezeichnen kannst, wenn du das möchtest, schließlich war er auch mal Soldat.

Stimmt, da hab ich mir einen Fehler geleistet, die von mir implizit gemeinte positive Wahrnehmung Scharons - auf der die Gleich-Heraushebung mit Arafat beruhte, beruhte auf seiner wahrgenommenen Kehrtwende in der Siedlungspolitik durch Aufgabe einiger Siedlungen und Verhandlungen mit den Palästinensern, also einer wahrgenommenen Wandlung vom Falken zum Gesprächsbereiten - niht auf dem Preis, den Rabin bekommen hatte.
Rabin würde ich nicht als Schlächter ansprechen, wie ich es bei Scharon tue.

Die Hitler-Beziehung einiger Palästinenser und insbesondere des Großmufti von Jerusalem ist eine ziemlich interessante Geschichte, ich denke aber, wir sollten das auf sich beruhen lassen. Darin, daß im Rahmen der Staatsgründung Unrecht geschehen ist, dürften wir uns einig sein, hoffentlich auch darin, daß Israel ein Existenzrecht hat (was ja die Nachbarländer durchaus nicht alle so sehen bzw. sahen). Und hoffentlich auch darin, daß die Aufgabe der israelischen Armee, die Zivilbevölkerung gegen Mörser- und Raketenbeschuß sowie Anschläge zu verteidigen, legitim ist? Die Wahl der Mittel ist selbstverständlich im Einzelnen zu diskutieren und prüfen, und Steine stehen noch auf einer anderen Ebene - immerhin sah man auch wieder Molotowcocktails - aber das wäre mit einiger Vorsicht zu betrachten.

Mir geht es hier zunächst um die Vertreibung in ihrer Zeit, die politische Agenda von Siedlergruppen und nach der Staatsgründung Israels auch von Teilen der politischen Führung war, sich gegen Einwohner richtete, deren politischer Sinn um den Erhalt ihrer Siedlungen und ihrer Angehörigen kreiste, die also mit solchen Schergen wie dem Großmufti und der antisemitischen Ideologie nur wenig bis nichts am Hut hatten, denen der Staat aber den Schutz verweigerte, den er ihnen als Einwohnern hätte bieten müssen.

Über das Existenzrecht von Staaten kann man, wie Ipsi andeutet, durchaus geteilter Meinung sein - villeicht können wir uns ja auf das Recht der in Israel lebenden Menschen auf einen ihre Freiheitsrechte schützenden demokratischen Rechtsstaat einigen, der meinetwegen gerade mal Israel in aktueller Bedeutung heißt ](Lykurg, wie lange kennen wir uns nun schon, daß das immer wieder zur Frage wird...^^)[/SIZE]

Was danach passiert ist, ist eben als Folge der Vertreibung und der Kriege passiert - wobei die Nachbarländer nicht unbedingt vorrangig die Sache der Palästinenser im Auge hatten - und auf beiden Seiten furchtbar.
Wobei wieder festzustellen ist, daß der Staat die Rechte der auf seinem Wirkungsgebiet lebenden Palästinenser nicht in gleicher Weise schützt und geschützt hat, wie die entsprechenden Rechte der jüdischen Bürger.
Darf da die Frage nicht gestellt werden, ob Menschen in solch einer Situation sich dies wirklich passiv gefallen lassen müssen?

Jedenfalls denke ich, daß die Naqba ein Verbrechen war, daß durchaus in den Konnex der europäischen Vertreibungen kurz vor und nach dieser Zeit gestellt werden könnte, zu dem die Verantwortlichkeiten - auf die europäischen - benannt und bekannt werden sollten. Vielleicht läge in der Anerkennung des Unrechts ein Schlüssel zur Anerkennung gegenseitiger heutiger Rechte auf Dasein.

Ipsissimus
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Mi 18. Mai 2011, 09:41 - Beitrag #17

fairerweise muss natürlich erwähnt werden, dass der Vertreibung von 700.000 Palästinensern die zeitparallele Vertreibung von über 600.000 Juden aus umliegenden arabischen Staaten entsprach. Dass ein Unrecht durch ein anderes Unrecht nicht aufgewogen wird, darüber sind wir uns hoffentlich einig (um auch mal diese herausragende Suggestivformulierung zu verwenden^^) Es zeigt aber, dass man die damaligen Ereignisse wahrscheinlich minutiös aufdröseln müsste, um Ursachen und Wirkungen exakt herauszuarbeiten, und letztlich, dass die Bösartigkeiten auf beiden Seiten verteilt waren. Wobei die Auslöser des Ganzen vornehm hinter einem politischen Schild Zurückhaltung übten - es stand offenbar nicht zur Debatte, den überlebenden Juden in Europa Boden für eine Staatsgründung auf Kosten des deutschen Staatsgebiets zur Verfügung zu stellen. Wiederum der Fairness halber muss allerdings noch erwähnt werden, dass die UN-Pläne für Palästina, so naiv sie angesichts der späteren Ereignisse auch wirken, durchaus ein Existenzrecht für beide Völker vorsahen, wie aus der folgenden Karte hervorgeht.

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janw
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Mi 18. Mai 2011, 17:30 - Beitrag #18

Die Vertreibung der Juden aus den Nachbarländern hatte ich jetzt nicht mehr im Kopf, wichtiger Hinweis. Allerdings begann die naqba bereits vor der Staatsgründung - aber ich will jetzt keine Eier mit Hühnern vergleichen^^

Ich denke, (An)erkennung gemeinsamer Verstricktheit in ein Geschehen, wie Du es mal in Deinen Geschichten dargestellt hast, könnte IMHO den Wunsch nach gemeinsamer Lösung verstärken.

Maglor
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Mi 18. Mai 2011, 18:15 - Beitrag #19

Zitat von Ipsissimus:fairerweise muss natürlich erwähnt werden, dass der Vertreibung von 700.000 Palästinensern die zeitparallele Vertreibung von über 600.000 Juden aus umliegenden arabischen Staaten entsprach.

Fairerweise muss hier angemerkt werden, dass die aus Arabien vertriebenen Juden in Israel aufgenommen wurden und voll in die Gesellschaft integriert wurden, während die in der Nagba vertriebenen Araber, dieses Glück nicht erfuhren, sondern von ihren mutmaßlichen Verbündeten eben über Generationen in Flüchtlingslagern abgeriegelt wurden. Noch leben über eine Millionen Palästinenser in diesem Flüchtlingsstatus.
Wichtig ist noch, dass die Progrome gegen arabische Juden unmittelbar nach Verkündung des Teilungsplanes anfingen, also noch vor Kriegsbeginn.

Von seiten der arabischen Staaten gab es den klarer Willen den Staat Israel zu vernichten und die eingewanderten Juden, gff. alle Juden zu vertreiben. Wo die Truppen auftauchten, vertrieben sie die jüdische Bevölkerung. Bekanntermaßen gelang es ihnen aber nicht besonders tief ins israelische Staatsgebiet einzudringen, quasi ein gescheiterter Völkermord.
Gleichermaßen versuchten die Anrainer-Staaten die Gründung eines arabischen Palästina-Staates zu vereiteln, um das ehemalige Mandatsgebiet in das eigene einzuverleiben. (Ich will hier auf Parallelen zur Besetzung der West-Sahara durch Marroko und der Besetzung Ost-Timor durch Indonesien hinweisen. Wenn Kolonien entlassen werden, halten es früher unabhängig gewordene Nachbarn für die Gelegenheit, dass nur vogelfreie Land an sich zu reißen.)

Nach dieser Steilvorlage war natürlich die Stunde der Hardliner auf israelischer Seite gekommen. Die Fronten waren endgültig verhärtet. Das jüdische Trauma der steten Verfolgung und Existenzbedrohung war damit zum israelischen Trauma geworden, der Traum einer friedlichen Heimstätte des jüdischen Volks war ausgeträumt.

Ein interessanter Punkt ist, dass die von der UN einem zu gründenden Palästinenser-Staat zugeschlagenen Gebiete im Rahmen der Nagba 1948 nur zum Teil von Israel besetzt wurden. Der Gaza-Streifen und das Westjordanland - heute mehr oder minder unter Verwaltungs der derzeit 2 PLOs - von Ägypten und Jordanien erobert und bis zum Sechs-Tage-Krieg von eben diesen beiden Staat besetzt gehalten wurden. Zur einer Gründung eines Palästinenser-Staates kam es in der Zeit bekanntlich nicht.

Ansonsten würde ich gar nicht so sehr auf dem Holocaust herumreiten.
Die zionistische Bewegung gab es bereits vor dem Nazi-Regime, ebenso gab es bereits vor der Flucht der Juden aus dem deutschen Machtbereich eine zionistische Siedlungsbewegung. Die Besiedlung durch europäische Juden mit nationalistischen Hintergedanken begann in der britischen Mandatszeit. Der hier viel gerühmte Falke Ariel Sharon wurde 1928 im britischen Palästina geboren, als Ariel Scheinermann - seine Eltern kamen aus Sowjet-Russland.
Im übrigen gingen der Staatsgründung Israels 20 Jahre zionistischer Terrorismus gegen das britische Mandat voraus. Das alles geschah unter kolonialen Nachwehen. Eine Staatsgründung der europäischen Einwanderer in Palästina wurde späte durch deren Gönner in der UN für legitim erklärt. Die gewissermaßen autochtone Bevölkerung wurde nie gefragt, sie musste mit ansehen wie die Briten (auf Druck der zionistischen Bewegung) und später die UNO ohne sie entschieden, bis heute.

Der Holocaust ist da nicht die wesentliche Ursache, sondern nur der Brandbeschleuniger. Niemand hat den europäischen Juden nach 1945 in Europa zu bleiben. Ob eine eigene Staatlichkeit notwendig war, wage ich zu bezweifeln. Die Mehrheit des sogenannten Weltjudentum zieht die Diaspora bekanntermaßen vor. Im übrigen wurde bereits 1928 autonome jüdische Region innerhalb der Sowjet-Union eingerichtet.

janw
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Mi 18. Mai 2011, 19:38 - Beitrag #20

Der Holocaust als quasi Brandbeschleuniger bzw. Israel als darin begründeter sicherer Heimatstaat ist mir auch schon als Mythos erschienen, die Geschichte des Zionismus als Ideologie - Herzl schrieb sein "Der Judenstaat" im 19.JH - und historisches Geschehen reicht eben deutlich weiter zurück, ist vielleicht eher einer der europäischen Nationalismen der kolonialen Ära und diesen auch darin ähnlich, daß die jeweiligen örtlichen Bevölkerungen als verfügbare Fauna angesehen wurden.
Hm, die Pälästinenser als die jüdischen Herero?

Wobei in diesem Falle allerdings die Nachkommen ehemaliger Auswanderer auf die Nachkommen damaliger Dableiber treffen, wie genetische Untersuchungen sehr zum Mißfallen von Verfechtern des erez Israel ergeben haben.


Ergänzend noch die Frage, wie weit vielleicht bisherige Friedensbemühungen weniger am Wollen der Beteiligten, sondern an dagegen gerichteter Intervention der Großmächte gescheitert sind.
Ohne Konflikt kein Brückenkopf der Amerikaner in Israel und der Russen in Syrien - vielleicht ein tieferer Grund?

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