Neuartiger EHEC-Erreger

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janw
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Di 31. Mai 2011, 21:19 - Beitrag #1

Neuartiger EHEC-Erreger

Seit einigen Tagen tritt vor allem in Norddeutschland ein Erreger in Erscheinung, der neben den üblichen Verdauungsbeschwerden zu Blutungen in Darm und Nieren bis hin zum Nierenversagen führt. Gleichzeitig werden die Blutplättchen zersetzt, wodurch die Wundheilung erschwert wird. Mittlerweile sind etwa 80 Menschen in Krankenhäusern und 15 Menschen an der Erkrankung gestorben. Dabei werden offenbar vor allem Frauen betroffen.


Zitat von 009:Hmmh, laut Wiki ist da eine kleine Differenz zwischen Escherichia coli und den [url=Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)]enterohämorrhagischenEscherichia coli (EHEC)[/url], da es sich bei letzteren um
bestimmte pathogene (krankheitsauslösende) Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli
handelt.

[quote="Lykurg"]Ähm, ja? Dementsprechend doch trotzdem eine Teilmenge, wenn ich das richtig sehe. Pathogen sind jedenfalls diverse E. coli-Stämme. ]
Das altbekannte Escherichia coli und der mit EHEC abgekürzte Erreger sind ziemlich unterschiedlich, und der aktuell grassierende Erreger ist wieder etwas anderes.
Es war nie ein ernsthaftes Problem für immunologisch einigermaßen stabile Menschen, Rohmilch zu trinken. Enthält diese aber EHEC-Erreger, kann das durchaus zu mittlerem bis schwerem Unwohlsein führen, bei schwächeren Menschen auch zu mehr. Aber es bleibt auf den Verdauungstrakt beschränkt, sieht von Problemen durch Flüssigkeitsverlust ab.
Der aktuelle Erreger führt aber zu Blutungen und zur Zersetzung von Blutplättchen und greift die Nieren an mit entsprechenden Folgen.
Das Eigenartige scheint dabei zu sein, daß die schweren Verläufe vor allem bei Frauen auftreten. Dies wird mit dem höheren Rohkost-Verzehr durch Frauen und ihre Rolle bei der Nahrungszubereitung erklärt, allerdings könnte ich mir eine Beteiligung weiblicher Hormone vorstellen, die vielleicht den Erreger beeinflussen.

Ipsissimus
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Di 31. Mai 2011, 23:02 - Beitrag #2

na ja, E. coli war noch nie nur der gute Kumpel. Bei parenteraler oder - bei immunschwachen Menschen - auch bei oraler Aufnahme konnte da schon immer mal eine gepflegte Sepsis auftreten, so ziemlich das Letzte, was mensch erleben möchte und im Betreffsfall würde.

Wenn die entero-hämorrhagische Variante gelegentlich in Rohmilch auftauchen würde, wäre das nicht auszudenken, wir hätten die Epidemie, die im Moment umläuft, schon öfter gehabt (EHEC heißt ja nichts anderes als entero-hämorrhagisches E. coli). Von daher glaube ich zwar, dass Rohmilch gelegentlich EC-belastet ist, aber nicht EHEC-belastet, das wäre furchtbar. Das hämolytisch-urämische Syndrom ist ja "nur" eine Komplikation einer EHEC-Infektion, gelegentlich tragisch zwar, aber nach allem, was ich bisher drüber gelesen habe, nicht an eine eigene Erreger-Variante gebunden.

janw
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Mi 1. Jun 2011, 01:38 - Beitrag #3

Natürlich ist E.coli kein lieber Kumpel, aber im Vergleich zu seinen Abkömmlingen EHEC und EHUSEC ist er für immuntechnisch stabile Menschen sehr unangenehm, aber eben auch "nur" das.

Bis in die 90er Jahre war es hier auf dem Land gang und gäbe, seine Milch vom Bauern aus dem Tank zu holen und so zu verwenden, bis dann EHEC um sich griff. Darauf haben besonders Kinder empfindlich reagiert, iirc gab es auch einige schwere Verläufe.

Bei dem jetzigen Erreger-Typ fallen deutlich Frauen mit schweren Verläufen auf, und dabei kommt es zu Nierenversagen und schweren Blutveränderungen, was bei EC und EHEC nie das Problem war.
Ob das jetzt eine neue Eigenschaft des neuen Erreger-Typs ist oder ein zufällig gleichzeitig auftretendes Syndrom, das ist denke ich die spannende Frage.
Mir ist die Gurken-Theorie von Anfang an etwas suspekt gewesen, um nicht zu sagen spanisch vorgekommen - für eine Infektion braucht es eine gewisse Erreger-Dosis, und ich kann mir nicht recht vorstellen, daß eine entsprechende Population die gesamte Handhabungskette vom Pflücken über Sortieren, Coating, verpacken, Transport und Ausstellen im Laden, dann in die Einkaufstasche, den Kühlschrank, das abspülen, schneiden übersteht, dann auch noch das Anmachen mit Essig als Gurkensalat.
Da würde ich das Problem eher in vorgefertigten Rohkostmischungen sehen, die feucht unter Folie gelagert werden, das sind optimale Vermehrungsbedingungen für Keime.

009
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Mi 1. Jun 2011, 04:02 - Beitrag #4

Was genau die Quelle für die aktuelle Welle ist, ist wohl letztlich offen; nah WDR5-Radiomeldung erwies sich die Warnung vor den spanischen schlangenförmigen Salatkomponenten als offenbar verfrühtes rumgegurke.

Wenn der Erreger laut Wiki so ziemlich viel (Hitze, Trockenheit, Frost) mehr oder minder überstehen kann, scheint es mir als Laien fraglich, ob gründliches waschen oder selbst schälen (mit Gefahr einer Kreuzkontamination?!?) reicht, eine Infektion zu vermeiden.

E: gerade auch zum Übertragungsweg für mich als biologischen Laien durchaus interessante Überlegungen fand ich in einem Beitrag des Weblogs Weitergesagt.

janw
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Mi 1. Jun 2011, 10:20 - Beitrag #5

Eben jener Beitrag ist wohl durch cyberEHEC abhanden gekommen.

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Mi 1. Jun 2011, 10:42 - Beitrag #6

Hmmh, bei mir lädet der weiterhin problemlos - kann den noch wer sehen?

janw
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Mi 1. Jun 2011, 10:50 - Beitrag #7

Genau genommen wird bei mir keiner der Beiträge angezeigt, nur die Einleitungen sind auf den Übersichtsseiten zu lesen.

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Mi 1. Jun 2011, 10:57 - Beitrag #8

Mysteriös" Bei Opera keine Probleme, K-Meleon zeigt den Artikel gar nicht, auch keine Einleitung an.

Feuerkopf
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So 5. Jun 2011, 23:41 - Beitrag #9

Heute abend wurde gesagt, die Quelle sei möglicherweise ein Betrieb in Bienenbüttel bei Uelzen.
Jan, dass du mir ja die Finger von rohen Sprossen lässt!

Ipsissimus
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Mo 6. Jun 2011, 11:43 - Beitrag #10

was hast du da in deinem Biologie-Labor nur ausgebrütet, Jan^^

janw
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Mo 6. Jun 2011, 15:47 - Beitrag #11

Ich hab ja die Chinesen in Verdacht, oder Biogasanlagen...und dann passiert einfach das, was passiert, wenn man ein paar Bakterien auf viel Nährboden in Folie eingeschweißt mehrere Tage durch die Lande karrt.
Sprossen züchtet man selbst, nach Bedarf, oder man kocht die gekauften.

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Di 7. Jun 2011, 09:52 - Beitrag #12

ich hege immer stärker den Verdacht, dass es überhaupt keine Primärquelle gibt, sondern dass ganz ähnlich wie bei Krankenhauskeimen durch Maßnahmen auf breiter Ebene einfach Bedingungen geschaffen wurden, die zu erhöhten Mutationsraten des gewöhnlichen e.coli führten, sprich also, dass die Erkrankten gar keine EHEC mit der Nahrung aufgenommen haben, sondern diese EHEC im Darm selbst herstellten. Da die Nahrung, die zunehmend mehr Menschen aus finanziellen Gründen zu sich nehmen, in immer höherem Maß aus - Vorsicht: teilweise metaphorisch - aufbereiteter Scheiße besteht, entbehrt diese These m.E. nicht einer gewissen Plausibilität.

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Di 7. Jun 2011, 12:23 - Beitrag #13

Ich hingegen hege den Verdacht, die Quelle, selbst so man sie hätte, könne man gar nicht sicher als solche identifizieren. Wenn es ein Betrieb ist, der immer mies arbeitet und fortlaufend seine Produkte verschmutzt wohl schon.
Aber seien es jetzt mal die Sprossen, Verunreinigung möge zb durch wie auch immer temporär ins Gieswasser gelangten EHEC an nur einem Tag entstanden sein. Bis die Produkte fertig, ausgeliefert, verzehrt, diese Personen infiziert sind und man durch durch Befragungen auf den Betrieb kommt, kann es doch eine Weile dauern und so sein, das dort schon längst keine EHEC mehr nachweisbar sind.
Bei früheren Wellen war es wohl auch so, dass die Quelle zu finden eher Ausnahme denn die Regel war.

janw
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Di 7. Jun 2011, 12:42 - Beitrag #14

Nun, in dem Betrieb ist gottseidank nichts gefunden worden bisher, und er ist auch bisher immer gut gewesen in der Hinsicht, die ministeriellen Detektivspiele sind ein echtes Drama.

Keimsprossen sind aber rein theoretisch gut geeignet, als Erregerquelle zu fungieren:
Auf der Samenschale können gut verschiedene Erreger und Pilzsporen vorkommen, einfach von Anbau und Ernte, und Samen sind schwer zu sterilisieren (abkochen tötet den Keim, Chemikalien hinterlassen Rückstände, UV-Bestrahlung beeinflusst das Keimungsverhalten).
Das feuchtwarme Milieu ist für die Vermehrung von Erregern günstig, Luftverwirbelung kann das aber verhindern.
Die Lagerung in eingeschweißten Paketen mit Kondenswasserbildung über mehrere Tage ist für die Vermehrung von Erregern sehr günstig. (Hier würde ich die eigentliche Gefahr sehen, weil hier aus einer nachweistechnisch unterschwelligen und gesundheitlich unbedenklichen Belastung eine echte Erregerkultur werden kann, das gleiche Problem wie bei Tartar oder Hackfleisch.)

Grundsätzlich sehe ich das mit der Entstehung auf breiter Ebene ähnlich, allerdings muss es da IMHO ein Element im System geben, das zur Entwicklung des Erregertyps beigetragen hat: Es handelt sich nicht um den bekannten EHEC-Erreger, der vorwiegend über Rohmilch übertragen wird und vor allem bei Kindern zu Erkrankungen führt, der aktuelle Erreger hat vielmehr Erbinformationen von zwei weiteren Erregern, mit denen er die gefährlichen Toxine produziert. Der eine Erreger ist Shigella, das Shiga-Toxin löst die Blutungen aus, iirc auch die Schäden an Nervenzellen, der andere ist offenbar für die hämolytische (Zerstörung von Blutzellen) Wirkung verantwortlich, wodurch die Blutungen nicht gestoppt und durch die Zelltrümmer die Nieren geschädigt werden. Eine weitere in dem Zusammenhang entstendene Eigenschaft des Erregers ist die Resistenz gegen einige Antibiotika.
Irgendwo muss also EHEC mit Shigella und dem anderen Bakterium zusammengetroffen sein, und da wären Biogasanlagen vielleicht geeignete Orte, andererseits auch Kläranlagen. Die Antibiotikaresistenz wäre ebenfalls zu beleuchten, hier wäre neben übermäßigem Einsatz (Thema Krankenhaus-Keime, aber auch Antibiotika in Haushaltsreinigern) an Orte mit Rückständen unter der Schadenssschwelle zu denken, in denen sich Bakterien an die Stoffe anpassen können.

Vielleicht haben wir schlicht mit den Antibiotika die Geister gerufen, durch die die neuen Geißeln entstanden sind...

Ipsissimus
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Di 7. Jun 2011, 13:39 - Beitrag #15

Shigella, der Erreger von Ruhr. Wo gibt es noch Ruhr auf der Erde?

janw
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Di 7. Jun 2011, 14:36 - Beitrag #16

Bakterienruhr kommt nach wikipedia in Südeuropa und Nordafrika, in der heftigeren Variante in den Tropen und Subtropen vor. Ihre Erreger werden danach auch durch Fliegen verbreitet.
Detektiv Spürnase würde eine Verbindung zu illegalen Gastarbeitern aus Afrika ziehen.

Das Problem ist aber, daß eben eine Kreuzung von EHEC mit zwei anderen Erregern gesehen wird, und das passiert meist nicht einfach so.
Das spricht für mich schon eher für eine bestimmte Infrastruktur, die den Rahmen dafür gegeben hat und vielleicht für Bedingungen auf breiterer Ebene, welche die Ausbreitung und die Resistenzbildungen begünstigt haben.

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Di 7. Jun 2011, 15:06 - Beitrag #17

trotzdem müssen dafür erst mal Shigellen anwesend sein, und die fliegen bei uns nicht einfach so in der Gegend rum, wir hätten sonst auch permanente Fälle von Ruhr. Wenn es statt Shigella Yersinia wäre, würden wir die Quelle auch nicht in Deutschland vermuten, und Shigella ist bei uns genau so häufig wie Yersinia, d.h. sie kommen nur vor, wenn sie mitgebracht wurden

janw
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Di 7. Jun 2011, 21:38 - Beitrag #18

Tja, vielleicht doch eine Erreger-Herkunft aus dem Mittelmeerraum, im Zusammenhang mit Arbeitssklaven.

Ipsissimus
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Di 7. Jun 2011, 21:58 - Beitrag #19

möglich, ja, oder eine Urlaubsreise in das falsche Land

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Di 7. Jun 2011, 22:07 - Beitrag #20

Wäre nicht auch der Import kontaminierter Speisen oder der Import von was auch immer, auf dem der Erreger haftet, die Reise überlebt und dann hier auf welchem Weg auch immer Menschen infiziert, eine mögliche Erklärung?

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