Ein tragischer Fall, aber, wie Maglor im Eingangsbeitrag ja nahelegte, auch ein Beispiel für ein grundsätzlich schwer lösbares Problem der Justiz. Die folgende Aussage des Kasseler Richters halte ich nämlich wiederum für eine Überdehnung der Unschuldsvermutung:
Dabei würde auch nach einen Urteil des Bundesgerichtshofs immer die These gelten: Die Aussage einer Belastungszeugin sei falsch. Erst wenn man gegenteilige Beweise finde, könne man verurteilen.
Konsequent angewandt hieße das ja, dass jeder Anklagende, der keine weiteren Beweise findet, automatisch als böswillig Lügender zu klassifizieren sein. Somit stünde er automatisch mit den Anschuldigungen, die in diesem Fall nun die Klägerin treffen, da, woraufhin wiederum gegen ihn die Unschuldsvermutung angewandt werden müsste, was sich aber mit der Definition zuvor, dass seine Aussage falsch sei, beißt.
Ich schätze mal, die Justiz würde etwas sauberer argumentieren können, wenn sie sich vom "falsch"-"wahr"-Binärschema lösen und nach Glaubwürdigkeitsgraden abstufen würde. Aber leider nur auf der theoretischen Ebene, für die Prozesspraxis bringt das herzlich wenig, am Ende muss ja ein Freispruch oder eine Verurteilung stehen.
Und da kann die Lösung dann eben doch nur in grundsätzlicher Angeklagtenunschuldsvermutung liegen, und die oben skizzierte automatische Anklageumkehr sieht unser Justizsystem zum Glück ja auch nicht vor. Spannend also, ob sie in diesem schweren Fall tatsächlich umgesetzt wird, und wenn ja, ob die Richter dafür dann genug Beweise sehen.
Ein Aspekt, der für den nun Freigesprochenen auch sehr interessant sein dürfte: müsste er nicht Anspruch nicht nur auf die Haftentschädigung, sondern auch auf Wiedereinstellung und rückwirkende Gehaltszahlung haben? Seinem Jahrgang nach war er ja mit Sicherheit verbeamteter Lehrer und wurde dann wohl wegen der strafrechtlichen Verurteilung aus dem Staatsdienst entfernt. Wenn diese Verurteilung nun rückwirkend nichtig ist und er sich sonst nichts zu Schulden kommen lassen hat, müsste der Staat meines Erachtens seinen ehemaligen Status wiederherstellen und das entgangene Einkommen auszahlen.