Bella Italia

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
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Mo 11. Jul 2011, 12:10 - Beitrag #1

Bella Italia

irgendwann in grauer Vorzeit hatte ich 100 Milliarden DM mal für Geld gehalten. Aber heute gibt man sich mit Peanuts wohl nicht mehr zufrieden

http://www.sueddeutsche.de/geld/schuldenkrise-in-italien-italien-und-die-billionen-euro-frage-1.1118630

irgendwie scheint es mir doch auf einen Währungsschnitt hinaus zu laufen, Spanien ist ja auch schon am wackeln. Und die EU? Reduziert sich auf einen Superstaat aus Deutschland und Frankreich?

Güldene Zeiten für Spekulanten^^

Lykurg
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Mo 11. Jul 2011, 14:18 - Beitrag #2

Daß Deutschland in der Hinsicht nicht wirklich viel besser ist (insbesondere, wenn die ganzen eingegangenen Bürgschaften fällig werden und gleichzeitig die eigenen Großbanken gerettet werden müssen), nur ein paar Jahre länger durchhalten kann, sage ich ja schon lange. Frankreich ist noch wackliger; ich weiß nicht, wie die das in den Griff bekommen (insbesondere angesichts der von dir gerühmten französischen Haltung gegenüber sozialen Einschnitten...)

Einigermaßen solide Haushaltsführung haben derzeit Finnland, Österreich, die Niederlande, Estland und Luxemburg. Möglicherweise wäre nach einem umfassenden Schnitt mit denen und Deutschland ein Rest-Euroraum möglich, wenn es wirklich soweit kommt. Eine Blütezeit für Spekulationen, aber weniger für Spekulanten, denke ich. Ist halt extrem unsicher, ob die extrem renditeträchtigen Staatsanleihen von den entsprechenden Ländern weiterhin bedient werden können oder ob sie faillieren. Da braucht man schon eine sehr gute Nase, um sie zu vergolden...

Scuba
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Di 12. Jul 2011, 07:32 - Beitrag #3

Ist es nicht einfach müßig immer wieder das gleiche zu konstatieren?

Ipsissimus
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Di 12. Jul 2011, 09:48 - Beitrag #4

mag sein, doch die Einschläge rücken eben von mal zu mal näher

Scuba
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Di 12. Jul 2011, 19:35 - Beitrag #5

..und was machen wir ...dann? Welche Konsequenzen folgen daraus?

Gibt es einen Plan?

janw
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Di 12. Jul 2011, 20:14 - Beitrag #6

Ackerbau und Viehzucht, Handel mit Gütern und Arbeitskraft und verfügbarer Zeit...

Bei der Dynamik der Nachrichtengenerierung zum Staatsschuldenkomplex frage ich mich aber zunächst wirklich, was hieran real ist und was interessengeleitetes Geschehen.
Die italienische Staatsverschuldung war schon vor Monaten auf heutigem Niveau, damals wurden aber Portugal und Spanien als Problemstaaten gesehen.
Zeitgleich steuern jetzt die usa auf eine Haushaltskrise zu, die in ihrer akuten Form von einigen Politikern ausgelöst wird, wobei allerdings eine große Staatsverschuldung zu Grunde liegt.
Mir drängt sich auf, es könnte in Wirklichkeit darum gehen, den Euro spekulativ abzuwerten, um den Dollar im Verhältnis dazu aufzuwerten.
Oder besteht ein Zusamenhang zur hohen Inflationsrate in China, soll der Euro geschwächt werden im Verhältnis zum Yuan? Wem würde eine Zerschlagung des Euro-Raumes nützen?


Letztlich müsste IMHO einmal wirklich besehen werden, welche Fälligkeitssummen auf Italien denn tatsächlich in der nächsten Zeit zukommen, und ob diese wirklich ein existentielles Problem darstellen.

Lykurg
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Mi 13. Jul 2011, 16:15 - Beitrag #7

Ackerbau und Viehzucht, Handel mit Gütern und Arbeitskraft und verfügbarer Zeit...
Subsistenzwirtschaft würde schwere Hungersnöte verursachen, sobald Ernteausfälle durch schlechte Böden und fehlenden Dünger kämen, ganz zu schweigen vom Zusammenbruch der Städte... Kann man natürlich alles idealisieren im Sinne von "fair mit der Natur im Einklang leben", aber ich finde das eine äußerst düstere Perspektive.

Abwertung des Euro gegen den Dollar wäre gut für den europäischen Export und würde die Schuldenproblematik jedenfalls nach außen reduzieren. Für die US-Wirtschaft wäre das keine besonders günstige Konstellation.

Eine Aufwertung des Yuan wird ja schon seit einigen Jahren gefordert, sowohl von den Europäern als auch den Amerikanern, aber die Chinesen sperren sich dagegen. - Ich sehe da noch nicht recht durch. Die nächstliegende Verbindung läge für mich, wenn man wirklich eine suchen will, in Einflüssen auf die italienische Regierung in Richtung auf einen Machtwechsel. Aber dafür scheinen mir die wirtschaftlichen Daten zu langfristig; da ist es höchstens eine Frage des Zeitpunkts der auflaufenden Nachrichten.

janw
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Mi 13. Jul 2011, 17:10 - Beitrag #8

Lykurg, das war auch keine romantisch gestimmte Perspektive, wobei ich andererseits aber auch das Krisenhafte daran etwas relativieren würde - zum einen haben wir eine derart hohe Überfrachtung der Böden mit Stickstoff und Phosphor, daß daraus einige Jahre gut gezehrt werden könnte, zum anderen müsste nur etwas Tierhaltung von Schwein zu Rind umgestellt werden, um mehr Getreideproduktion für Menschen zu ermöglichen und gleichzeitig eine gute Versorgung mit tierischem Eiweiß zu ermöglichen.
Kurz gesagt, wir leben auf einer Luftblase, einer doppelten, aus Gewinnen aus einem unfairen Handel und der Attitüde, daß Industriegüter unabdingbarer Lebensbedarf seien. Sehr bequem, aber man sollte sich der Luftblasennatur bewusst sein.

Die Währungsparitäten könnten sicher verschoben werden, nur sind sie ja zumindest behauptetermaßen auch Ausdruck von wirtschaftlicher Leistung, und da ist usa eben anders als der Euro-Raum.
Es würde auch an dem Kernproblem nichts ändern, daß die ursprünglich als Werkzeug für umsichtiges Investieren gedachten Ratingagenturen sich in den Dienst von Interessenten gestellt haben.
Von daher müsste eben das 1975 in usa verliehene Privileg, das den drei großen Agenturen so etwas wie Allgemeinverbindlichkeit zuspricht, widerrufen werden, und für den Euro-Raum wäre IMHO an eine Zusammenführung aller Staatsanleihensysteme zu einer "Euroland-Anleihe" zu denken, zumindest aber für die ärmeren Staaten eine zentrale Ausgabe der Anleihen über die EZB und Umstellung der Verzinsung auf ein variables, die jeweils aktuelle Risikolage darstellendes System. Ein armes Land mag ein hohes Risiko für einen Investor darstellen, nicht aber, wenn für es gebürgt wird.

Maglor
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Mi 13. Jul 2011, 20:41 - Beitrag #9

Italien ist doch kein Thema wert. Italien ist ein hoch verschuldetes Land, wie nahezu alle Länder in Europa.
Wenn erst Island zum Klub dazugehört, ist die Party noch perfekt.
Der Wohlstand der meisten europäischen Staaten basiert in erster Line auf monitären Tricks. Im Grunde steht hinter vielen Staaten kaum mehr als eine Seifeblase und das dürfte auf für Groß-Britannien gelten.
Eine Inflation würde vielleicht das Schulden-Problem lösen, aber auch die wesentliche Quelle des Wohlstands versiegen. Öl aus Arabien, Soja aus Brasilien, Elektronik aus Asien ... alles würde teurer. (Für die Schwellenländer entstünde natürlich das gravierende Problem, wo sie ihre ganzen Waren los werden.)
Der ein oder andere Europäer müsste seinen Lebensstandard auf südamerikanisches Niveau zurückschrauben.

Ansonsten könnte man natürlich noch dem Beispiel Japans folgen. Der japanische Staat trägt eine der höchsten Schuldenlasten mit sich herum. Seine Gläubiger sind jedoch in erster Linie japanische Bürger, die sich von Rating-Agenturen nicht beeindrucken lassen.
Ach ja, und dann gab es noch in de 90ern ein Deflations-Problem. Trotz gutem abschneiden bei der Export-Weltmeisterschaft und hoher Produktivität gibt ein merkwürdiges wirtschaftliches Problem, aber Zusammenhänge zwichen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft sind ja ohnehin ausgeschlossen.
Gleichzeitig legen natürlich japanischen Pension-Fonds im großen Ausmaß in ausländische Staatsanleihen und versuchen so die Pensionen der alten Japaner durch Italien, Griechenland und Co zu finanzieren, die nämlich die hohen Zinsen zahlen.

Scuba
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Mi 13. Jul 2011, 21:12 - Beitrag #10

Zitat von janw:Es würde auch an dem Kernproblem nichts ändern, daß die ursprünglich als Werkzeug für umsichtiges Investieren gedachten Ratingagenturen sich in den Dienst von Interessenten gestellt haben.
Von daher müsste eben das 1975 in usa verliehene Privileg, das den drei großen Agenturen so etwas wie Allgemeinverbindlichkeit zuspricht, widerrufen werden, und für den Euro-Raum wäre IMHO an eine Zusammenführung aller Staatsanleihensysteme zu einer "Euroland-Anleihe" zu denken, zumindest aber für die ärmeren Staaten eine zentrale Ausgabe der Anleihen über die EZB und Umstellung der Verzinsung auf ein variables, die jeweils aktuelle Risikolage darstellendes System. Ein armes Land mag ein hohes Risiko für einen Investor darstellen, nicht aber, wenn für es gebürgt wird.



.das ist 'nicht' das Kernproblem.
Schon gar nicht löst man Probleme, wenn man sich über die 'Überbringer schlechter Nachrichten echauviert, oder bestimmen will, dass diese künftig nur noch "gute Nachrichten" durchstellen dürfen (oder: man erfindet diese selber, wenn es denn keine zu berichten gibt. - Erinnert mich irgendwie an die Durchalteparolen bei/nach "Stalingrad")

Das was man den Ratingagenturen tatsächlich vorwerfen kann ist imho

1) Das sie die Krise nicht haben kommen sehen (aka viele zu lange viel zu gute Nachrichten verbreitet haben, bzw. "gute Diener ihrer Herren" sein wollten)
2) Das sie sich nicht ernsthaft an die Beurteilung "ihr Stammlandes" wagen.

Das GR, Irland und andere europäische Staaten 'pleite' (= zahlungsunfähig) sind, daran ändern auch die Euphemismen des "bösen Rollstuhlfahrers", und des "Karlspreisträgers" wenig. Diese Lügenbeutel glauben ja nicht einmal mehr ihre eigenen Märchen. Hauptsache die "Systempresse" schreibt sie auf.

Zu den (soziaalistischen) Wunschvorstellungen eines "Eurobonds" oder einer "Wirtschaftregierung" (Hallo? Will denn im Ernst jemand von den Typen und ihren Methoden regiert werden, bei denen wir "in Lohn und Brot" stehen? Auch wenn es durchaus "gute Typen" sein mögen - dagegen spricht einfach, das die Ziele eines Betriebswirtschaftlers nur auf den ersten Blick mit den Vorgaben einer Volkswirtschaft unter einen Hut zu bringen sind <> siehe auch "das Bandbreitenmodell", das ich vorlkurzem hier vorgestellt habe)

Ein Betriebswirt 'muss' (Export-) Überschüsse erzielen. Volkswirtschafltich ist das auf Dauer nicht verkraftbart und führt zu genau den Ungleichgewichten und Verwerfungen im System, die wir momentan erleben. Hier ist eine ausgegliche Handelsbilanz das 'non plus ultra'. (und D verstößt kräftig gegen dieses "kleine 1x1 der VWL) Eine 'Arbeitsteilung' die das innere Selbstversändnis der Bürger dieser Völker berücksichtigt. Glaubt denn jemand im Ernst, das die Griechen das Auto - und Maschinenbauen anfangen? (Was sie eigenltich müßten - denn mit ihren sonstigen Produkten: Oliven, Urlaub, Schnaps, sind sie auf Euro-Basis nicht konkurrenzfähig) Welcher Investor würde das wagen?

Geld fließt stets dorthin wo es sich die meiste Rendite verspricht. Das Geld wird hier von den Sparern eingesammelt, nach GR verfrachtet und - loigscherweise - von dort aus 'wieder bei uns angelegt'! Oder man vergrößert vom 'geliehenen Geld seinen Goldhort (unglaublich aber scheinbar wahr: http://www.goldreporter.de/griechenland-hat-im-mai-gold-gekauft/gold/10644/) Man sollte sich jedoch vom Geschwafel vom Gold als "vernachlässigbare Größenordnung" nicht täuschen lassen. Gold wird erst dann in seiner wahren Größe auftreten, wenn das 'EndGame' beginnt. Soweit ist es noch nicht. Daher nutzen die Griechen die Zeit um aufzustocken. Genauso Italien (mit die größten Goldreserven der Welt findet man dort). Aber die italiener sind ähnlich schlau wie die Griechen. "Bella italia" hat es stets gut verstanden 'am Ende ds Krieges' zu den Siegern zu gehören.

Im übrigen wundere ich mich immer wieder, wie leicht diejeingien Leute ihre Hälse gedreht haben, die noch vor der Finanzkrise darin übereinstimmten, das "weitere Wachstum der Wirtschaft" für unseren Planeten in jeder hinsicht tödlich wäre. Imho gilt das doch weiterhin!? Was hat sich an den 'begrenzten Rsssourcen' geändert?

Qualtität statt Quantität wäre gefragt! Ideen hierzu gibt es genügend. (z.B. hier: http://www.gcn.de/hpd.html und hier http://www.helmut-creutz.de/stellungnahmen.htm) Was ich aber sehe ist nur eine Materialschlacht und Volksverdummung, ohne das ein Sinn und Zweck erkennbar wäre. (Außer das sich das Finanzkapital selbst hilft) Eine Euro-Anleihe würde auch nichts anderes bewirken, als das der "GO" nur etwas weiter hinausgezögert wird. Zu Lasten der kleinen und "leistenden" Leute - zu Gunsten der großen Finanzinteressen - und "Nicht-Leister", die dabei sind sich mittels der "Finanzkrise" jedweden Sachwert anzueignen. "Eurobonds" sind nur weiterer Euphemismus im "höheren Interesse" (blos von wem?), damit die Leute nicht merken, wie sie zusehends enteignet und ihre Kinder zu "Schuldsklaven" werden. Schuldsklaven für Versprechungen die die Politiker unserer Blockparteien unter Aushebelung unseres höchsten Gesetzes gemacht haben.

Wenn sich heute schon "die Bayern" über die "Berliner" beschweren, das die kostenlosen Kindergartenplätze in Berlin (die das als "selstverständlich" sehen) vom von bayerischen Familien bezahlt werden, die zudem noch die Kindergartenplätze ihrer eigenen Kinder bezahlen müssen - was wird das erst auf europäischer Ebene? (in GR werden jetzt schon die Hakenkreuze auf die Europaflagge gemalt)

Das sind doch alles Hirngespinste international-sozialistischer Ideologen, die außer in der Politik noch nie selbst was auf die Beine gestellt haben. Ihnen wird ein wesentlicher Teil der Verantwortung angelastet werden, wenn es tatsächlich zum "Bank-run" (ausgehend von Italien) kommen wird und 2 Tage "der Aldi" schließt. - Und sich jeder selbst der Nächste sein wird. Nicht vor der EZB, nicht in Brüssel, nicht in Straßburg - sondern genau bei 'Dir vor Ort'!

Grüße

Lykurg
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Do 14. Jul 2011, 11:10 - Beitrag #11

Zitat von janw:zum einen haben wir eine derart hohe Überfrachtung der Böden mit Stickstoff und Phosphor, daß daraus einige Jahre gut gezehrt werden könnte, zum anderen müsste nur etwas Tierhaltung von Schwein zu Rind umgestellt werden, um mehr Getreideproduktion für Menschen zu ermöglichen und gleichzeitig eine gute Versorgung mit tierischem Eiweiß zu ermöglichen.
Letzteres mag helfen, ersteres ist aber hochgradig problematisch, da klar befristet. Außerdem wäre ja abzusehen, daß die Getreideerträge abnehmen und entsprechend auch für Rinderzucht nur noch bedingt zur Verfügung stünden. Wir brauchen hier keine großen Katastrophenszenarien zu zeichnen, aber eine 80-Millionen-Bevölkerung wäre ohne Außenhandel dann längerfristig wohl kaum zu versorgen.
Kurz gesagt, wir leben auf einer Luftblase, einer doppelten, aus Gewinnen aus einem unfairen Handel und der Attitüde, daß Industriegüter unabdingbarer Lebensbedarf seien. Sehr bequem, aber man sollte sich der Luftblasennatur bewusst sein.
Unfair ist Handel, wenn er erzwungenermaßen geschieht, etwa durch Strafzölle und Kontingentierung. Viele Industriegüter sind nicht unbedingt erforderlich, aber es besteht eine private Nachfrage danach. Andere dienen staatlich subventionierten Zwangsbeglückungen, an diesen Stellen wäre zu hinterfragen, was wir brauchen und uns leisten können. Zentral geht es hier ja nicht um eine private Verschuldung, sondern die der öffentlichen Haushalte; wenn die Individuen über ihre Verhältnisse leben, geschieht das aufgrund eines völlig undurchsichtigen sozialen Transfersystems, in dem niemand mehr weiß, welche Leistungen tatsächlich wieviel kosten und wer letztlich dafür aufkommt (im Zweifelsfall aber die junge Generation und ihre Nachkommen).

Zu den wirtschaftlichen Fragen haben sich Maglor und Scuba schon geäußert; und ich hätte nie gedacht, daß ich mit Scuba einmal so vollständig übereinstimmen würde! Gerade die Skepsis gegenüber der wohlfeilen Ratingagenturenschelte, wie sie neulich auch von der Bundeskanzlerin geäußert wurde, teile ich vollends. Es ist eine bittere Wahrheit für die Verantwortungsträger, daß ihnen die langjährigen Versäumnisse auf die Füße fallen können, aber die Augen davor zu verschließen und die Schuld auf andere zu schieben, hilft nicht.

Der Verweis auf den Länderfinanzausgleich als massives Negativmuster für EU-weite institutionalisierte Transfers ist glänzend; man könnte auch auf den Aufbau Ost verweisen - ein Großteil der Hilfen verpufft, Konsum bedeutet ist eben nicht gleich Wirtschaftsleistung. Und ja, über die deutschlandfeindliche Stimmung in Griechenland kann ich nur traurig den Kopf schütteln. Sicher ist es schwer, sich von Lebenslügen zu verabschieden, aber man kann das auch mit mehr Stil tun.

Anderer Meinung bin ich allerdings in Bezug auf Gold; entsprechend früheren Krisen wird es wohl einen hohen Wert behalten, aber wenn es hart auf hart kommt, kann man sich davon auch nichts kaufen. Schlimmstenfalls wären auch dort Zwangsabgaben nicht undenkbar.

Auch Exportüberschüsse stellen für mich nicht das Problem dar, wenn sich das in anderer Weise (internationales Engagement, Tourismus etc.) ausgleicht - längerfristig kommt es da ohnehin wieder zu Verschiebungen. Wir merken ja auch am beispielhaften Vergleich Deutschland-Griechenland (genausogut auch Japan-Portugal oder USA-Irland), daß ein stark exportorientiertes Land zwar weit mehr wirtschaftliches Potential hat, die Staatsverschuldung aber als Folge unvernünftiger Haushaltsführung auch entgegen der Handelsbilanz sich entwickeln kann.

Maglor
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Sa 16. Jul 2011, 23:05 - Beitrag #12

Ich finde den Verweis auf den Länderfinanzausgleich auch sehr treffend.
Auf der anderen Seite hat aber EU Jahrzehnte lang genau so funktioniert. Es gibt ein markanten Wohlstandsgfälle zwischen Griechenland und der Türei, dass im wesentlich durch EU-Subventionen und nicht durch griechische Wirtschaftkraft entstand.
Aber alle Vergleiche hinken. Es gibt schlicht einfach keinen Zusammenhang mehr zwischen der Real- und der Finanzwirtschaft. Die Staaten des Wohlstands sind aufgrund von heißer Luft, Wetten, Behauptungen oder Tradition in ihrer glücklichen Lage.
Staaten werden nahezu willkürlich auf- und abgewertet. Was in Japan falsch läft, kann ich auch nicht sagen. Klar ist nur, dass das Land von Rating-Agenturen abgewertet wurden und seit Jahren sich in einer diffusen Wirtschaftskrise, bei Quasi-Vollbeschäftigung, innovativer Technik, hoher Arbeitsmoral, hoher Bildungsstand, verhältnismäßig niedrigem Militärhaushalt, unterentwickeltem Sozialstaat usw.

Das Magazin Monitor erklärt hier die mutmaßlichen Ursachen der Finanzkrise oder auch eine mögliche Zukunft:
Die Politik habe nicht gegen Rating-Agenturen, Schattenbanken, Hedgefonds und Kreditausfallversicherungen getan. Stattdessen habe er mit der Bankrettung und -sicherung das faule Spiel nur noch besser abgesichert und gleichzeitig die ohnehin hohe Staatsverschuldung ins maßlose ausgebaut.
Quasi wurden nur die Verluste endgültig verstaatlicht und damit dem Spiel die Unsicherheiten gewonnen.

Mit der Kreditausfallversicherung kann praktisch auf Staatspleiten gewettet werden.
Ein Beispiel: Wenn eine Bank einem Staat Geld leiht, kann sie bei einem Dritten eine Kreditausfallversicherung abschließen, kurz ein CDS. Dieser Dritte muss zahlen, wenn der Staat Pleite geht und der Kredit ausfällt. Das Absurde: Auch Finanzakteure, die diesen Kredit gar nicht vergeben haben, können trotzdem Kreditausfallversicherungen darauf abschließen, sie wetten auf den Bankrott des Staates.

Thierry Philipponnat, Finance Watch (Übersetzung MONITOR): "Das ist, als wenn ich eine Feuerversicherung auf das Haus meines Nachbarn abschließe. Dann bekomme ich Geld, wenn das Haus meines Nachbarn brennt. Und dann habe ich ein Interesse daran, dass das Haus meines Nachbarn brennt. Und im nächsten Schritt helfe ich dann, das Feuer zu legen."

Es gibt also Akteure am Finanzmarkt, die mit der Pleite von Staaten eine Menge Geld verdienen.
Dazu der ohnmächtige Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht die interessante Frage:
"Im griechischen Umfeld haben wir die äußerst interessante Frage - die wir nicht beantworten können - wer hat auf Griechenland Credit Default Swaps, wie es so schön in der Umgangssprache heißt, geschrieben? Also stellt die Versicherung dar, wer hat sie gekauft? Und das macht mir am meisten Sorgen. Wenn ich als Regulierer, als in dem Falle als operativer Aufseher sagen muss, es gibt Bereiche, in denen es dort dunkle Flecken gibt, von denen keiner weiß, was dort passiert."
Ob das die Kreditausfalversicherungen im Ernstfall nicht auch zahlungsunfähig werden, aber die kann bestimmt die Staatskasse retten. ;)


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