Gestern äußerte sich der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer im Deutschlandfunk zur Anonymität im Netz. Er meinte dabei, die Netzöffentlichkeit, in der Äußerungen anonym getätigt werden, sei eine neue Form von Öffentlichkeit, die mit der bisherigen Öffentlichkeit in der Demokratie, in der eine Äußerung einer Person zurechenbar und damit eine offene Auseinandersetzung mit dieser Person möglich sei, in Konflikt stehe.
Er bezog sich dann u.a. auf die zahlreichen beleidigenden Äußerungen gegenüber Lehrern und Mitschülern in den entsprechenden Portalen.
Mir sind derlei Überlegungen auch schon gelegentlich durch den Kopf gegangen, allerdings habe ich sie für mich immer dahin gehend beantwortet, daß eine Äußerung ja immer auf einen Nickname zurück verfolgt werden kann, der für eine bestimmte Person steht. Für wirklich Geschädigte sollte es möglich sein, sich mit der Person entsprechend auseinander zu setzen, von daher eigentlich kein Problem.
Dazu kamen derartige Äußerungen ja immer aus bekannten Ecken...aber nun spricht Herr Hassemer das an, der mir nicht als sicherheitspolitischer Scharfmacher im Bewusstsein ist.
Wie seht Ihr das, nur ein Problem eines älteren Herrn, der nicht mit dem Netz aufgewachsen ist, die Netzöffentlichkeit ein Beitrag zur Vielfalt an Öffentlichkeiten, oder tatsächlich ein Problem - sollte, wem eine Meinung wichtig ist, sie mit offenem Visier vertreten, und nur so?
Oder sollte es in Anlehnung an eine andere Äußerung Hassemers in der Sendung eine Frage der Alternativlosigkeit sein - ist unsere Gesellschaft so, daß sie vieles an kritischen Gedanken für unsagbar hält, bliebe vieles, auch Wichtiges, ohne die Anonymität des Netzes nicht gesagt?