Zitat von janw:Der Beamte als treuer Regelanwender, welch Regel auch immer, oder gibt es "gute" und "ungute" Regeln?
Es liegt in der persönlichen Verantwortung jedes Beamten, jeden Tag neu zu entscheiden, ob er den Regeln, die ihm gegeben werden, folgen kann. Kann er das nicht, weil die Regeln gegen seine eigene Moral verstoßen, oder sieht er in einem Verhalten, das einer an sich auch für ihn guten Regel widerspricht, einen größeren Vorteil für die Menschlichkeit als in Regelkonformität, so kann er sich gegen die Regeln entscheiden. Dann muss er aber die Konsequenzen tragen, entweder durch Ausscheiden aus dem Dienst, oder durch bewussten Regelbruch mit Aufsichnahme aller Schuld durch daraus entstehende Taten, sowohl in internen Amtsmissbrauchsverfahren als auch in regulären Straf- oder Zivilprozessen ob dieser individuellen Schuld.
Konkret auf den Folterdrohungsfall bezogen: Gesamtgesellschaftlich ist es selbstverständlich nicht erwünscht, dass Folterdrohungen reguläres Mittel im Polizeiarsenal sind. Daher müssen sie streng verboten sein. Gleichzeitig halte ich es jedoch für gesamtgesellschaftlich vorteilhaft, wenn einzelne Individuen sich gelegentlich über dieses Verbot hinwegsetzen, wenn sie glauben, dadurch großes Übel zu verhindern. Dennoch müssen sie wissen, damit einen schweren Regelverstoß zu begehen, und schwere persönliche Konsequenzen fürchten, damit sie es nur tun, wenn sie einen wirklich großen Vorteil darin sehen. Und sie müssen dementsprechend verurteilt werden.
Gleichzeitig hat aber auch Gäfgen durch seine Tat für mich zwar nicht die universellen Ansprüche auf menschenwürdige Behandlung, faires Verfahren etc. verspielt, mit Sicherheit aber den sekundären auf finanziellen Ausgleich für selbst erlittenes Unrecht, solange dies weit geringer als das von ihm angerichtete war. Daher wäre die korrekte Auflösung der Unrechtslage für mich kein Schmerzensgeld des Landes an Gäfgen (wobei die Verrechnung mit Prozesschulden schonmal eine Verbesserung ist) gewesen, sondern nur eine individuelle Bestrafung des drohenden Polizisten (und aller Vorgesetzten, die sein Tun guthießen).