Vom Aussterben der Helden

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janw
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Di 9. Aug 2011, 21:42 - Beitrag #1

Vom Aussterben der Helden

Leider nur zum anhören, aber dennoch interessant:
hier
Michael Klonovsky erklärt im Deutschlandfunk, daß Deutschland die Helden abhanden kämen, stattdessen würden "verweichlichte, metrosexuelle,..." Menschen zunehmen. Die Aussagen werden ergänzt durch negative Charakterisierung von Toleranz und durch scharfe Seitenhiebe auf rot-grüne Politik.
Mich erinnert der Duktus etwas an Zitate aus dem "Stürmer" anfang der 30er Jahre, die dann in einer Charakterisierung des dagegen gesetzten "nationalsozialistischen Menschentyps" endeten.
Klonovsky ein zweiter Sarrazin mit brauner Note?

Daneben, solch ein Interview als Buchvorstellung im eher locker-flockigen Nachmittagsprogramm, was sagt uns das?

Ipsissimus
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Mi 10. Aug 2011, 10:22 - Beitrag #2

na ja, böse formuliert würde ich fragen, was erwartest du von einem Focus-Redakteur^^ aber natürlich deckt das nicht den gesamten geistigen Hintergrund Klonovskys ab.

Wobei ich zugeben muss, dass ich das Metrosexuelle auch eher für eine geistige Verwirrung statt eines ernstzunehmenden Phänomens auffasse; im Prinzip für einen PR-Gag von und für Leute(n), die irgendwie die Anorexie überlebt und statt Zuwendung zuviel Ritalin bekommen haben; jedenfalls bin ich davon total genervt. Aus diesem Genervtsein resultiert aber in meinem Fall keine Preisgabe des Toleranzprinzips; Karl Lagerfeld, die Beckhams, Prince oder wie sie alle heißen gehen mir also zwar gehörig auf die Nerven, dürfen sich aber lächerlich machen, wie immer ihnen beliebt.

Damit ist allerdings nicht die Gefahr charakterisiert, die von derartig intoleranten Gegenüberstellungen wie "Helden statt Metrosexuelle" ausgeht. Was immer Klonovsky sonst sein mag, an dieser Stelle agiert er als Demagoge. Ob und wieweit er bereits eine Schwelle überschritten hat, die entschiedene Gegendarstellungen notwendig macht, kann ich noch nicht erkennen; es ist ja nun nicht gerade so, als stünde das "Problem Metrosexualität" im Focus der Aufmerksamkeit. Von daher werte ich seine Aussagen derzeit noch als ein Ergebnis des festen Entschlusses, sich um jeden Preis lächerlich zu machen, aber nicht als ernstzunehmende Statements über Sachverhalte von Belang.

janw
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Mi 10. Aug 2011, 14:16 - Beitrag #3

Hey, im Vergleich zum Spiegel gibt der Focus wenigstens nicht vor, etwas zu sein^^

Mein Verhältnis zu Metrosexualität ist nicht weniger kritisch als Deines, wobei ich sie als Ausdruck der aktuellen kulturellen Phase ansehe, der ich an sich nicht viel abgewinnen kann, außer vielleicht, böse, ich weiß^^ daß sie die erste kulturelle Phase ist, die lediglich vorgibt, kulturell zu sein.
Toleranz, gewiss, geboten ist.

Ich schwankte auch zwischen gefährlich demagogisch und lächerlich, zumal Klonovsky sich ja selbst als "Maulhelden" charakterisiert und am Ende das Gesagte mit Bezug auf sich selbst relativiert. Allerdings gingen mir seine Aussagen hinsichtlich der demographischen Perspektive und der Konsequenzen im Konfliktfall schon in die Richtung der Postulierung eines ernsthaften Problems - dem implizit qua Ernsthaftigkeit zu begegnen wäre - und in die Nähe eines "Deutschland schafft sich ab".
Subtile Verbreitung der geistigen Unsaat im Nachmittagsprogramm...

Ipsissimus
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Mi 10. Aug 2011, 14:26 - Beitrag #4

demagogisch ist er ganz sicher, von daher ist es wohl vertrtbar, ihm frühest möglich zu wehren. Andererseits werden manche Dinge erst zu was, wenn sie Gegenwehr erfahren. Also beobachten und bereithalten^^

Traitor
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Do 11. Aug 2011, 19:39 - Beitrag #5

Hm, mal wieder so eine Publizistik-Figur, von der ich noch nie gehört hatte, die aber eine gewisse Relevanz zu besitzen scheint. Bin ich eigentlich der einzige, der bei Presseerzeugnissen vorrangig auf den Inhalt und nur selten auf den kleingedruckten Namen achtet?

Findet jemand eine Textfassung des Beitrags? Ich kann auf dradio.de leider nur Klonovsky-Beiträge von 2009 und 2010 finden.

Und war Metrosexualität nicht nur mal so vor 5 Jahren ein Modewort, das seitdem glücklicherweise weitgehend ausgestorben ist? Oder befassen sich damit außer ihm noch genügend Kommentatoren, dass es relevant bleibt?

Hey, im Vergleich zum Spiegel gibt der Focus wenigstens nicht vor, etwas zu sein^^
Erschreckenderweise doch, oder zumindest wird er dafür gehalten. Ich kenne relativ viele halbwegs hochgebildete Leute, die den Focus lesen, insbesondere FDP-affine.

janw
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Do 11. Aug 2011, 20:34 - Beitrag #6

Traitor, mir war der Name bisher auch nicht untergekommen, aber das Interview war mir dann doch einen Beitrag dazu wert.
Leider scheint die Sendung "corso" nicht schriftlich archiviert zu werden, vielleicht kann man da aber etwas machen, ich schreib denen mal.

Mit dem Spiegel-Focus-Vergleich meinte ich, daß ersterer immer noch etwas von seiner früheren Relevanz zehrt, während Focus diese allgemeinpolitische Relevanz als Meinungs-Schwergewicht nie so angestrebt hat. Nur "Fakten, Fakten, Fakten" statt Zusammenhänge und publizistisches Engagement.

Ipsissimus
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Fr 12. Aug 2011, 10:47 - Beitrag #7

man wird beiden Journalen, wie auch praktisch allen anderen, wohl kein allzu großes Unrecht zufügen, wenn behauptet wird, dass im Fokus ihrer Aktivitäten die Gestaltung der öffentlichen Meinung steht, oder wie auch immer Manipulation genannt werden soll^^

janw
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Fr 12. Aug 2011, 12:17 - Beitrag #8

Mh, ja, wobei der Spiegel in klassischen Zeiten aber denke ich davon ausging, daß seine Leser wirklich zu viel wussten, um manipulierbar zu sein^^

Ipsissimus
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Fr 12. Aug 2011, 13:00 - Beitrag #9

ich kann das nicht beweisen, aber war der Spiegel nicht schon immer ein FDP-Blatt?^^

janw
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Fr 12. Aug 2011, 13:05 - Beitrag #10

Ich hab ihn früher eher der S-Partei zugerechnet, oder vielleicht liegt der Punkt auch einfach darin, daß sich die FDP gewendet hat und der Spiegel gleich mit.

Lykurg
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Fr 12. Aug 2011, 14:14 - Beitrag #11

Auch wenn der Spiegel früher einmal mehr Wert auf Freiheit legte als die SPD, war er deswegen noch kein FDP-Blatt, die haben doch einen etwas anderen Focus.^^ Augstein bezeichnete den Spiegel als "im Zweifelsfalle links", und auch die diversen Begegnungen mit der Staatsmacht gehen eher in die Richtung. -
Generell geht mir die Aufregung über den Klonovski-Beitrag zu weit, habe ihn mir allerdings nur in Teilen und unkonzentriert angehört, aber für derartige Vergleiche empfehle ich dann doch die Lektüre des originalen Stürmers. Bild

Ipsissimus
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Fr 12. Aug 2011, 15:01 - Beitrag #12

na ja, wenn ich mir die ganzen Beiträge zur Wirtschaftspolitik anschaue, habe ich schon Mühe, etwas zu finden, was ich nicht der FDP zurechnen würde^^ aber vielleicht täuscht auch die Erinnerung, und früher war das anders^^

janw
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Fr 12. Aug 2011, 18:08 - Beitrag #13

Ich meine, der Spiegel war früher schon anders, wenn ich allein die Berichterstattung über Kohl betrachte, oder erst recht die anfänglichen Geschichten um Wiederbewaffnung und die Affäre Augstein. Auch noch die Berichte über die Abzockerei des Ostens nach der Wende.
Irgendwann dann ist es aber gekippt.

Lykurg, als ich das Interview hörte, kamen mir unwillkürlich zeitgenössische Äußerungen von Nazi-Propagandisten in den Sinn, die über die "Verweichlichung der deutschen Jugend" und Verwandtes schwadronierten.
Mag sein, nicht direkt im Stürmer, aber vielleicht im Bürgerbräu-Keller oder sonst im Umfeld, aber das ändert nichts an der Giftigkeit des Giftes.

Wenn Werte des Zusammenlebens als iirc "rot-grüne Deeskalationssoße" bezeichnet werden, dann ist für mich der gedankliche Weg nicht mehr übermäßig weit zu etwas von der Art "Die *soziale Gruppe einsetzen* sind ein Ferment der Dekomposition".

Traitor
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Fr 12. Aug 2011, 19:32 - Beitrag #14

Früher war der Spiegel ganz definitiv links, und auch durchaus nicht nur generellideologisch, sondern auch durchaus SPD-nah. Zu Schröder-Zeiten gab es dann eine gewisse Absetzung, aber sicher nicht zur FDP hin. Eine Zeit lang haben ja alle Medien der FDP mehr oder weniger zugejubelt, als diese halt gerade in Mode war, aber das ist ja schon wieder lange vorbei. Und auch in der Hochphase war der Spiegel noch eher mitte-links, wo ich ihn auch jetzt noch verorten würde. Der Focus dagegen ist ganz klar schwarz-gelb, mit Tendenz zu gelb.

Wenn Werte des Zusammenlebens als iirc "rot-grüne Deeskalationssoße" bezeichnet werden, dann ist für mich der gedankliche Weg nicht mehr übermäßig weit zu etwas von der Art "Die *soziale Gruppe einsetzen* sind ein Ferment der Dekomposition".
Das ist ja eben das Problem an der ganzen Debatte, ebenso wie bei Sarrazin - der wahre Kern ist, dass Rot-Grün da tatsächlich eine Sauce fabriziert (hat). Das zu konstatieren, ist völlig korrekt. Verurteilenswert wird es erst, wenn die Schuld daran nicht den Saucenköchen, sondern den Einwanderern per Einwanderertum zugeschoben wird. Was leider auch fast jeder, der mit so einer Feststellung an die Öffentlichkeit geht, umgehend macht.

Ipsissimus
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Mo 15. Aug 2011, 13:38 - Beitrag #15

sorry^^ ich sehe keinerlei Möglichkeit, den Spiegel für mich als links zu deuten. Wo der Spiegel staatskritisch war oder ist, war und ist er es nicht aus linker Gesinnung, sondern aus beleidigter Eitelkeit der nichtpolitischen Eliten. Beim "links sein" geht es eben nicht um beliebige Kritik am Staat, sondern um Kritik aus den richtigen Gründen

janw
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Mo 15. Aug 2011, 14:53 - Beitrag #16

Du meinst, das Anliegen war nicht die Kritik und das Ziel besserer Verhältnisse, sondern das Gefühl, "mitzureden", dabei zu sein?

Ipsissimus
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Mo 15. Aug 2011, 15:24 - Beitrag #17

nein, das Anliegen war immer "unsere Privilegien sind in Gefahr, das muss anders werden, also lasst uns den Staat in Richtung neolib ändern"

janw
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Mo 15. Aug 2011, 15:28 - Beitrag #18

Aber in den 60ern und 70ern?

Ipsissimus
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Mo 15. Aug 2011, 15:33 - Beitrag #19

da sicher nicht so offensichtlich, und infolge des Überdauerns von Nazifunktionären in Staatsämtern und Bürokratie gab es in diesem Zeitraum ja auch noch genug explosive Situationen, die die Konzentration lokal banden und weniger strategische Möglichkeiten boten. Andererseits, wann wurden die Grundlagen des neolib in Deutschland vorbereitet? Das reicht sehr weit zurück.

Traitor
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Di 16. Aug 2011, 10:47 - Beitrag #20

Ipsi, es gibt nicht nur Dagegen-Links, es gibt auch Staatslinks, und dazu passt der Spiegel schon. Und neoliberal ist er auch zumindest weniger als viele andere Medien, wenn auch sicher mehr als die taz. ;)

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