John Kelly ist Taxifahrer, er hat einen Nacken wie ein Bulle, und seine Hände sind Pranken. In der Küche seines winzigen Hauses kann er sich kaum umdrehen. Nach oben geht er nur ungern, denn dort ist alles voll mit den Akten des Verbands, den er gegründet hat: der "Survivors of Child Abuse" (Soca), der Opfer der kirchlichen Kinderschänder.
Rund 4500 Mitglieder hat Soca inzwischen. Knapp 15.000 Opfer gibt es insgesamt, die meisten sind heute ältere Männer, die nicht vergessen können und jetzt nicht mehr verdrängen wollen.
Kelly und die Chefs anderer Verbände haben einen Skandal vorangetrieben, der nun Irland erschüttert. Am 20. Mai hat eine unabhängige Untersuchungskommission ihren Bericht vorgelegt. Neun Jahre lang ermittelten Experten unter Führung der Richter Mary Laffoy und Seán Ryan, was jahrzehntelang geschehen ist in Irlands Kinderheimen, in Waisenheimen, Gewerbe-Internaten, in Besserungsanstalten für Jugendliche - allesamt finanziert vom Staat, betrieben aber von 18 katholischen Orden wie etwa den "Christian Brothers". Die Orden sind die Hilfstruppen der irischen Kirche: Tausende Männer, nicht zu Priestern geweiht, die aber leben wollen wie Mönche.
Die Ordensbrüder haben Kinder geschlagen, gequält, vergewaltigt. Sie ließen sie hungern und frieren, und manche der Gottesmänner haben die Lederriemen ihrer Peitschen mit Salz eingerieben, damit jeder Schlag lange brennt. "Das waren katholische Konzentrationslager, der irische Archipel Gulag", sagt Kelly.
Bald schon wird eine zweite Untersuchungskommission, geführt vom Justizministerium, ihren Bericht vorlegen. Er soll enthüllen, wie Priester und Mönche nicht nur in geschlossenen Heimen Kinder misshandelten, sondern auch in den Gemeinden, mitten in der Gesellschaft, bis ins Jahr 2004. Um die 500 Täter werden darin wohl genannt, allein in der Erzdiözese Dublin. Es geht auch um die Kirchenführer, die ihre Kinderschänder schützten.
Und dann sollen Fahnder und Ankläger die Täter jagen, das hat Premierminister Brian Cowen am Mittwochabend Kelly und den anderen Opfervertretern bei einem Kaffee in seinem Büro versprochen.
Es geht auch um anderes als Schuld und Sühne - um enorme Schmerzensgelder zum Beispiel: Über 1,1 Milliarden Euro hat die Regierung den Opfern schon gezahlt, um Massenprozesse zu vermeiden. Es hat nicht geholfen. Nun kämpfen Staat, Kirche und Opfer darum, wie viele hundert Millionen es noch werden und wer sie bezahlt.
Es geht aber auch um das Selbstverständnis Irlands, wo die Kirche noch mächtig ist wie in keiner anderen westlichen Demokratie. Diese Macht schwindet jetzt von Tag zu Tag.
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,628939,00.html
Der Bericht der Kommission unter http://www.childabusecommission.ie/
sehr schön finde ich die Begründung der Zahlungen^^ um Massenprozesse zu verhindern