Wo sind die großen Geister?

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Krautwiggerl
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Mo 4. Aug 2003, 20:45 - Beitrag #21

Hauptsache aus uns ist was geworden, so oder so :D
Nein, im Ernst, was Lehrmethoden angeht, so bin ich kein Experte drin. Kann von seiner Erfahrung ausgehen, aber ob man auf Basis desselben ein endgültiges Urteil fällen kann? Vielleicht braucht's das auch nicht. Wenn ich mal alles zusammenfasse, so sind wir uns, glaube ich, einig, dass es so schlimm nicht ist, wie die provokante Eingangsthese es darstellen will. ;)

Thod
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Mo 4. Aug 2003, 20:54 - Beitrag #22

ich denke, jeder muss sogar von seinen erfahrungen ausgehen. hier muss ich dir einerseits zustimmen: so schlimm ist alles gar nicht. heute wie früher gab es kluge und weniger kluge, und unabhängig davon gute und schlechte menschen.

dennoch: wir haben in bisher ungekannter weise den anspruch auf eine massenbildung. und gerade hier scheint sich mir imho nichts geändert zu haben, ausser dass man schwerer spreu vom weizen trennen kann.

um meine these aber doch noch ein wenig expliziter zu verteidigen, möchte ich schon noch anmerken, dass das auswendiglernen etwas ist, was unsere heutigen gebildeten von den früheren unterscheidet. ich denke nicht, dass sich dies nicht auch äussert, und ich habe da durchaus meine vermutungen, wie es das tut ;)

gruss,
thod

Krautwiggerl
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Mo 4. Aug 2003, 20:59 - Beitrag #23

Die heutige Massenbildung hat auch in den Augen einiger Leute dazu geführt, dass das Niveau der Universitäten gesunken ist.
Das mal als weiteren Diskussionsanstoß.

Feuerkopf
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Mi 6. Aug 2003, 01:15 - Beitrag #24

Ein Aspekt ist noch nicht angesprochen worden: Die Neugier.

Es war oft die Freude am Neuen, am Unbekannten, die Fähigkeit, um die Ecke zu denken, die zu großen neuen Ideen geführt hat.

Wenn ich mich darauf beschränke, mich mit bereits gedachten Gedanken und Modellen vollzustopfen, so blockiere ich mir u. U. den unverstellten Blick auf ein nachdenkenswertes Phänomen.

Es ist auch oft das Einfache, das inspiriert. Ich habe eine große Abscheu vor Wortgeklingel, vor selbstverliebtem Fachgeschwafel, vor Elfenbeintürmen. Dort ist es einsam. Dort wird man keine Inspirationen finden.
(Jetzt schwafel ich. ;) )

Warum gibt es so wenige "große Frauen"? Nun, it's a man's world, Jungs.
:s126:
Die Geschichte wurde von Männern geschrieben, von Männern gemacht. Es wurden auch viele Frauen "unterschlagen", weil sie nicht ins Bild passten.

Padreic
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Mi 6. Aug 2003, 22:38 - Beitrag #25

@Krauti
Besonders im größeren Zusammenhang betrachtet, ist dein Argument sicher ein wichtigeres. Früher spielten auch Privatlehrer eine viel größere Rolle. Den großen Komponisten hat es sicher gut getan, dass sie bei anderen guten Komponisten und Musiktheoretikern gelernt haben (z. B. Beethoven erst zwar nur bei dem eher unbedeutenden Neefe, dann aber bei Haydn und Salieri). Oder was ich darum geben würde, vor hundert Jahren in Göttingen gewesen sein zu können, wo so bedeutende Geister der Mathematik gelehrt haben, wie man heute Mühe hätte, sie auf der ganzen Welt zusammenzukratzen.
Allgemein kann man wohl sagen, dass, auch wenn für die Massen die Ausbildung ohne Zweifel besser geworden ist, sie für die Eliten eher schlechter geworden ist. In früheren Jahrhunderten passierte es auch nicht selten, dass ein besonders begabter Geist mit 16 oder so die Schule verließ und zur Universität ging. Zum Glück gibt es wieder Bestrebungen, Leuten zu ermöglichen, den normalen Bildungsweg zu verkürzen, aber das ersetzt natürlich auch keine erstklassigen Universitäten. Bezüglich des Sinkens des Niveaus von Universitäten muss man aber vielleicht die Elite-Unis im Ausland ausnehmen, da in diesen durchaus noch ein hohes Niveau herrscht, weil diese sich die Studenten aussuchen können.

@Feuerkopf
Bezüglich der Neugier kann ich dir wohl zustimmen. John Nash (zwar nicht ein ganz großer Geist, aber zumindest ein genialer Mathematiker) ist da ein ganz gutes Beispiel: Er las während seiner Studienzeit kaum Bücher und ging nicht viel zu Vorlesungen, weil er meinte, dass dies seiner Kreativität schaden würde. Stattdessen erarbeitete er sich vieles selbst oder fragte bei Bedarf Professoren. Auch wenn dies in dieser Extremität vielleicht nicht so viel Sinn macht (jedenfalls bei nicht ganz so seltsamen Menschen ;)), halte ich es im Wesentlichen für gar nicht so absurd.

Deine Begründung mit "it's a man's world" halte ich für etwas zu kurz gegriffen. Sicher hat dies einen großen Anteil, aber die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau spielen da, wie in einem anderen Posting schon angedeutet, doch IMHO eine nicht unwesentliche Rolle.

Padreic

P. S. Ich verabschiede mich dann mal für 2,5 Wochen nach Marburg. Eine schöne Zeit bis dahin!

Feuerkopf
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Mi 6. Aug 2003, 22:45 - Beitrag #26

Padreic verweist auf einen Beitrag, in dem die vermeintlich unterschiedlichen Begabungen von Männern und Frauen angesprochen werden.

Da ich auf einem reinen Mädchengymnasium war, kann ich nur sagen: Wir hatten sehr begabte Naturwissenschaftlerinnen in unserer Jahrgangsstufe.
Was wohl tatsächlich unterschiedlich ist, ist der Zugang zu bestimmten Lerninhalten. Da wir aber überwiegend weibliches Lehrpersonal hatten, gab es da keine nennenswerten Schwierigkeiten.

Aber das ist ein anderes Thema...

Krautwiggerl
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Do 7. Aug 2003, 09:54 - Beitrag #27

Bei der Beurteilung der Unis im Ausland wär ich vorsichtiger. Auch bei denen, die gemeinhin als Elite gelten (liegen ja alle im anglo-amerikanischen Kulturraum), war bei objektiven Tests (das harte Wissen/Können) der Abstand zwischen deren Studenten und unseren nicht so wahnsinnig groß. Hier macht der Name oft noch viel aus (Ehrfurcht), ausserdem die (angebliche) Tatsache, dass sich diese Leute (kultur-/historisch bedingt) einfach besser verkaufen können. Das glaube ich gern, sieht man mal die geringe Rolle an, die das eigentliche Können bei der Einstellung und beim Hinaufklettern der Karriereleiter noch hat.

Thod
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Do 7. Aug 2003, 11:59 - Beitrag #28

nun, liebe feuerkopf. wenn es denn ein anderes thema ist, sollte man es hier zwar nicht ausführen. dennoch denke ich, kann man durchaus einen bogen spannen.

auf die frage, warum es keine grossen geister mehr gäbe, antwortest du sinngemässe, weil es eine welt der männer ist.

wenn ich das so richtig verstehe, musst du mir den bezug erläutern. ist die welt früher eine welt der männer gewesen und hat es deshalb grosse geister gegeben, oder gibt es heute keine, weil es eine welt der männer ist? anders könnte es auch sein, dass es früher keine welt der männer war, und es darum grosse geister gab? an kombinationen sind da ja einige möglich.
was allen gleich ist: hier wird ein zusammenhang zwischen dem geschlecht und dem geist gemacht, der entsprechend gross sein kann. hierin sehe ich auch den schlüssel:
wenn man geist als eine dem männlichen oder weiblichen chaisma ensprechende ausprägung auffasst, dann kommt man zu diesem zusammenhang. die frage hier wäre also zu erleutern, was einen grossen geist damals ausgemacht hat, bzw. was das eigentlich ist: ein grosser geist.

ich denke, wir haben in diesem zusammenhang einen sehr maskulinen begriff geisiger fähigkeiten, so dass wir den aspekt von geist, der dem männlichen charisma entspricht, gleich für den gesamten halten. dies ist sicher ein fehler, und da mag der grund dafür liegen, dass du dich in einer "männerwelt" fühlst.
es wäre also imho sinnvoll, sich zu überlegen, was den das weibliche charisma des begriffes geist ist, und hier nach frauen zu suchen, die das verwirklichen.

nebenbei: ich empfinde unsere heutige gesellschaft als absolut weiblich dominiert. die männlichen aspekte haben sich in die naturwissenschaften u.a. zurückgezogen, wo sie aber kaum eine verbindung zur gesellschaft mehr haben. (populärwissenschaften würde ich auch eher wieder der weiblichen domäne zuordnen...)

gruss,
thod

Feuerkopf
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Do 7. Aug 2003, 23:43 - Beitrag #29

Thod,
mein "it's a man's world" bezog sich eigentlich nicht auf die intellektuellen Unterschiede, sondern eher darauf, warum Frauen zumindest "damals" und heute leider auch noch verbreitet erst gar keinen Zugang zu Bildungsstätten bekamen und bekommen. In Mitteleuropa mag es ja noch einigermaßen offen sein, doch es gibt nach wie vor viele Kulturen, die die Bestimmung der Frau im Kindergebären und in der Haushaltsführung sehen.

Wenn Geschichte männerdominiert ist, so werden Frauen, die was drauf haben, entweder nicht ernst genommen oder als Bedrohung aufgefasst. Es sind viele talentierte Frauen einfach unterschlagen worden.

Und nach wie vor ist es sehr schwierig für Frauen z. B. eine Professur oder eine führende Position in Politik oder Wirtschaft zu bekommen. Niemand kann mir erzählen, dass es keine geeigneten Kandidatinnen gäbe. Aber mächtige Männer wissen ihre Pfründe und Kameradschaften trefflich zu verteidigen...

Ich gebe Dir recht, dass vordergründig Frauen stellenweise zu dominieren scheinen. Doch wenn Du genau hinsiehst, dann sind die Schaltstellen weitgehend von Männern besetzt und Frauen dürfen als schmückendes, wenn auch kompetentes Beiwerk dabei sein.

Wenn der Bericht im letzten Stern stimmt und Erfolg letztlich doch von Beziehungen und der richtigen Familie abhängt, dann können "Underdogs" noch so helle sein: ihnen fehlen einfach die richtigen Verbindungen.

Doch, ich denke, es gibt auch heute große Geister. Aber sie sind nicht mehr so epochenbildend wie die Denker vor zwei-, dreihundert Jahren. Wie gesagt: Man kann das Rad nicht zweimal erfinden und auch die physikalischen Gesetze sind weitgehend bekannt. Auch dürften die meisten Tonkombinationen in der Musik bereits gesetzt sein und auch in der bildenden Kunst gibt es keine Barrieren, die niederzureißen sind. Alles ist eben erlaubt.

Brauchen große Geister Reibungsflächen und Widerstände?

Thod
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Fr 8. Aug 2003, 10:32 - Beitrag #30

ich hatte halt versucht, den "mans-world" aspekt zu den grossen geistern in bezug zu bringen. ansonsten werden wir hier imho doch sehr off topic.
[ot]dass männer schlüsselpositionen besetzen, sagt gar nichts darüber aus, dass ob die gesellschaft männlich geprägt ist. diese sind imho zwei paar schuhe. alle ausdrucksformen unserer heutigen westlichen gesellschaft im öffentlichen leben sind stark feminin. maskulines auftreten ist weitgehend sogar geächtet, bzw wird nur am rand der gesellschaft quasi als fehlform angesehen. dies sowohl bei männern als auch bei frauen. dabei gehe ich natürlich davon aus, dass androgynität ein weibliches merkmal ist...[/ot]
dass grosse geister heute keine epoche mehr machen, mag stimmen. allerdings gebe ich da schon zu bedenken, dass man epochen erst im nachhinein bestimmt. es gibt auch heute menschen, die "epoche machen" ob sie allerdings grosse geister sind, mag dahingestellt sein...

gruss,
thod

e-noon
Sterbliche
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Di 27. Sep 2011, 17:42 - Beitrag #31

Ich denke, insbesondere in Literatur und Musik, vielleicht auch in der Mathematik und Philosophie, ist es deutlich anders, als bisher vermutet wurde. Es gibt nicht weniger große Geister als früher, sondern mehr; und groß wurden die Kulturträger früherer Zeiten für uns nicht nur dadurch, dass sie hervorragendes geleistet haben, sondern ebenso dadurch, dass ihre Mitstreiter, ihre Konkurrenten, Menschen, die in den Augen ihrer Zeitgenossen ebenso Großes oder Größeres noch geleistet haben, später vergessen wurden. Jene, die nicht vergessen wurden, ragen für uns Spätgeborene mit einer Eindeutigkeit aus der unbekannten Masse heraus, die für die Zeitgenossen einfach nicht gegeben war.

Nahezu jeder Deutsche hat etwas von Goethe oder Schiller gelesen; aber wer kennt auch nur den vollen Namen von Christoph Martin Wieland? Auch war Shakespeare, der wohl von jeder Nation zu den größten unter den Literaten gerechnet wird, in manchen Epochen kaum be- oder sogar verachtet. Die Nachwelt wird sich aus der Fülle der heute lebenden Kreativen auf allen Gebieten jene herauspicken, die ihren Kanon bilden sollen, und wird dabei vermutlich ebenso willkürlich, von persönlichen Wertungsmustern und politischen Zufälligkeiten geleitet vorgehen, wie jede Generation das getan hat.

Goethe selbst wäre übrigens auch gern ein Universalgenie in den Naturwissenschaften gewesen, hat aber letztlich doch vor der „millionenfachen Hydra der Empirie“ kapituliert.

Maglor
Karteizombie
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Di 27. Sep 2011, 20:18 - Beitrag #32

Wenn die Sonne der Kultur niedrig scheint, werfen selbst Zwerge lange Schatten...
Man darf sich durch die großen Geister von einst nicht täuschen lassen.
Zumindest in Europa stehen und Bildung und Forschung auf breiten Füßen. In der Masse der Köpfe gibt es keine Leuchttürme mehr. Ein einzelner Tausendsassa wie Goethe kann nicht mehr länger Generationen und Epochen prägen, hier mit Dramen, da mit Evolutionstheorie am Ende gar einer Lichttheorie seine Jünger begeistern. Ich glaube auch nicht, dass sich heutige Mitdenker so sehr von Idolen beeinflussen wie die Intellektuellen von einst, die sich wie die Planeten um eine Sonne aufreiten, nur um vom Lichte Goethens angestrahlt zu werden.

Anzumerken ist sicher noch, dass die heutige Wissenschaft nicht mehr so lustig ist, sondern sehr speziell. Die heutige Forschung und Theoriebildung findet abseits der Erlebniswelten der Außenstehenden statt.

Ein letztes Aufblühen alter Großgeister gab es noch Mitte des 20. Jahrhunderts. Albert Einstein wirkte nicht nur als Physiker, sondern auch quasi fachfremd als Humanist und Zeitkritiker. Selbst die Werke Theodor W. Adorno wirkten noch tief in die Gesellschaft der 60er und 70er.
Derartige Popularität erreicht heute wirklich niemand. Stattdessen wirken heute die Abziehbilder der Medien auf das Volk ein und haben die wahren großen Geister ersetzt.
Ehrfurcht und Kult sind der Unterhaltungsindustrie gewichen.

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 29. Sep 2011, 16:20 - Beitrag #33

"Größe" ist seit je eine suspekte Kategorie und gehört eher dem Reich der Legenden- und Heroenbildung an, statt eine sachlich belastbare Aussage über die Qualität der Arbeit eines Menschen zu geben.

Davon abgesehen: wer ist der größte aller Menschen? Ganz einfach, ich. Denn ohne mich gibt es nichts auf der Welt, jedenfalls nicht für mich.

Da das wiederum für alle Menschen hinsichtlich ihrer selbst gilt, folgert daraus, dass Vergleichbarkeit nur ein wohlfeiler kommerzieller Wunsch ist, ohne jede Aussagekraft bezüglich individueller Leistungen.

Ein Volldebiler mit einem IQ von 65 vollbringt möglicherweise eine größere Lestung, wenn er 3 einstellige Zahlen richtig addiert, als ein Hyperintelligenter, als er die Relativitätstheorie entwickelte

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