Das Model Gottes

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Padreic
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Mi 28. Dez 2011, 19:31 - Beitrag #21

Ein Kindesmissbrauch, in dem ein Kind gezeugt wird, ist wohl einer der wenigen Fälle, wo die Beweislage eindeutig ist. Eine Vergewaltigung, bei der Gewalt angewendet wurde und die unverzüglich angezeigt wurde, ist zumindest nahe dran. Viele andere Fälle basieren aber rein auf der Aussage des Opfers. Eine Verurteilung nur auf dieser aufzubauen ist immer schwierig - ohne Zeugenaussage vor Gericht unmöglich. Wie willst du gerichtsmedizinisch einen frewilligen Sexualverkehr von einem unter Drohungen geschehenen unterscheiden, besonders wenn die Anzeige Monate später geschah?

Erwachsene (nicht geistig Behinderte) wissen immerhin selbst, ob sie vergewaltigt wurden oder nicht und man könnte vielleicht mit höherer Strafe bei Falschanzeigen dafür sorgen, dass in anderen Fällen eine Verurteilung von Vergewaltigern leichter möglich ist. Bei lange zurückliegendem Kindesmissbrauch ist den Kindern selbst manchmal kaum klar, ob sie missbraucht wurden oder nicht...

Wie gesagt, ich verstehe deinen Zorn über den ungesühnten Kindesmissbrauch. Aber wäre er so viel geringer bei einem ungesühnten Totschlag? Oder sollte man bei beidem die Verjährung verlängern?

Edit: Das muss alles als kalt und mitleidslos erscheinen...und selbst wenn es das ist: Mitleid macht nicht die beste Politik.

Ipsissimus
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Mi 28. Dez 2011, 20:47 - Beitrag #22

wie gesagt, ich bezweifele, dass dieses Urteil von der Person des Richters unabhängig ist. Nicht umsonst will die Staatsanwaltschaft das Urteil anfechten.

Bzgl. Möglichkeiten, das herauszufinden - es gibt Lügendetektoren, die weitaus weniger krude arbeiten als ihre Kollegen aus einschlägigen Hollywoodfilmen. Wenn man diese Geräte in der Grauzone einsetzen kann, warum dann nicht mal was sinnvolles mit ihnen machen? Das ist aber nur ein Vorschlag. Eigentlich müssten sich kritische Kriminologen über sowas Gedanken machen; "kritische" deswegen, weil die anderen ohnehin nur wieder auf mehr Überwachung und härtere Strafen plädieren werden.

Der Zorn richtet sich natürlich in diesem Fall gegen den Fall. Aber er meint eigentlich etwas Umfassenderes; es hat in Deutschland System, den Opfern von sexuellem Missbrauch keine Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Padreic
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Mi 28. Dez 2011, 21:00 - Beitrag #23

wie gesagt, ich bezweifele, dass dieses Urteil von der Person des Richters unabhängig ist.
Dass es von der Person des Richters abhängt, da stimme ich dir vollkommen zu. Vieles ist Einschätzungssache, einzelne Richter bewegen sich manchmal sogar an der Grenze der Rechtsbeugung, in welche Richtung auch immer. Ohne Zweifel hätten manche Richter auch in diesem Fall anders geurteilt.

Bzgl. Möglichkeiten, das herauszufinden - es gibt Lügendetektoren, die weitaus weniger krude arbeiten als ihre Kollegen aus einschlägigen Hollywoodfilmen.
Wenn der Test auf Freiwilligkeit beruht und bei (geistig gesunden) Erwachsenen durchgeführt wird, meinetwegen (obwohl es nach Urteilen des BGH in Deutschland rechtlich wohl de facto nicht möglich ist). Ich befürworte auch sicherlich Verbesserungen des Gutachtenverfahrens zur Glaubwürdigkeit; ich denke, es gab sogar schon einige Verbesserungen, z. B. das Bewusstmachen der Gefahren von suggestiven Befragungen.

Aber er meint eigentlich etwas Umfassenderes; es hat in Deutschland System, den Opfern von sexuellem Missbrauch keine Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Das bedürfte eines Nachweises und einer Konkretisierung. Von Seiten der Gesellschaft, von Seiten der Behörde, beides?

Ipsissimus
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Do 29. Dez 2011, 14:42 - Beitrag #24

wenn es im Sinne eines unanfechtbaren mathematischen oder wenigstens juristischen Beweises bewiesen werden könnte, hätten das andere schon längst getan. Ich kann nicht viel mehr, als versuchen, den Gedanken plausibel zu machen, und dazu brauche ich erst mal nicht viel mehr, als auf deinen Eintrag vom 27.12.2011 um 16:07 zu verweisen, der die Dinge aus der positiven Perspektive formuliert.

Nun führen diese dort angeführten wundervollen Werkzeuge des Täterschutzes, je häufiger sie angewandt werden, umgekehrt eben dazu, dass immer mehr Opfern keine Gerechtigkeit zukommt. Ja, es mag sein, viele Straftaten verjähren. Also bleiben die Opfer ungesühnt und die Täter kommen davon. Mag sein, das ist aus juristischer Sicht bedauerlich aber unvermeidbar, jedenfalls ist es Fakt.

Ab wievielen solcher Fälle sagen wir, es sei System und nicht mehr bloß bedauerlicher, aber vom Opfer hinzunehmender Einzelfall?

Ja, mag sein, manche oder viele Opfer sind nach der Tat so schwer traumatisiert, dass sie zur Tat nur stotternd oder bruchstückhaft aussagen können. Wenn das dazu führt, bedauernd zu sagen, dass der Täter dann eben nicht belangt werden kann, nenne ich das öffentliche Verhöhnung der Opfer und Versagen der Strafverfolgungsbehörden. Man braucht nicht unbedingt die Aussage eines Opfers vor Gericht, wenn das Opfer die Konfrontation mit seinem Peiniger nicht erträgt. Man könnte, wenn man wollte, auch Aussagen des Opfers im Rahmen seiner Therapie zur Kenntnis nehmen.

Man könnte sehr.viel.mehr. tun, als getan wird.

Die Voraussetzung dazu wäre es, Opfer von Sexualstraftaten ernst zu nehmen. Das hat sich verbessert in Deutschland, ist aber weit davon entfernt, auch nur gut zu sein, geschweige denn ideal. Die Justiz hat sich im status quo eingerichtet, es ist schließlich nicht der Richter oder der Staatsanwalt, die mit den Folgen ihrer Urteile leben müssen.

nota bene: ich teile nicht die in den letzten Jahren zunehmend gehörte Forderung aus feministischen Kreisen, bei Sexualstraftaten Beweislastumkehr anzuwenden. Aber allein der Umstand, dass diese Forderung - praktisch nur von Frauen - ernsthaft diskutiert wird, zeigt aus meiner Sicht, wie verzweifelt die Lage vieler Opfer ist, und wie alleingelassen sie sich fühlen, von der deutschen Justiz, mit all deren hehren rechtsstaatlichen Prinzipien.

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