Gegenfrage - wie sieht es mit der Abgrenzung zu "
Literatur, was will sie? Was dient ihr?" aus? Willst du das ganze Thema hier neu aufrollen, oder sollen wir uns stattdessen lieber auf die Literarurwissenschaft konzentrieren?
Zu meinen Gesichtspunkten zur Literatur selbst also erstmal nur ein Verweis auf jeden Thread, im Zweifel sind aber auch Details ab Lager lieferbar.
Dann würde ich auch noch gerne hören, worin eurer Meinung nach die Aufgabe der Literaturwissenschaft(en) besteht - reine Analyse oder auch Interpretation und Deutung, Umdeutung, Erschließung für heutiges Publikum auch im Sinne der Zerpflückung des Werkes?
Kann es "reine" Analyse oder Interpretation und Deutung geben? Meines Erachtens nur in wenigen, sehr sachlichen Aspekten. Aber selbst die klassische Stilanalyse kommt oft zu zwiespältigen, deutungsbedürftigen Ergebnissen. Ohne Deutung geht es also nicht. Umdeutung wiederum ist eigentlich fast jede Deutung in gewissem Maße, es sei denn, sie kann sich auf explizite Sekundäraussagen des Autors berufen. Bewusste Umdeutung entgegen sehr offensichtlichen Tendenzen des Werkes sollte aber doch besser unterbleiben. (Soviel schonmal zu den "Strömungen".) Erschließung für heutiges Publikum ist wichtig, gerät aber oft auch in Gefahr, umdeutend zu wirken, beispielsweise die hier irgendwann schonmal diskutierte Frage, ob Shakespeare in heutiger Volkssprache näher an der Originalrezipierbarkeit wäre als in der zur Liturgiesprache gewordenen Originalsprache. "Zerpflückung" schließlich ist wahlweise ein Zeichen schlechter Analyse, oder ein beliebtes Mittel zur Umdeutung.
Und schließlich noch (in Bezug auf die obige Frage) welcher Art die Ergebnisse sein sollen, die die Literaturwissenschaft produziert, sollten sie ein größtmögliches, aber neutrales Verständnis des Werkes ermöglichen, oder auch mögliche Lesarten und Interpretationen herausarbeiten, gar eine Aussage oder womöglich sogar (appellative) Botschaft des Werkes bestimmen?
Aussagen muss ein Werk schon selbst machen. Nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise bei sehr alten oder fremden Kulturen entstammenden Werken die Aussage auf Symbolen oder Anspielungen basiert, die die meisten Leser nicht verstehen, kann und/oder sollte die Literaturwissenschaft "bestimmend", oder eigentlich lieber nur klärend, tätig werden. Ansonsten ist, wie gesagt, rein neutrale Analyse kaum möglich, eine größtmögliche Annäherung daran aber wünschenswerter Ansatz.
Und was haltet ihr von modischen Strömungen in der Literaturwissenschaft, von freudianischen/genderzentrierten/queerstudiesmotivierten/poststrukturalistischen/konstruktivistischen Theorien, die auf Literatur angewandt werden?
[spoiler]Nichts.[/spoiler]
@Amely: Fachliteratur trägt zwar eine "-literatur" im Namen, fällt aber ziemlich sicher nicht unter e-noons Literaturbegriff. Ratgeber im Besonderen könnte man aber vielleicht durchaus gewinn- oder zumindest spaßbringend unter literaraturwissenschaftlichen Gesichtspunkten interpretieren.
Und literaturwissenschaftliche Analyse wissenschaftlicher Werke dürfte sogar wirklich ein spannendes Feld sein, ich frage mich, ob da eigentlich im Grenzgebiet zur Wissenschaftsgeschichtswissenschaft (geht das schon wieder los...) irgendwo eine Orchidee blüht...
"Literatur ist etwas wundervolles" ist schön gesagt, aber dann sprichst du von "nützlichen Seiten". Schnöder Nutzen ist doch gerade nicht "wundervoll". Sicher zieht man aus mancher Literatur auch konkreten Nutzen, aber meistens ist sie doch nur für das Wunder an sich da und wird auch dafür konsumiert.