@Anaeyon:
Ich habs nicht so mit präzisen Definitionen, vll. benutzt du die Wörter anders als ich oder betrachtest alles davon als "Gedanken", aber bei Gedanken spreche ich in erster Linie von den ausformulierten Sätzen die ich sage, ohne den Mund dabei zu öffnen.
Ok, das ist der Hauptunterschied in unseren Begriffsverwendungen, ich würde auch unformulierte Überlegungen und ganz diffuse, sogar semibewusste, Assoziationen, noch als Gedanken zählen. Und wenn man die inklusive der Erinnerungs-"Registerzugriffe" mit überwacht, dann hätte man so ziemlich den gleichen Eindruck von einem Charakter wie dessen Inhaber selbst.
@Amely:
Manchmal stelle ich noch untypischere Fragen wie z.b. "Wenn du dein Lebensgefühl beschreiben könntest, als sei es ein Bild oder eine Szene, was wäre es?".
Spannende Frage, wäre vielleicht einen Extra-Thread wert?
Das Handeln - wie man sich gibt und das Menschen -sowie das Weltbild eines Menschen - sind meiner Meinung nach viel entscheidender als die Gedanken eines Menschen um seinen Charakter zu erkennen.
Das konkrete Handeln in Einzelsituationen ist aber auch eine sehr selektive und, je nach Kontrollgrad, positiv oder negativ verfälschte Ausdrucksform des Charakters. Einer halbwegs umfassenden Beurteilung eines Charakters kann man sich nur durch langwierige Beobachtung, Gespräche und Analye annähern. Und selbst dann kann man noch essentielle Bestandteile übersehen, weil diese sich nur im Inneren abspielen und erst in Situationen, die man noch nicht kennt, der Außenwelt offenbar würden.
Um auch auf positiv und negativ noch mal einzugehen:
Das ist so eine Erklärung, die ich mir selbst gebe, wenn ich mir Gründe dafür suche, weshalb Menschen zu schlimmen Grausamkeiten an anderen Menschen fähig sind. So habe ich mir gesagt, dass aus irgendeinem Grund die negative Seite ausgebrochen ist oder entfesselt wurde.
Viele Grausamkeiten entstehen auch im guten Glauben der Menschen, etwas Gutes zu tun. Viele sind einfach nur unglückliche Zufälle oder folgen aus ehrlichen, wenn auch dummen Fehleinschätzungen. Das klassische Konzept des moralisch Bösen, dem dein inneres "Negatives" recht nahe kommt, greift meines Erachtens viel zu kurz, um die Vielfalt menschlichen Verhaltens zu erklären. Und auch für eine persönliche Bewertung des Verhaltens und Charakters von Mitmenschen ist es oft hilfreich, erstmal neutral zu verstehen zu versuchen, was die Beweggründe sind, ohne direkt aus einer negativen Folge auf eine innere negative Kraft zu schließen.
@Ipsissimus: Für die Charakterfrage muss man wohl nicht bis zum strengen, kausalen Determinismus gehen. Die Frage ist eigentlich nur, inwiefern die höheren Hirn- bzw. Bewusstseinsfunktionen das Verhalten steuern (du brachtest ja auch Pathologien als Gegenbeispiel). Ob die dann physikalisch und/oder philosophisch im Detail frei oder determiniert sind, ist für die Praxis wenig relevant.