Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), eine private Stiftung, die in Deutschland die Verteilung koordiniert und für mehr Organspenden wirbt, stellt dazu lapidar fest: "Das Gehirn ist übergeordnetes Steuerorgan aller elementaren Lebensvorgänge. Mit seinem Tod ist auch der Mensch in seiner Ganzheit gestorben."
Für den Kardiologen Paolo Bavastro aus Stuttgart ist die Sache hingegen nicht so einfach und bereits der Begriff Hirntod eine "arglistige Täuschung". Vielmehr handele es sich bei "Menschen im Hirnversagen um schwerstkranke, sterbende Menschen, aber noch keine Toten", wie er mehrmals dargelegt hat. Daraus folgt: "Sonst könnten wir auch keine lebensfähigen Organe aus einem toten Menschen entnehmen. Wir brauchen lebendige Organe aus einem noch lebenden Organismus." Der Fall des "Erlanger Babys" 1992 zeigte zudem, dass der Fetus im Bauch einer hirntoten Schwangeren fünf Wochen weiter wuchs.
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Im Dezember 2008 stellte die "President's Commission on Bioethics" der USA fest, dass angesichts neuer Forschungsergebnisse nicht sicher gesagt werden könne, dass ein Hirntoter tatsächlich tot sei. Sein Gehirn könne noch die Temperatur regulieren, auf Infektionen reagieren - etwa mit Fieber - oder mit dem Hormon ADH die Urinausscheidung regulieren. Mit feinen Messinstrumenten aufgenommene Muster des "hirntoten" Gehirns deuteten gar darauf hin, dass es auf Schmerz reagiert.
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Ob bald nach dem Hirntod der Tod des Menschen eintritt, wie die Bioethik-Kommission der USA vermutet, lässt sich nicht prüfen. Diese Annahme sei vielmehr eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, wie Sabine Müller, Leiterin der Arbeitsgruppe Neurophilosophie, Neuroethik und Medizinethik an der Berliner Charité bemerkt hat: "Patienten mit der Diagnose Hirntod werden entweder Organspender oder ihre künstliche Beatmung wird abgestellt."
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/todeszeitpunkt-und-organspende-wie-tot-sind-hirntote-1.1299076