Hirntod und Organtransplantation

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Ipsissimus
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So 4. Mär 2012, 17:23 - Beitrag #21

sure^^ ein deutlicher Dissens ist besser als ein vermauschelter Konsens^^

e-noon
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So 4. Mär 2012, 17:50 - Beitrag #22

@Ipsissimus: Deine Theorie ignoriert die Tatsache, dass sich die Todesdefinition mit dem Hirntod nach hinten verschoben hat. Man wird jetzt viel später für tot erklärt als früher. Man weiß, was man tun kann, wenn das Herz stehen bleibt; dass es dann noch nicht zu Ende ist.

Was ich meinte mit "Man weiß nicht, was der Tod ist", ist, dass es ja durchaus sein könnte, dass unsere Definition von Leben oder Bewusstsein nicht vollständig ist; wenn tatsächlich eine Trennung zwischen Bewusstsein und Gehirn möglich wäre, könnte das Bewusstsein selbst nach dem Verfall des Körpers anwesend sein. Ich weiß auch nicht, ob es besser ist, wenn einem bei (stark eingeschränktem) Bewusstsein die Organe entnommen werden, oder wenn man bei (stark eingeschränktem) Bewusstsein verwest.

Es ist der zunehmende Verlust einer Demut, die sich darüber im Klaren ist, dass es Leben nur zusammen mit Tod gibt, die damit einverstanden ist und die deswegen darauf verzichtet, alles zu tun, was getan werden kann, um das Leben zu verlängern.
Wenn man einen Körper an eine Beatmungsmaschine anschließt, um ein Gehirn, in dem sich in einer kleinen Ecke noch ein paar lebende Zellen finden, am Laufen zu halten, über Jahre hinweg, dann ist das doch eine viel langwierigere und viel sinnlosere Lebensverlängerungsmaßnahme als eine Organtransplantation.

Ipsissimus
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So 4. Mär 2012, 18:15 - Beitrag #23

Man hat den Zeitpunkt nach hinten verschoben, ihn dafür aber mit einer Absicht behaftet. Sagen wir es so, ich bin extrem misstrauisch, wenn mir aus einer Position absichtsbehafteten Handelns heraus erklärt werden soll, was meine ethische Pflicht ist.

Ansonsten, alle deine Darlegungen hier scheinen aus meiner Sicht eher dafür zu sprechen, extrem vorsichtig mit der Feststellung des Todeszeitpunkts zu sein.

Und niemand, wirklich niemand hat ein Recht auf ein Spenderorgan. Es kann ja trotzdem gewährt werden. Ich traue nur den Leuten nicht, die professionell mit der Verteilung befasst sind.

e-noon
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So 4. Mär 2012, 21:04 - Beitrag #24

Es ist wohl niemand, der wirklich ein Organ braucht, der Meinung, er hätte ein Recht darauf (oder vielleicht einer in 100000); die allermeisten, die ich kenne, sehen es als ein absolutes Wunder, ein Geschenk, fast eine Wiedergeburt an, wenn sie durch eine Operation, die unerwartet gut verläuft, und Organe, die unerwartet gut angenommen werden, noch viele weitere Jahre leben können. Ebenso freuen sich natürlich die Verwandten, Eltern, Geschwister, Partner, Kinder...

Ich würde von niemandem erwarten, seine Organe zu spenden, warum auch. Dass man sich aber zumindest die Frage stellt, kann man, finde ich, schon verantworten.

janw
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Di 6. Mär 2012, 02:22 - Beitrag #25

Zitat von Ipsissmus:Wenn der Körper anfängt zu verwesen, haben wir ein sicheres Todeskriterium]
Nun, das Hirntod-Kriterium ist älter als die Transplantationsmedizin, es wurde entwickelt, als man merkte, daß man erade erfolgte Herzstillstände wieder beenden kann und daß künstliche Beatmung die natürliche ersetzen kann.
Weiter entwickelt wurde es dann in dem Zuge, wie mehr über die Funktionen der Teilbereiche des Gehirns bekannt wurde, bis zu der heutigen, nach der eine Hirnstromstille über mindestens eine halbe Stunde und danach nach 12 Stunden mindestens einmal repliziert herrschen muss und neben wesentlichen Teilen des Großhirns auch das Zwischen- und Kleinhirn irreversibel geschädigt sein muss.
Das ist der Zustand, bei dem eine künstliche Beatmung abgestellt werden darf. Die restlichen noch lebenden Zellen des Körpers sterben dann ab, und die Verwesung setzt ein. Oder man entnimmt, wenn der Mensch zu Lebzeiten zugestimmt hat, unter noch laufender Beatmung und Narkose Organe, um damit andere Menschen mit kranken Organen zu versorgen.

Und selbst wenn es in Europa ein Verteilungssystem gibt, Jan, du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass in Europa mit Organen nicht ganz legal Geld verdient wird?

In den Ländern, die von den Verteilungsystemen erfasst sind, Deutschland-Benelux, Skandinavien, Est-Lettland-Litauen, Frankreich, Schweiz, England (ob es in den anderen Ländern eigene Systeme gibt, weiß ich nicht, vermute ich aber zumindest für Spanien.Portugal-Italien-Griechenland), wird damit meines Wissens kein Geld verdient.
Geld verdient wird z.B. durch das DRK mit Blutprodukten, weshalb ich eher in ein Krankenhaus zur Blutspende gehen würde, wenn ich mit meiner Konstitution spenden könnte, da bekommt man etwas dafür.

Ich weiß nicht, kommt dir das nicht merkwürdig vor? Man entwickelt die Möglichkeit zur Organtransplantation und schwubbs, findet sich eine bis dahin völlig abwegige Definition von Tod, bei der die Körper nach Belieben intakt bleiben können. Das war so unglaublich praktisch. Man musste, nein, man durfte jetzt nicht mehr warten, dass der Körper verfault, es war geradezu ein ethischer Imperativ, den Körper am Leben zu erhalten, obwohl das Gehirn tot war. Oder sagen wir, obwohl einige Bereiche, wesentliche Bereiche, toter waren als andere, die sich zum Beispiel mit so unwichtigen Dingen wie Aufrechterhaltung der Homöostase beschäftigen.

Wie gesagt, Hirntod bedeutet nicht den Tod der letzten Hirnzelle, sondern den weitverbreiteten Tod so großer Zellnetzwerkbereiche, daß das Hirn als Ganzes so weit zerstört ist, daß es nicht mehr die zum Leben des Organismus nötigen Funktionen im für das Leben nötigen Umfang steuern kann. Wenn da noch das kleine Areal erhalten ist, das für die Steuerung von Temperatur, Blutzucker- und Wasserhaushalt zuständig ist, dann funktioniert eben nur das und nur so lange, wie noch Wasser nachgeliefert wird und schnell zu Traubenzucker umsetzbare Reserven vorhanden sind.
Im Falle dieser Hirntod-Schwangerschaften mussten die entsprechenden Hormone ständig zugegeben werden, weil das Gehirn dies nicht mehr steuern konnte.
Wie gesagt, diese Definition wurde nicht wegen der Transplantationsmedizin entwickelt, sondern weil immer häufiger Menschen in die Hände von Ärzten kamen, die nach immer längerer Zeit oder unter immer schwierigeren Bedingungen reanimiert worden waren oder nach Eingriffen schwere Komplikationen erlitten.
Hier war es notwendig, Kriterien zu finden, nach denen über eine Weiterbehandlung oder eine Abschaltung der Geräte entschieden werden konnte.
Kriterien, die letztlich auch gegen Angehörige halfen, denen der Betreffende entweder nicht schnell genug die Erbschaft hinterlassen oder nicht lange genug noch durchhalten konnte, um noch die Haltefrist für eine sonst erbschaftssteuerpflichtige Immobilie zu erfüllen.

Was ich dabei wirklich bedauere, das wirst du intellektuell sicher erfassen, aber mutmaßlich nicht auf dich wirken lassen können. Es ist der zunehmende Verlust einer Demut, die sich darüber im Klaren ist, dass es Leben nur zusammen mit Tod gibt, die damit einverstanden ist und die deswegen darauf verzichtet, alles zu tun, was getan werden kann, um das Leben zu verlängern. Organtransplantationen haben etwas mit menschlicher Unreife zu tun.

Vielleicht verstehe ich, was Du meinst, aber ich denke, daß es in ziemlich unsichere Gefilde führt, die Annahme eines lebensverlängernden Spenderorgans anders zu bewerten als eine andere Behandlung. Für mich ist die Würde des Menschen unantastbar, und aus dieser ergibt sich für mich, daß jeder Mensch ein Recht auf eine Behandlung von Krankheiten hat - Krankheit gehört zum Leben dazu, klar, aber jemenschen trotz bestehender Hilfsmöglichkeiten in Krankheit und Leid zu belassen, hieße für mich einen Menschen unwürdig zu behandeln.
Stelle man fest, daß kein Recht auf eine mögliche Organtransplantation (möglich in dem Sinne, daß der Spender das Organ freiwillig und ohne Druck gespendet hat und damit kein kommerzieller Handel verbunden ist) bestehe, wie sollte dann das Recht auf die Behandlung einer Blutvergiftung, d.h. auf die Verabreichung einer Tetanusspritze und von Antibiotika begründet werden? Oder gibt es das ebenso nicht, soll einfach sterben, wer in einen rostigen Nagel getreten ist und seine Tetanusprophylaxe hat schleifen lassen?

Sicher, wer ein Spenderorgan annimmt, weiß, daß der vorherige Träger dieses Organs gestorben ist. Er ist allerdings nicht "für" diesen Fall gestorben, er ist sowieso gestorben, weil ihm leider etwas passiert ist, und hat seine Organe nur nicht den Würmern hinterlassen.

Man hat den Zeitpunkt nach hinten verschoben, ihn dafür aber mit einer Absicht behaftet.

Ich stimme Dir zu, daß die Organspendewerbung jetzt Druck ausüben kann, sich einen Spenderausweis zuzulegen, weil sich dies zum allgemeinen Verhaltenskanon entwickelt. Es könnte also dahin kommen, daß Menschen suspektiert werden, die keinen Ausweis besitzen. Dagegen wehre bzw. verwahre ich mich auch.
Aus meinen bisherigen Erfahrungen mit Ärzten in diesem Land habe ich aber keine Zweifel, daß man mich mit Organspenderausweis genauso gut behandeln würde wie ohne Ausweis.

Vielleicht ist es etwas beruhigend, daß die Wahrscheinlichkeit, wirklich zum Spender zu werden, nicht übergroß ist. Man muss nämlich wirklich beatmet in einer Intensivstation landen in einem Zustand, in dem die Organe auch noch hinreichend heile sind, und dann dort eben an irgendetwas sterben.
Die meisten Leute sterben vorher woanders an etwas anderem, oder ihre Organe sind zu beschädigt.

Ipsissimus
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Di 6. Mär 2012, 16:32 - Beitrag #26

Jan, wir sind uns einig, dass Herzstillstand kein Kriterium für den Todeszeitpunkt ist^^

... wie sollte dann das Recht auf die Behandlung einer Blutvergiftung, d.h. auf die Verabreichung einer Tetanusspritze und von Antibiotika begründet werden?
für die Behandlung einer Blutvergiftung oder von Tetanus müssen keine anderen Menschen sterben

e-noon
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Di 6. Mär 2012, 17:18 - Beitrag #27

Wie gesagt sterben ja die anderen Menschen nicht, weil sie Organspender sind, sondern weil sie einen Unfall hatten oder ähnliches. In manchen Fällen ist es sogar so, dass derjenige vor seinem Unfall keine lebensverlängernden Maßnahmen wollte, oder eine Patientenverfügung gemacht hat, und die Angehörigen gefragt werden, ob man denjenigen gleich von der Beatmung nehmen soll (=Tod) oder vorher die Organe entnehmen darf (=Tod).

Um eine Niere, Blut oder Knochenmark transplantiert zu bekommen, muss übrigens auch niemand sterben.

Padreic
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Di 6. Mär 2012, 20:02 - Beitrag #28

Erst einmal vielen Dank an Jan für seine ausführlichen Informationen!

Ich glaube, die meisten haben beim Thema Organspenden ein wenig ein mulmiges Gefühl. Ich habe auch Verständnis für jemanden, der eine Organspende ablehnt, sowohl im gebenden als auch nehmenden Aspekt. Zu sagen, dass man einen Hirntoten weiter beatmen (etc.) soll, weil er vielleicht noch nicht völlig und irreversibel tot ist, und zugleich zu sagen, dass die potentiellen Empfänger von Organspenden lernen sollen den Tod zu akzeptieren, ist für mich irgendwas zwischen absurd und sarkastisch.

Einen Menschen (mit seinem Einverständnis und/oder dem seiner Angehörigen) sterben zu lassen, dessen Zustand sehr wenig mit dem zu tun hat, was man menschlich nennen kann und wo es nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis eigentlich auch keine Hoffnung gibt, dass sich das noch ändern kann, damit ein anderer Mensch noch viele Jahre weiterleben kann, erscheint mir eine sinnvolle Abwägung.
Eine Frage, ob man Organe spenden will oder nicht, hat sicherlich nicht den rechtlichen Charakter einer Nötigung, selbst wenn sie mit Hoffnung oder Erwartung ausgesprochen wird, dass man ja sagt.
[wikipedia] 2008 gaben 16 Prozent der Bevölkerung an, nach dem Tod Organspender sein zu wollen und einen Ausweis zu besitzen; weitere 52 Prozent wollten ebenfalls nach dem Tod ihre Organe spenden, besaßen aber keinen Ausweis; 5,3 Prozent lehnten Organspenden ab.
Geht man davon aus, dass Organspende prinzipiell etwas positives ist (was ich tue), erscheint anhand dieser Daten eine generelle Frage sicherlich sinnvoll.

Alles, was etwas als Mittel zu einem Zweck gebraucht, als Kommerz zu bezeichnen, finde ich übrigens überzogen.

janw
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Di 6. Mär 2012, 21:13 - Beitrag #29

Zitat von Ipsissimus:für die Behandlung einer Blutvergiftung oder von Tetanus müssen keine anderen Menschen sterben

Ich kann Deine Sichtweise durchaus verstehen, jemand, der dank einer Organtransplantation noch lebt, lebt, weil jemand mit einem für ihn passenden Spenderorgan justament in dem entsprechenden Zeitraum gestorben ist.
Nur ist es IMHO ein leben weil, nicht ein sterben um zu; das Sterben und damit das als Spenderorgan nutzbar werden des Organs ist kontingent passiert, nicht irgendwie geplant oder gesteuert, und aus Sicht des Spenders ist es eine intrinsische Gabe an einen der Mitmenschen, er hätte das Organ auch mit dem Rest seines Körpers verwesen lassen können.

Ipsissimus
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Di 6. Mär 2012, 21:23 - Beitrag #30

Eine Frage, ob man Organe spenden will oder nicht, hat sicherlich nicht den rechtlichen Charakter einer Nötigung
richtig, sie hat sicherlich nicht den rechtlichen Charakter einer Nötigung^^

und dass die Frage in regelmäßigem Turnus wiederholt werden soll, hat selbstverständlich auch nichts mit Nötigung zu tun

Zu sagen, dass man einen Hirntoten weiter beatmen (etc.) soll, weil er vielleicht noch nicht völlig und irreversibel tot ist
Habe ich das irgendwo gesagt? Ich glaube eher, das wurde in meine Auffassungen hinein interpretiert. Meiner Auffassung nach sollte man einen Hirntoten in Ruhe sterben lassen, bis er wirklich tot ist, und ihn nicht schon zu einem Stück Verfügungsmasse machen, obwohl er noch zuckt.

dass die potentiellen Empfänger von Organspenden lernen sollen den Tod zu akzeptieren
Organspende ist nur eine weitere Technik, mit der wir versuchen, den Gedanken an unsere Sterblichkeit zu bannen. Wir werden trotzdem alle sterben, selbst wenn wir ein Leben lang so tun, als seien wir unsterblich. In anderen Kontexten haben wir schon festgestellt, dass das eigentlich doof ist, z.B. wenn wir zu diesem Zweck alte Menschen in Pflegeheime abschieben. Es bleibt aber auch in diesem Kontext doof.

Alles, was etwas als Mittel zu einem Zweck gebraucht, als Kommerz zu bezeichnen, finde ich übrigens überzogen.
darüber müsste ich nachdenken. Übrigens habe ich das in diesem Thread nirgends behauptet^^

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Di 6. Mär 2012, 21:27 - Beitrag #31

Jan, ich habe nichts dagegen, wenn ein Mensch seine Organe aus freiem Willen und ohne Zwang zur Verfügung stellt. Ich habe nur etwas dagegen, dass dieses zur Verfügung stellen zunehmend erwartet und beworben wird, weil - meine bösartige Interpretation - die Organe zur Befeuerung einer Industrie benötigt werden.

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Di 6. Mär 2012, 21:39 - Beitrag #32

was ich heut morgen aus der Zeitung gelesen habe ist die neue "die Krankenkasse fragt nach" Politik vor allem daraus bezogen das weniger Organe zur verfügung stehen als früher. Dies scheint daran zu liegen das es einen (bürokratisch) anmutenden Krach gibt.

Ein Patient der nur noch künstlich am leben gehalten wird, wird via seiner eigenen Verfügung von den Maschinen genommen. Aber in der sekunde wo sie das machen sind die Organe nichtmehr nutzbar. Und sie können ihn nicht dranlassen solange sie die Entnehmen weil die Verfügung sagt die Maschinen müssen abgeschaltet werden. Also mehr juristisches snafu.

Das Nachfragen (wenn auch etwas aufdringlich) mag einfach da sein um klarzzustellen das "stellt die maschinen ab" in fällen auch "stellt die dinger ab nachdem ihr mir alle Organe die anderen helfen könnten entnommen wurden."

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Mi 7. Mär 2012, 00:56 - Beitrag #33

@Ipsi:
Habe ich das irgendwo gesagt? Ich glaube eher, das wurde in meine Auffassungen hinein interpretiert. Meiner Auffassung nach sollte man einen Hirntoten in Ruhe sterben lassen, bis er wirklich tot ist, und ihn nicht schon zu einem Stück Verfügungsmasse machen, obwohl er noch zuckt.
Wenn es also gar nicht darum geht, warum die Aufregung um die Feststellung, wann jemand tot ist? Wenn man den Körper als Verfügungsmasse ablehnt, muss man auch ablehnen, dass Leichen zur Ausbildung von Medizinern verwendet werden.

darüber müsste ich nachdenken. Übrigens habe ich das in diesem Thread nirgends behauptet^^
Genauso wenig wie ich, dass du es behauptet hast ;).

Ich habe noch einmal ganz unabhängig von der common-sense Pragmatik deine Position "philosophisch" abgewogen. Meine Position ist: Wenn eine junge Person klaren Verstands und mit dem Willen zu leben einen Weg sieht, ihren Tod ohne Leiden von Dritten zu verhindern bzw. selbigen wesentlich aufzuschieben, dann soll sie das tun. Gerade der Respekt vor dem Leben gebietet es, sein Leben nicht wegen so einem unsinnigen Zufall wie einer Krankheit wegzuwerfen. Es gibt Punkte, wo es angeraten zu sein scheint, sterben zu lassen (auch wenn es viele (Angehörige) selbst dann nicht wollen), aber wenn es medizinisch möglich ist, einem jungen Menschen (oder unter Umständen auch einem alten, wenn er nicht nur aufs Ende warten, sondern LEBT) zu helfen, dann nicht.

Gegenvermutung zur Befeuerung einer Industrie: Leute wollen helfen.

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Mi 7. Mär 2012, 01:47 - Beitrag #34

Wenn man den Körper als Verfügungsmasse ablehnt
ich denke, man kann meiner Aussage mühelos entnehmen, dass sie sich auf lebende Körper bezieht. Ja, ich lehne lebende Körper als Verfügungsmasse ab, die meisten toten Körper, inklusive meines eigenen, sind mir diesbezüglich gleichgültig. Wenn sie denn ganztot sind, was ich bei hirntoten Menschen nicht sehe.

Gerade der Respekt vor dem Leben gebietet es, sein Leben nicht wegen so einem unsinnigen Zufall wie einer Krankheit wegzuwerfen.
selbstverständlich akzeptiere ich deine Auffassung, vermute allerdings, dass sie während der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte gegenstandslos gewesen wäre, weil es keine Möglichkeiten gab, Krankheiten zu wehren. Insofern ist sie eine sehr moderne Auffassung, was gewiss nicht per se gegen sie spricht. Trotzdem ist unsere angestrebte und beanspruchte Herrschaft über die Natur in weiten Bereichen nur Hybris und Augenwischerei, inklusive unserer Kämpfe gegen Krankheiten und den Tod.

Leute wollen helfen
Zweifelsohne, zumindest die, die spenden. Ob sie das freiwillig tun oder weil ihnen ein schlechtes Gewissen gemacht wurde ... aber nun gut, es ist ja rechtlich keine Nötigung^^ andere wiederum wollen verdienen

janw
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Mi 7. Mär 2012, 02:02 - Beitrag #35

Zitat von Ipsissimus:Jan, ich habe nichts dagegen, wenn ein Mensch seine Organe aus freiem Willen und ohne Zwang zur Verfügung stellt. Ich habe nur etwas dagegen, dass dieses zur Verfügung stellen zunehmend erwartet und beworben wird, weil - meine bösartige Interpretation - die Organe zur Befeuerung einer Industrie benötigt werden.

Der strukturelle Erwartungsdruck, der da entstehen kann, macht mir auch Sorgen. Ich lasse ihn nicht an mich ran, indem ich meine eigene diesbezügliche Haltung nicht ändere, die darin besteht, meinen Nächsten zu sagen, ich würde gerne geben, was anderen helfen kann. Einen weiteren Ausweis zu den ganzen Karten und so, da müsste ich statt der Hosentasche wirklich an ein Portemonnaie denken, eine echte Zumutung^^

Es gibt wirklich einen zunehmenden Mangel an Organen, der verschiedene Ursachen hat. Zum einen war die Spendebereitschaft wohl mal höher, zum anderen und wohl bedeutender werden Menschen immer älter, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, irgendwann ein Organ zu benötigen, andererseits sind bei denen, die auf Intensivstationen versterben, alters- oder krankheitsbedingt die Organe wohl immer häufiger nicht für Transplantationen zu verwenden. U.a. gibt es einige Ausschlusskriterien, wie z.B. frühere TBC-, Hepatitis- oder AIDS-Infektionen, weil man nicht schlafende Erregerstadien mit transplantieren will.

Ob es Hybris sei, da wage ich mich nicht so ran. Medizin hat immer schon versucht, Menschen von der Schippe zu ziehen.

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Fr 20. Jul 2012, 11:44 - Beitrag #36

lasst uns ...

... schnell so tun, als seien wir überrascht


http://www.stern.de/gesundheit/medizinskandal-am-goettinger-universitaetsklinikum-lebertransplantation-gegen-geld-1861476.html

Es könnte der größte Skandal im deutschen Organspendewesen sein: In Göttingen wurden wohl Dutzende Akten gefälscht. Ausgewählte Patienten bekamen so schneller eine Spenderleber - offenbar gegen Geld.

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Sa 21. Jul 2012, 14:35 - Beitrag #37

Natürlich ist es nicht überraschend, dass es auch Missbrauch gibt. Überraschend fänd ich, wenn es in Deutschland die Regel oder auch nur häufig wäre.

janw
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Sa 21. Jul 2012, 16:21 - Beitrag #38

Wie ist es aufgefallen?
Würde soetwas auffallen, wenn es selten wäre?

Ipsissimus
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Do 26. Jul 2012, 15:42 - Beitrag #39

Zitat von Padreic:Natürlich ist es nicht überraschend, dass es auch Missbrauch gibt. Überraschend fänd ich, wenn es in Deutschland die Regel oder auch nur häufig wäre.


http://www.stern.de/panorama/universitaetsklinikum-regensburg-organspendeskandal-weitet-sich-aus-1865337.html

mal schauen, ob das schon das Ende war^^

Ipsissimus
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Do 9. Aug 2012, 14:46 - Beitrag #40

http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/organspende-skandal-aerzte-wollen-kontrollen-verschaerfen-1.1436923

anscheinend doch noch nicht das Ende^^ wenn schon Politik und Ärztebund eine gewisse Dringlichkeit für Änderungen zugeben^^

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