@Traitor:
Die Frage, ob Fördermittel nach Bedürftigkeit oder nach Verdiensten verteilt werden sollen, ist ja das Kernproblem der ganzen Exzellenzinitiative. Meines Erachtens hat man sich für den schlechtestmöglichen Kompromiss entschieden: es wird nach Marketinggebrabbel für Zukunftspläne verteilt. Also an diejenigen, die gekonnt behaupten können, gleichzeitig toll und bedürftig zu sein, und in Zukunft noch besser zu werden.
Ich kann nur begrenzt beurteilen, wie die Realität da aussieht und sicher hast du ein gutes Stück weit recht. Es bloß als schlechten Kompromiss zu sehen, greift aber sicherlich zu kurz. Zumindest vom Gedanken her sehe ich es so: Das verteilte Geld ist nur ein Teil des Konzepts; mindestens ebenso wichtig ist es, dass die Hochschulen beginnen, darüber nachzudenken, was man verändern, was man machen kann. Zudem kann die zeitliche Begrenzung der Förderung so gedeutet werden, dass es sich um eine Reihe von "Testballons" handelt, die erstens wohlmöglich paradigmatischen Charakter für andere Unis sein mögen, zweitens bestimmen könnten, wer vielleicht eine dauerhafte Bundesförderung bekommt.
So wie ich mir die Realität vorstelle, ist es die Wahrheit irgendwo dazwischen. Jeder Antrag wird ein paar gute neue Ideen für die Zukunftsgestaltung der Uni enthalten, aufgebauscht durch eine Menge "Marketinggebrabbel", der Form "wie es die Gutachter wohl hören wollen".
Forschung im Studium kommt aber erst recht spät und ist spätestens seit der Bachelorisierung (leider) nicht mal mehr für alle Studenten überhaupt ein Muss bzw. eine Option. Eben die von dir erwähnte Verschulung. Die aber z.B. in der Physik auch schon immer oder zumindest lange vorlag.
Jede größere Übungsaufgabe ist im Grunde eine kleine Forschungsarbeit; nur eben eine, wo das Ergebnis schon bekannt ist.
Die Menge an Pflichtveranstaltungen in der Physik gegenüber der in der Mathematik, deutet wohl den unterschiedlichen Aufbau der Gebiete an, wie viel eben aufeinander aufbaut. So viel ich weiß, gibt es in der Mathematik auch im neuen Bachelor-Master-Studiengang nach dem zweiten Semester keine Vorlesungen oder Seminare, die alle hören müssten.
@Ipsissimus: Ich verstehe deine Bedenken, sehe es aber so wie Traitor: Was du primär kritisierst ist falsch verstandene Effizienz, nicht das Effizienz-Konzept an sich (nach meinem Verständnis des Begriffs). Ich stimme vollkommen zu, dass viele Dinge lange brauchen, um sie zu verstehen, und dass es gut ist, wenn man sich diese Zeit nimmt. Doch zwei Dinge dazu:
1) Wenn man jede Sache, mit der man sich beschäftigt, aufs Gründlichste durchdenkt, wird man sich mit nur sehr wenigen Sachen beschäftigen können.
Und noch wichtiger: 2) Etwas zu verstehen, braucht eben nicht so lange, wie es braucht - die benötigte Zeit (und der Grad des Verstehens) hängen davon ab, wie man an das Problem dran geht. Z. B. mag es sinnvoll sein, zu lesen, was andere Leute zu dem Thema gedacht haben, mit Leuten darüber zu diskutieren, meinetwegen auch spazierenzugehen, wenn man dabei besonders gut nachdenken kann. Oder konkreter am Beispiel der Mathematik: Wenn ich eine Definition gründlich verstehen will, kann ich einfach draufstarren, aber cleverer wird es sein, sich Beispiele zu der Definition zu überlegen. Vielleicht kann man mit jeder Methode irgendwann eine bestimmte Sache verstehen (Effektivität), aber jeder weiß, dass es vom eigenen Verhalten abhängig, wie schnell und gut man das kann (Effizienz).
Das meinte ich mit Missverständnis: Dass es Jahre dauern kann, etwas zu verstehen, heißt nicht, dass Effizienz hier keine Rolle spielt. In der Tat machen wir dauernd Effizienzerwägungen, ohne diesen Begriff zu benutzen.
Um darzulegen, dass ich allerdings keineswegs ein unbedingter Effizienzjünger bin, will ich noch einen Text anhängen, den ich an anderer Stelle einmal schrieb, über Effizienz und Muße (was, da es noch weiter vom eigentlichen Threadthema wegführt, auch gerne unkommentiert gelassen werden kann):
Ich habe der Effizienz stets misstraut. Nimmt sie nicht an, dass das gewählte (oder uns aufgedrückte) Ziel schon das richtige ist? Es ist stets ein wichtiges Moment im effizienten Handeln, (fast) aufzuhören, das Ziel dieses Handelns zu hinterfragen - bei vielen der in einem Gebiet wirklich Erfolgreichen war das ein wesentlicher Punkt in ihrem Erfolg. Kann uns aber nicht gerade ein äußerst effizientes Verfolgen des falschen Ziels ins Unglück stürzen?
Andererseits hat mich auch Effizienz des Handelns stets beeindruckt - im Gegenteil zum verbreiteten Prinzip, weder die Ziele des Handelns klug zu hinterfragen noch sich über die Effizienz seines Handelns Gedanken zu machen wie es beispielsweise bei Regierungen oft verbreitet zu sein scheint. Was hat das ganze mit Muße zu tun? Eine Menge, denke ich, mindestens drei Dinge:
Erstens gibt es ein nur begrenztes geistiges und körperliches Leistungsvermögen des Menschen. Dieses ist natürlich extrem davon abhängig, wie sehr einem die Tätigkeit, die man vollführt, liegt, wie sehr sie einem angemessen ist - wenn sehr, kann auch eine große Belastung Befriedigung bringen. Trotzdem braucht man so oder so einfach ein gewisses Maß an Ruhe, sowohl in Form von Schlaf als auch wachen Ruhetätigkeiten.
Zweitens gibt einem die Ruhe Zeit, über Dinge nachzudenken, neue Anregungen aufzunehmen, sie zu verarbeiten. Dies erlaubt es erst, kritisch über Ziele nachzudenken, nachzuspüren, wo das eigene Glück liegt, aber ist auch einfach oft Voraussetzung für eine gewisse Phantasie und Kreativität, die einem auch in schon gesteckten Zielen weiterhelfen kann.
Drittens gibt es die Muße als Lebensstil, einen, der den Zweck des Lebens nicht in der Tat, sondern im Genuss, im Verstehen, vielleicht in den kleinen Gesten des Alltags sieht. Ist das nicht letztlich die Reminiszenz an das Leben im Garten Eden?
Wir leben heute in einer Arbeitsgesellschaft, unter anderem in dem Sinne, dass fast jeder, sei er Künstler, sei er Wissenschaftler, doch stets betont, dass er arbeitet. Effizienz ist letztlich eine Kategorie der Arbeit. Wir sollten darob aber nie die Muße vergessen und sie mindestens genauso ernst und wichtig nehmen wie jene. Genauso wie wir darüber nachdenken, wie wir die Arbeit effizient begehen, sollten wir darüber nachdenken, wie wir die Muße erfüllt verbringen. Während die Arbeit nach außen wirkt, wirkt die Muße auf uns selbst und den kleinen Kreis; und steht uns nicht gerade dieser am nächsten?