Zum einen bestehen falsche Vorstellungen über die gesetzliche Regelung.
Die meisten Kinder in Deutschland werden abgetrieben, weil Mutter sein kurz- oder langfristig nicht mit dem Lifestyle zusammen passt oder das ungeborene Kind angeblich behindert ist. Dies sind allerdings keine legale Gründe für eine Abtreibung.
Die meisten Menschen glauben, ein Frau könne sich in Deutschland einfach so für oder gegen das ungeborene Kind entscheiden.
Zitat von Traitor:den von mir angenommenen deutschen Standardkonsens - ein "ich bin erst 20 und habe noch keinen guten Job und keine Lust auf Verantwortung" bei gesundem (noch recht jungen) Fötus scheint ja mehrheitlich als hinreichender Grund anerkannt zu sein, von dir aber wohl sehr definitiv nicht?
Die gegenwertig in der Gesellschaft vorherrschenden Moralvorstellungen stimmen nicht mit der aktuellen Rechtslage überein. Die aktuelle Rechtslage entspricht nicht der Sitte. Die Werte des Grundgesetzes sind meistenteils jedoch juristisch oktroyiert - dazu weiter unten mehr.
Ungeborene Kinder dürfen in Deutschland nur abgetrieben werden, wenn das "Austragen des Kindes" für die Frau überhaupt nicht mehr zumutbar ist.
Dies ist eigentlich nur bei einer akuten körperlichen oder seelischen Erkrankung der Kindsmutter, eventuell noch bei Minderjährigkeit der Fall und natürlich dann, wenn es sich um die Frucht einer Vergewaltigung handelt. Alle anderen Frauen erreichen die zumutbare Opfergrenze sicherlich nicht.
Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. § 219 ABs. 1 S. 2 StGB
Die mögliche Behinderung des Kindes stellt nach deutschem Recht nicht automatisch eine Begründung für eine legale Abtreibung statt. So hat es zumindest Karlsruhe 1993 entschieden, ganz gegen den Zeitgeist. Trotzdem geht die Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass es legal ist, ungeborene Kinder aufgrund von Behinderung zu töten und sie halten dies für einen guten, wenn nicht den besten oder einzigen Grund.
Die übliche Abtreibungspraxis in Deutschland entspricht nicht der aktuellen Rechtslage. Da kein Bewusstseinstest stattfindet sondern nur ein Beratungsschein vorgelegt werden muss, kommen sie jedoch damit durch. De facto haben Frauen in Deutschland die Wahl, de jure aber nicht!
Zurück zur Gefählichkeit der Debatte: Humanismus ist Zeitgeist. Er verändert sich ständig und ist nur ein gesellschaftlicher Konsens, der binnen weniger Jahrzehnte verfliegen kann.
Die Gesetze jedoch - zumindest die wirklich wichtigen - entstehen nicht durch demokratische, sondern durch juristische. Es bleibt bei Wortklauberein um ein die Worte eine Verfassung, deren Väter und Mütter irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickten.
So bleiben die sogenannten zivilisierten Länder von Dammbruch verschont. Sie sind zum Festhalten an wilhelminischer Zucht und Ordnung im Wortsinne verurteilt. Was bleibt ist eine kleine Heuchelei als Kompromiss.