Parallelthread zum Brüderle-Sexismus-Thema, in den bitte alles zur konkreten Debatte und allgemeinen gesellschaftlichen Situation kommt.
Hier soll es, mit den aktuellen Geschichten höchstens als Beispiele, um eine abstraktere Frage gehen - vermengt der Begriff "Sexismus" nicht mehrere nur bedingt zusammengehörige Aspekte?
Zum einen steht "Sexismus" für "geschlechtsbedingte Diskriminierung", üblicherweise die Benachteiligung von Frauen, manchmal auch von Männern, mit durchaus statistisch angemessener Verteilung. Soweit analog zum "Rassismus". Nennen wir das temporär mal "Diskriminierungs-Sexismus". (Naheliegend wäre sowas wie "Genderismus", aber dann hat man gleich wieder die "Sex!=Gender"-Debatte am Hals, die mit dem hier diskutierten nur peripher zu tun hat.)
Zum anderen bezeichnet "Sexismus" aber auch "unangemessen sexuell aufgeladenes Verhalten", also sexuelle Witze, unerwünschtes oder kontextunangemessenes Anmachen oder auch handgreifliche Belästigung. Vielleicht könnte man das alternativ "Sexualismus" nennen. Diese Bedeutung ist an sich geschlechtsneutral, kann auch von Frauen gegen Männer, Männer gegen Männer oder Frauen gegen Frauen vorkommen, die allgemeine Fokussierung auf Männer gegen Frauen ist aber natürlich auch wiederum statistisch korrekt.
Allerdings hat diese zweite Bedeutung an sich erstmal nichts mit "geschlechtsbedingter Diskriminierung" zu tun. Ein unerwünschtes Anflirten ist an sich keine Diskriminierung, sondern einfach nur schlechter Stil. Ein Antatschen ist eine Straftat, aber auch erstmal keine Benachteiligung im wirtschaftlichen, Karriere- oder politischen Sinne. Beides wird natürlich zur Diskriminierung, wenn es (bewusst oder unbewusst) zur Herabwürdigung einer Person genutzt wird, die deren Status und/oder Perspektiven beschädigt - also eine geschlechtsgegebene Eigenheit (einfach nur das Geschlecht selbst) unfairerweise für eine schädigende Ungleichbehandlung nutzt.
In der Praxis ist diese Verbindung von "Sexualismus" und "Diskriminierungs-Sexismus" natürlich sehr oft der Fall. Aber wenn in der aktuellen Debatte beispielsweise Vergewaltigungen und "Mädchen können kein Mathe" in der gleichen Liste von Sexismus-Beispielen auftauchen, dann merkt man doch, dass da begrifflich etwas schief läuft...