PadreicLebende Legende
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Vielleicht sollte man erstmal einen Schritt zurückgehen und sich nach dem generellen Sinn von Stipendien fragen. Diese haben vor allem in Gesellschaften ein Berechtigung, wo es nicht in Frage kommt, aus welchem Grund auch immer, allen einen Zugang zu Bildung hohen oder höchsten Niveaus zu finanzieren. Dies galt im vollen Maße wohl so ziemlich für alle Gesellschaften (mit Universitäten) in alten Zeiten, so z. B. in Deutschland in der Zeit vor dem Krieg, wo die Studienstiftung des deutschen Volkes entstand. Leser beispielsweise von Hesses 'Unterm Rad' mögen sich erinnern, dass für breite Bevölkerungsschichten selbst der Besuch eines Gymnasiums finanziell nicht in Frage kam. Dies gilt heute auch noch im hohen Maße für beispielsweise die USA, wo Universitäten üblicherweise hohe Gebühren kosten, gerade die Spitzenuniversitäten sogar immense Gebühren. In solchen Gesellschaften gilt es trotzdem nicht als allgemein erwünscht, dass nur die Reichen studieren (oder auch nur aufs Gymnasium gehen) können. Jungen Leuten aus der Unter- und Mittelschicht, die über besondere Begabung und Strebsamkeit verfügen, will man die Möglichkeit bieten, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Dies natürlich nicht ganz uneigennützig; es dürfte so ziemlich jedem klar sein, dass Strebsamkeit und Begabung zu nutzen, einer Gesellschaft sehr dienlich sein kann. Diese Stipendien können verschiedenste Formen annehmen. Klassisch sind z. B. Priester-, oder auch Lehrerseminare. Die Studienstiftung ist ein anderes Beispiel. Harvard hat mittlerweile ein Modell, wo nur noch eine Minderheit die vollen Studiengebühren zahlen muss, viele jedoch ganz von den Gebühren ausgenommen sind; da in Harvard aufgenommen zu sein, schon Leistungsnachweis genug sein mag, ist das dort wohl nur noch anhand des Einkommens der Eltern beurteilt. [Man beachte allerdings, dass das für Harvard keinesfalls ein Verlustgeschäft sein mag, da man bei der amerikanischen Stipendienkultur durchaus hoffen kann, wenn die Studenten erstmal nach ihrem Abschluss richtig verdienen, einen mehrstelligen Betrag überwiesen zu bekommen; Harvard ist ja bekanntlich ein Finanzinstitut mit angeschlossener Lehranstalt.]
Im heutigen Deutschland ist die Situation weniger klar, da es ja Bafög und kaum noch Studiengebühren gibt. Trotzdem gibt es, setzt man die generelle Stipendienmotivation voraus, durchaus Gründe, auch im heutigen Deutschland Stipendien zu verteilen: 1) Bafög hat viele Lücken. Diese sind mindestens von zwei Arten: a) Bestimmte Einkommensstrukturen der Eltern. Das gilt insbesondere, wenn diese einen Kredit abbezahlen. b) Langes studieren und Studienfachwechsel werden, so viel ich weiß, nicht vom Bafög gedeckt. 2) Der Bafögsatz ist derart, dass nicht wenige zu Aufrechterhaltung ihres Lebensstandards nebenbei jobben. Will man besonders Begabte zum Studium motivieren, mag man vielleicht auch bezwecken wollen, dass sie sich aufs Studieren und nicht aufs Kellnern konzentrieren. 3) Während private, kostenspieligere Universitäten in Deutschland nicht (klar) besser sind als öffentliche, muss man für die Wahl der besten Universität keine besonderen finanziellen Mittel aufwenden. Man kann durchaus aber eine normale universitäre Ausbildung anreichern. Die Studienstiftung bietet beispielsweise Sommerakademien, wissenschaftliche Kollegs etc. an. Diese sind für die Teilnehmer (allesamt Stipendiaten) kostenlos, kosten aber die Studienstiftung erhebliche Beträge. Einen Bafög-Antrag kann man darauf sicherlich nicht stellen.
Eine Erhöhung und Ausweitung des Bafögs mag die Punkte 1) und 2) größtenteils beheben. Ich bezweifle aber, dass eine solche im vollen Maße in Aussicht ist.... bleiben also Stipendien.
Die Zeppelin-Universität scheint (neben dem Marketing-Gag) davon auszugehen, dass es in den bisherigen Stipendienprogrammen systematische Ausblendungen gibt, von Leuten, die ein Stipendien verdienen; verdienen in dem Sinne, dass sie auch durch das Studium nachher von besonderem Wert für die Gesellschaft sein können. Die Zeppelin-Universität betont hier besonders den Einsatz in Unternehmen. Denkbar sind genauso aber Tätigkeiten im öffentlichen Diensten, beispielsweise als Universitätsprofessor.
Diese blinden Flecken mag es in den meisten Stipendiensystemen durchaus geben.Ich kenne mich mit Legasthenie nicht im besonderen aus, kann mir aber durchaus vorstellen, dass diese auch mit beachtlichen Fähigkeiten in anderen Gebieten einhergehen kann. Legasthenie mag zu schlechten Schulleistungen führen, die einen von anderen Stipendienprogrammen von vornerein schon ausschließen. Das auszugleichen, kann ich mir vorstellen, mag nicht dumm sein. Explizit werden auch Studienfachwechsler angesprochen. Diese dürften es häufig aufgrund dadurch verlängerter Studienzeiten schwer mit Bafög haben. Das macht also auch durchaus Sinn. Und ich würde nicht sagen, dass Nerd zu sein, einen zum typischen Stipendienempfänger macht. Herausragende Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich helfen natürlich, ein Stipendium zu bekommen. In den üblichen Aufnahmeverfahren sind aber breite Interessen, soziales Engagement, gutes Auftreten von ebensolcher Wichtigkeit -- wobei es sehr auf die konkreten Auswähler ankommt. Zumindest bei der Studienstiftung haben sie nur sehr lose Vorgaben. Man kann natürlich die üblichen Aufnahmeverfahren durch Gewinnen bestimmter Wettbewerbe (z. B. Bundessieger Mathematik) umgehen; das betrifft aber nur sehr wenige.
Primär scheint mir das mit der Zeppelin-Universität ein Marketing-Gag zu sein. Aber gänzlich unsinnig finde ich es nicht.
Aber ein Beispiel, dass man durchaus auch mit gebrochenen Lebenslauf in die Studienstiftung kommen kann: Jemand bemerkte einmal in einem Gespräch mit einem Studienstiftungsreferenten, dass man nach anfänglicher Aufnahme, die endgültige Aufnahme ja nur nicht schaffen würde, wenn man seine Mutter umbringe. Der Referent erwiderte "So einen Fall hatten wir schonmal." Tatsächlich hatte ein Mädchen ihre Mutter umgebracht (in einem streng religiösen Haushalt, wo die Tochter unterdrückt wurde) und wurde von der Gefängnisschule für die Studienstiftung vorgeschlagen....
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