Zitat von Traitor:Nein, der snobistische Filmgenuss war schon gestern Abend, "The Congress". Snobismus wurde mir diesbezüglich vorgeworfen, als ich ihn jemandem beschrieb als "Animationsfilm, lose basierend auf einer Vorlage von Stanislaw Lem, von Ari Folman, dem israelischen Regisseur, der vorher einen genialen Film über den Libanon-Krieg gemacht hat" - klang wohl zu off-Mainstream für Nonsnobismus. Ist er auch.
Der "geniale Film über den Libanon-Krieg" war natürlich "Waltz with Bashir". An den reicht der an "Der futurologische Kongress" angelehnte neue Film leider weder formell noch von der Wirkung her heran. Faszinierend und irritierend ist er trotzdem, und sehr sehenswert.
Mit der Vorlage wird sehr frei umgegangen, was trotz deren Klasse auch keine schlechte Idee ist. Zwar gibt es Ähnlichkeiten in groben Motiven bis konkreten Szenen (Psychemie am einen Ende des Spektrums, Angriff aufs Hotel und Kanalisations-Mehrfachszene am anderen), aber die Rahmenhandlung am Anfang ist eine völlig andere und auch die Dystopie am Ende fällt sehr verschieden aus. Der ganz neue Aspekt hier ist eine Metafilmkomponente, da es um das Ersetzen realer Schauspieler durch computergenerierte Doppelgänger geht. So beginnt der Film mit einem Realteil über Robin Wrights Schicksal, als sie sich an diesen Mechanismus verkauft, und leitet dann via ihrem Besuch beim "Futorologischen Kongress" in einem Hotel in einer "fully animated zone" in den animierten Hauptteil über.
Dieser ist weniger ästhetisch gelungen als in "Bashir", eher eine bunte Sammlung von Stilreferenzen an altamerikanische Cartoons, "ligne claire" und Mangas. Die schiere Menge von Details und Anspielungen in jedem Bild ist aber fast überwältigend. Ein Mehrfachsehen lohnt sich sicher, um möglichst viel zu entdecken. Die Handlung fasert, dem allgemeinen Drogeneinsatz gemäß, immer weiter aus, findet aber auch immer wieder sehr prägnante Szenen.
Letztlich mehr ein Aktionskunstwerk als ein konventioneller Film, das sicher nicht das Optimum aus seinem Material hervorholt und teilweise dank der Schauspieler-Handlung zu mediumsselbstverliebt wirkt, einen zudem letztlich weitgehend verwirrt zurücklässt - aber doch absolut bemerkenswert. 8 Punkte.
Blue Jasmine
Woody Allens erster Film seit "Match Point", der nicht primär Komödie ist. Sicher mit mehr tragikomischen Aspekten als MP, primär aufgrund der schrulligeren Charaktere, aber doch genauso ernst gemeint und letztlich wohl sogar reiner tragisch aufzufassen als jener.
Erzählt wird, mit vielen Rückblenden, das Schicksal einer Dame der gehobenen Gesellschaft, die bei ihrer hundsgewöhnlichen (Adoptiv-)Schwester unterkommen muss, nachdem das zwielichtige Finanzimperium ihres Mannes zusammengebrochen ist. Ihre eigene genauere Rolle dabei erfährt man erst später. Die Frau ist ein psychisches Wrack, das sich zwar Hoffnungen (vor)macht, sich in ein normales Leben einfügen und/oder wieder auf ihren alten Status hocharbeiten zu können, dem aber in keinster Weise gewachsen scheint. Parallel schwankt ihre Schwester zwischen den Verführungen eines Lebens, wie es ihr vorgelebt wurde und wieder versucht wird, und dem brüchigen, aber bodenständigen Glück in ihrer eigenen Welt.
Etwas fraglich ist, ob und was Woody Allen damit bezwecken will, einem eine Wohnung vorzusetzen, die sich in San Francisco eine Supermarktkassiererin ganz sicher nicht leisten könnte - Verfremdungseffekt, um die verdrehte Perspektive der gefallenen Dame noch weiter auf das Publikum auszudehnen, oder eigene Blauäugigkeit? Für mich litt darunter etwas die Glaubwürdigkeit der sozialen Situation. Zudem wirkte der durch die prolligen Freunde der Schwester eingebrachte Humor manchmal etwas zu aufgesetzt und herablassend. Ansonsten aber ein sehr starker Film mit einer hochklassigen Cate Blanchett, gut durchdachtem Hintergrund und einem treffenden Ende. 7,5 Punkte.
Ender's Game
Als Buchumsetzung fragwürdig, als reiner Film tatsächlich recht rund. Hauptmanko auch aus der günstigeren Perspektive ist aber die enorme Hektik, mit der alles runtergespult wird. Selbst die gekürzte Geschichte steckt noch so voller interessanter Details, dass man dem Zuschauer ruhig einige davon ausführlicher hätte zeigen dürfen - nicht nur Charakterentwicklung und -interaktion, sogar die doch so schön herzeigbaren Battle-Room- und Raumschlachten kamen zu kurz. Daher nur 7,5 Punkte, aber für Mainstream-Kino-SF eigentlich wirklich sehr, sehr ordentlich. Anderenorts später noch mehr.