- -Durch die Berufsverbote und andere Maßnahmen sind viele Juden und auch andere Leute in wirtschaftliche Not geraten. Dadurch sahen sie sich genötigt, Kunst- und andere Wertgegenstände zu verkaufen. Durch das Überangebot und die Eile, die häufig geboten war, wurden diese häufig weit unter dem vorigen Wert verkauft.
-Kunstwerke wurden direkt beschlagnahmt. Das geschah beispielsweise en masse in den besetzen Gebieten und primär bei "entarteter" Kunst auch in Deutschland. Teile der Bilder gingen in Staats- oder Privatbesitz der Nazi-Größen über. Teile wurden versteigert.
Die Frage bleibt: Inwieweit hat man falsch gehandelt, wenn man solche Bilder ersteigert hat?
Bei dem zweiten Fall kann von einer Art Hehlergeschäft reden und ähnliche Maßstäbe anlegen. D.h. dass die Kunstwerke auf jeden Fall eingezogen und an die ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben werden sollen. Wenn der Staat gesetzliche Grundlagen geschaffen hat, auf deren Basis er geraubt hat, und dann weiterverkauft hat, sollte man aber vermutlich schon sagen, dass der Staat den Käufern den Kaufpreis (wenn auch nicht den jetzigen Wert) zurückerstatten muss.
Beim ersten Fall ist das kniffliger. Es gibt verschiedenste unverschuldete Notlagen, aus denen man Sachen unter Wert verkauft. Was ist z. B. mit der Hungersnot nach dem Krieg? Oder viele Künstler, die aus normaler wirtschaftlicher Not heraus ihre Bilder verschleudern mussten? Hier bin ich mir unsicher, ob es da jetzt noch Rückabwicklungen geben sollte. Die eigentlichen Besitzer dürften ja ohnehin nicht mehr leben. Es geht hier ja nicht um einfache Entschädigungszahlungen, sondern um Wiederherstellung teils nicht unbeträchtlichen Reichtums. Es geht hier ja häufig um Millionenbeträge.
Um zur Frage zurückzukommen: Günstige Gelegenheiten und Zwangslagen zu nutzen, dürfte nicht auf (erfolgreiche) Händler zur Nazizeit beschränkt sein. Enteignete Kunst zu kaufen, dürfte klar als moralisch fragwürdig gelten, auch wenn nicht mehr als was viele andere zu vielen Zeiten gemacht haben. Bilder von Leuten in Notlage zu ersteigern, würde ich nichtmals als klar moralisch fragwürdig betrachten. Hätten sie es nicht ersteigert, wäre der Preis noch geringer gewesen. Ich sehe das weniger als moralisches Vergehen als ein Unterbleiben einer moralisch guten Tat.
Aus symbolischen und Sühnegründen würde ich aber sagen, dass man Rückabwicklungen auch in zweifelhaften Fällen nicht vollständig verweigern sollte, sondern Teilentschädigungsdeals in Betracht ziehen sollte. Ein Möglichkeit wäre auch eine Rückgabe zusammen mit einem Vertrag über eine Dauerleihgabe.
Letztlich dürfte klar sein, dass es hier keine eindeutigen Antworten und optimalen Lösungen gibt. Den einen Recht zu geben, heißt fast automatisch anderen Unrecht zu tun. Man kann das Unrecht, das man geerbt hat, nicht einfach wiedergutmachen.