Den SpOn-Artikel finde ich völlig wirr, insbesondere dieses Zweitehandzitat ist mir vollkommen unverständlich:
"Massenwirksame Wissenschaftspopularisierung", so schreiben es jedenfalls die Experten deutscher Wissenschaftsakademien in einer Stellungnahme, sei "Folge der Rückwärtsorientierung des Journalismus".
"Massenwirksame Wissenschaftspopularisierung" ist doch gerade das, was man erreichen will, und deren Scheitern wird ansonsten beklagt? Und was hat das mit "Rückwärtsorierierung" (auf
was in der Rückwärtigkeit?) zu tun?
Das Original ist leider nicht viel besser:
Innerhalb der Redaktionen ist unter dem ökonomischen Druck ferner eine tendenzielle Rückwärtsorientierung des Wissenschaftsjournalismus zum Primat der (massenwirksameren) Wissenschaftspopularisierung eine logische Folge.
Immerhin lässt es aber erahnen, was anscheinend gemeint war, vor allem, wenn man den Folgesatz als kontextsetzend annimmt (der davor behandelte noch ein völlig anderes Thema):
Für die privaten Sender erschließen sich mit populären Formaten auch wissenschaftsferne Zielgruppen.
Anscheinend wird hier angenommen, dass es ganz früher mal eine Phase gab, in der nur auf sehr niedrigem, dafür sehr populärem Niveau berichtet wurde; dann zuletzt auf höherem, aber sperrigerem Niveau berichtet wurde; und jetzt die Tendenz wieder "zurück" geht? Deckt sich nicht mit meinem Eindruck, aber weiter vorne im Text behaupten sie zumindest:
Gleichwohl hat der Wissenschaftsjournalismus in Deutschland zwischen der zweiten Hälfte der 1990er Jahre und den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts einen international wohl beispiellosen Aufschwung erlebt. Die privaten Sender entdeckten, dass Wissenschaft kein Quotenkiller ist. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten folgten dem gleichen Trend.
Die TV-Fokussierung finde ich aber auch sehr seltsam.
Nunja, weg von den komischen Phänomenanalysen, hin zu den eigentlichen Grundfragen. Ich denke, da muss man deutlich trennen zwischen anwendungsnaher Wissenschaft und reiner Wissenschaft.
Bei ersterer ist das beidseitige Interesse an Popularisierung deutlich größer - die Öffentlichkeit wird von den Entwicklungen direkt betroffen und will/sollte daher darüber informiert sein; die Wissenschaftler haben öfter im wörtlichen oder übertragenen Sinne etwas zu verkaufen. Hier gibt es eher die Probleme mit unkritischer Pressemitteilungsübernahme, ganz vielleicht auch Zensur (s.u.), aber auch mit falschem Fokus des mediengesteuerten Öffentlichkeitsinteresses auf pseudoskandalöse oder wunderversprechende Aspekte.
Bei zweiterer ist das Problem eher, dass die Wissenschaftler gar nicht wissen oder glauben, dass es öffentliches Interesse an ihrem Werk geben könnte, und die Öffentlichkeit gar nicht weiß, dass in diesem obskuren Wust interessante Erkenntnisse stecken. Zumal man dort fast immer den Fall hat, dass die konkreten Forschungsvorhaben ohne großes Hintergrundwissen kaum verständlich sind; oder verständlich, aber nicht interessant. Daher die Neigung der wissenschaftsseitigen Öffentlichkeitsarbeit, lieber Grundlagen darzustellen; und die des selbstaktivwerdenden Journalismus, dem Leser dröge erscheinende Einzelergebnisse an den Kopf zu knallen. Die Kombination können viele Medien aufgrund ihrer umfangsbegrenzten Formate wohl leider kaum leisten.
Noch was anderes - sehr irritierend fand ich auch diesen SpOn-Seitenhieb, der mal so ganz am Rande von der eigentlichen Inhaltsqualitätsdebatte ablenkt und plötzlich behauptet, ein wesentliches Problem sei Zensur seitens der Wissenschaftler:
Häufig würden sie Pressemitteilungen einfach ungeprüft übernehmen, heißt es im Gutachten. Was nicht drin steht: Selbst Reporter großer Medien lassen ihre Artikel vor Veröffentlichung von Wissenschaftlern kontrollieren, über die sie berichten - Zustimmung in der Forscherszene scheint wichtiger als unabhängige Berichterstattung.
Erstens weiß ich von in der Öffentlichkeitsarbeit tätigen Kollegen, dass diese "Kontrolle" oft eben nicht stattfindet. Zweitens erkennt man das auch an den Artikeln; besonders, wenn angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse besonders konfus diskutiert werden, stellt sich nachher oft heraus, dass der Reporter seine Kontakte völlig falsch verstanden hatte und ihnen eben keine Kontrollmöglichkeit einräumte. Drittens wird doch z.B. bei Politikerintervies viel mehr kontrolliert, was geschrieben werden darf.
Zusammenfassend ist zu viel Kontrolle der Wissenschaftler über Medienberichte ja wohl keineswegs das Problem, sondern das genaue Gegenteil. Außer vielleicht in manchen Grenzbereichen von angewandter Wissenschaft und Wirtschaft.