100 Jahre später ist die bescheidene Frage, ob es ein Völkermord war oder nicht, regelmäßig Gegenstand diplomatischer Verwerfungen. Die größte Torheit hierbei ist jedoch, dass auch in Westeuropa zunehmend Stigmatisierung und Dogmatismus in den Vordergrund rücken. Das heutige Armenien und die heutige Türkei feilschen um die Zahl der Opfer. Ob es nun 500.000 oder 1.500.000 Menschen waren, die ermordet wurden, ist imgrunde unerheblich.
"Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?" A. Hitler 1939
Tatsächlich sind seit den Ereignissen 100 Jahre vergangen, aber der Völkermord ist viel näher als 1939.
Wer redet denn heute noch über Völkermord? Mit dem Gerede ist es längst vorbei.
Die Jungtürken organisierten die Zwangsumsiedlung der christlichen Minderheiten mit Todesmärschen nach Arabien und Mesopotanien.
Die Nachfahren der Überlebenden in Syrien und Irak sind aktuell von Völkermord bedroht.
Wer redet heute noch von Aramäern, Chaldäern oder Assyrern? Noch gibt es welche. Irgendwo im wilden Kurdistan oder als Treibgut im Mittelmeer.
Die aktuelle Situation ist doch die, dass Türkei und die EU alles daran setzen, dass die orientalischen Christen in Syrien und Irak verbleiben, wo sie dem IS ausgeliefert sind. Die Flucht nach Anatolien wäre für sie die Rückkehr in die Heimat ihrer Urgroßväter!
Die Sache ist auch in der Türkei keineswegs vorbei. Anders als die armenische und griechische Kirche sind die vorgenannten Glaubensgemeinschaften mangels ausländischer Schutzmächte in der heutigen Türkei nicht anerkannt. Der Exodus der Aramäer aus Türkei setzte sich bis in die 1980er fort.
Auch im Kaukasus ist noch kein Gras über den Gräbern gewachsen. Seit ihrer Unabhängigkeit üben sich die ehemaligen Sowjet-Republiken Armenien und Aserbaidschan regelmäßig in Gefechten, Vertreibungen und Massakern - letzte Geplänkel im April 2016. Armenien hält mit der Region Bergkarabach 16 % der Fläche Aserbaidschans besetzt. Eine erneute Eskaltion im Bergkarabach-Konflikt ist eigentlich nur eine Frage der Zeit. Es versteht sich von selbst, dass die turksprachigen und muslimischen Aserbaidschaner die Türkei im Rücken wähhnen, während die Armenier von Russland unterstützt werden. Der 1. Weltkrieg geht also weiter. Wann endet eigentlich das 19. Jahrhundert?