@Ipsissimus: Spiele über Internet-Server werden, so viel ich weiß, nicht in der Standard-Elo gezählt. Schachserver haben ihre eigenen Elo-Systeme. Die absolute Weltspitze spielt üblicherweise eh nicht per Internet.
Und bzgl. Schachprogrammen: Natürlich wird vor einem Mensch-Computer-Wettkampf das Eröffnungsbuch angepasst, d.h. man wählt als menschlicher Designer bestimmte Eröffnungen aus, die der Computer spielen soll und natürlich tendentiell solche, mit denen der Gegner schlecht zurechtkommt. Jenseits der Eröffnung psychologische Aspekte in einem Computerprogramm zu berücksichtigen, erscheint mir sehr schwierig und auch nur begrenzt zielführend -- zu leicht setzt man damit einfach die eigene Spielstärke herab. In den Analysewerkzeugen, die bei Live-Übertragungen mitlaufen wird es sicherlich nichts dergleichen geben.
Außerdem ist das Zeitalter der Computer-Mensch-Wettkämpfe wohl eher vorbei. Ich würde nicht sagen, dass Menschen heutzutage generell chancenlos wären, aber dass der Computer gewinnt, ist doch deutlich wahrscheinlicher.
@Traitor:
Positionsspiel also tendentiell als defensive Variante für die ersten 2/3 des Spiels, darauf aus, auf Fehler zu warten, ein Remis zu erzwingen oder auf die eigene Endspielstärke zu setzen?
Das ist nicht ganz treffend, denke ich. Es gibt sicherlich Positionsspieler wie Petrosian und Anderssen, die für solche Art des Spielens bekannt waren. Aber viele Positionsspieler spielen durchaus aktiv auf Gewinn. Es passiert bei positioneller Überlegenheit leicht, dass der Unterlegende gar nicht genau weiß, was er für einen Fehler gemacht hat, aber nach 30 Zügen oder so ist seine Position voller Schwächen, seine Figuren stehen schlecht etc. und dann erfordert es nur noch einen taktischen Schlag und die Partie ist gegessen [wie Ipsi schon schreibt]. Erst vor ein paar Tagen habe ich diese Partie gesehen:
http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1060207. Ivanchuk spielt die ersten 22 Züge ruhig und stellt sich einfach nur gut auf. Dann, im richtigen Moment macht er ein
positionelles Bauernopfer. In der Endstellung sind dann Kasparovs Figuren in geradezu lächerlicher Weise in einer Ecke eingepfercht und das Matt folgt dann ganz natürlich in wenigen Zügen. Ivanchuk spielt hier nicht defensiv, aber sein Spiel ist positionell geprägt. [es passiert selten, dass die Nummer 1 so zusammengeschoben wird.]
Anmerken sollte man noch, dass positionelle Aspekte in den Anfangszeiten des Schachs (also vor Ende des 19. Jh.) weitgehend nur sehr wenig verstanden waren und man üblicherweise ein sehr taktisch-geprägtes und opferreiches Spiel spielte (die sogenannte romantische Ära des Schachs). Manche Spieler spielen heute noch im ähnlichen Stil, aber positionelle Aspekte zu meistern ist zwangsläufig für ein erfolgreiches Spielen im modernen Schach.
Ich hätte ja eher erwartet, dass in den Titelkämpfen besonders konservativ gespielt wird, um ja nichts zu riskieren. Aber die Historie spricht eine andere Sprache?
Das ist sowohl wahr und als falsch. Recht hast du, dass nur selten riskante Eröffnungen gewählt werden (obwohl das auch vorkommt). Aber Neuerungen in bekannten und soliden Eröffnungen zu finden bringt einen Vorteil: Man ist in der konkreten Stellung dann besser vorbereitet als der Gegner (der die Stellung im Idealfall dann noch nie gesehen hat, während man selbst Analysen gemacht hat), was entscheidend sein kann. Ein entscheidender Aspekt im Hintergrund von so einem Zweikampf ist immer das Eröffnungsduell, seine eigenen Neuerungen anbringen zu können, denen des Gegners auszuweichen, Eröffnungen zu spielen, die einem besser liegen etc.